HIPPO-Effekt
Inhaltsverzeichnis: Definition – Wer ist das Hippo? – Gegenmittel – Konsequenzen – Hinweise
Wissen kompakt: Der HIPPO-Effekt beschreibt eine kognitive Verzerrung, wonach die Meinung (Opinion) der bestbezahlten (highest paid) Person mehr Beachtung findet.
HIPPO-Effekt Definition
HIPPO ist ein Apronym und steht für Highest Paid Person’s Opinion. Der Effekt besagt, dass die Meinung (opinion) der bestbezahlten (highest paid) Person bei einer Entscheidung mehr Beachtung findet, weil diese per se einen höheren Wert hat. Der Wert der Meinung wird also mit dem Gehalt der Person verknüpft, die besagte Meinung äußert. Je höher das Gehalt, desto wichtiger die Meinung. Oder anders ausgedrückt: “Gemacht wird, was derjenige mit dem höchsten Gehalt sagt”.
Als Begriff wurde der HIPPO-Effekt erstmalig vermutlich von Avinash Kaushik 2007 in seinem Buch “Web Analytics: An Hour a Day”¹ verwendet. Kaushik argumentiert, dass der Effekt insbesondere dann auftritt, wenn es keine validen Daten gibt, die eine Entscheidung maßgeblich determinieren. Als Gegenmittel werden daher in verschiedenen Publikationen gerne evidenzbasierte und/oder kooperative Entscheidungsformate genannt.
Wer ist das HIPPO?
Diese Frage ist nur scheinbar leicht zu beantworten, denn oftmals ist nicht tatsächlich bekannt, wer die Person mit dem höchsten Gehalt ist. Viele Organisationen kommunizieren Gehälter nicht und vereinbaren Stillschweigen über Gehälter. Darüber hinaus gibt es bspw. Situationen, in denen Vertreter unterschiedlicher Abteilungen eines Unternehmens oder mehrere Unternehmen miteinander kooperieren – auch hier ist unklar, wer das HIPPO ist. Für den HIPPO-Effekt ist dies aber nicht wichtig, denn dieser basiert auf dem sogenannten “Authority Bias”. Menschen haben eine Tendenz der Meinung einer Autorität eine größere Bedeutung zuzuschreiben und sich stärker von dieser stärker beeinflussen zu lassen. Erstmals dokumentiert wurde diese kognitive Verzerrung von Stanley Milgram, einem US-amerikanischen Psychologen 1963.²
Daraus ergeben sich einige Überlegungen:
- Das HIPPO ist also oftmals die Person, die innerhalb einer Hierarchie am höchsten positioniert ist. Trifft sich bspw. eine Abteilung zu einem Meeting, ist der Abteilungsleiter das HIPPO. Nimmt ein Hauptabteilungsleiter an dem Meeting teil, ist dieser das HIPPO. In anderen Worten: das HIPPO lässt sich aus einem Organigramm ablesen.
- Der HIPPO-Effekt ist unter Umständen temporär.
- Der Effekt kann auch auftreten, wenn sich Vertreter verschiedener Unternehmen begegnen, unabhängig davon, ob sie partnerschaftlich kooperieren oder in einem Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis stehen.
Gegenmittel beim HIPPO-Effekt
Gerne werden faktenbasierte Entscheidungstechniken – z.B. das Evidence-Based Management – als Gegenmittel zum HIPPO-Effekt genannt. Diese und ähnliche Techniken helfen tatsächlich, Entscheidungen in Projekten oder bei Entwicklungen gemeinsam zu treffen. Doch was passiert, wenn die Person mit dem höchsten Gehalt oder dem bedeutensten Jobtitel gerne Entscheidungen selbst trifft oder das letzte Wort haben möchte? Hier können andere Gegenmittel helfen:
- ein iteratives Vorgehen, z.B. bei der Entwicklung von Pretotypen, Prototypen oder Minimum Viable Products, liefert Feedback, um die Meinung des HIPPOs zu bestätigen oder zu widerlegen.
- die Anwendung von etablierten Praktiken und Prinzipien wie z.B. bei der Clean Code Entwicklung.
- kooperative Formate, die einen Meinungsaustausch unabhängig von den Positionen der Teilnehmenden fördern wie z.B. Braindumping.
- die explizite Suche nach Win-Win-Situationen in Richtung der eigenen Organisation und auch in Richtung der Kunden und Anwender.
- die aktive Nutzung von Lessons Learned.
- die Einrichtung von Entscheidungsgremien.
Aber was passiert, wenn auch diese Gegenmittel keine Abhilfe schaffen? Dann gibt es vermutlich nur noch drei Möglichkeiten:
- die bewusste Konfrontation mit dem HIPPO,
- die klare Benennung des HIPPO-Effekts und des Authority Bias’ und
- die Nennung von möglichen Konsequenzen.
Was sind mögliche Konsequenzen des HIPPO-Effekts?
Die Konsequenzen des HIPPO-Effekts können mannigfaltig sein. So besteht bspw. die Gefahr, dass
- Erkenntnisse von Marktbefragungen, Stakeholderanalysen, Reviews negiert,
- Projekte falsch aufgesetzt,
- Ziele subjektiv definiert und formuliert,
- Prioritäten falsch gesetzt,
- Good Practices ignoriert,
- Entscheidungen falsch getroffen oder
- Produkte an den Kundenbedürfnissen vorbei entwickelt werden.
Darüber hinaus kann die Motivation der Zusammenarbeit in einer Organisation sinken, das Selbstmanagement von Teams leiden, das Silodenken zunehmen oder die Fluktuation von Mitarbeitenden steigen. Das HIPPO kann also großen Schaden für eine Organisation anrichten.
Es gibt aber auch eine gute Nachricht beim HIPPO-Effekt: er muss nicht zwangsläufig negativ sein. Leicht lässt sich das beobachten, wenn die Person mit dem höchsten Gehalt bspw. versucht,
- ihre oder seine Rolle als Servant Leader zu interpretieren,
- Veränderungen innerhalb einer Organisation zum Wohle der Mitarbeitenden herbeizuführen,
- demokratische Strukturen zu schaffen,
- Transparenz zu erhöhen,
- Selbstorganisation und Selbstmanagement zu fördern oder
- eine Kultur des Vertrauens zu leben.
In anderen Worten: die möglichen Folgen des HIPPO-Effekts hängen im Einzelfall vom HIPPO ab.
Lässt sich der Effekt auch in anderen Lebensbereichen beobachten, bspw. wenn im Sport immer der Kapitän einer Fussballmannschaft interviewt oder in der Politik ein Machtwort von einer Amtsträgerin gefordert wird?
Hinweise:
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[1] Avinash Kaushik: Web Analytics: An Hour a Day
[2] Stanley Milgram: Behavioral Study of obedience. The Journal of Abnormal and Social Psychology.
Der Effekt wird manchmal auch als HIPPO-Prinzip bezeichnet.
Hier finden Sie ergänzende Informationen aus unserem Blog: