Ishikawa-Diagramm
Inhaltsverzeichnis: Definition – Aufbau – Vorteile und Nachteile – Fragen aus der Praxis – Hinweise
Ishikawa-Diagramm – systematisch die Ursachen von Problemen identifizieren
Das Ishikawa-Diagramm wurde 1943 von Kaoru Ishikawa¹ entwickelt. Ishikawa war Chemiker, Organisationstheoretiker, Professor an der technischen Fakultät der Universität Tokio und ein Pionier in der Anwendung statistischer Methoden zur Verbesserung von Produktionsprozessen.
Das Ishikawa-Diagramm – auch als Ursache-Wirkungs-Diagramm, Fischgräten-Diagramm oder Fishbone Diagramm bekannt – basiert auf dem Konzept, dass Probleme häufig mehrere Ursachen haben, die in verschiedenen Kategorien organisiert sind. Es ist Teil der “Sieben Werkzeuge der Qualität”, einer Sammlung von quantitativen Methoden und Instrumenten zur Qualitätssicherung, die Ishikawa definierte.²
Ursprünglich wurde das Ishikawa-Diagramm in der Qualitätskontrolle eingeführt, um die Ursachen von Problemen in der Fertigungsindustrie bzw. Produktion zu untersuchen. Heute findet es in einer Vielzahl von Branchen und Situationen Anwendung, bspw. im Projektmanagement, um potenzielle Risiken und Probleme in Projekten frühzeitig zu erkennen, in der Prozessoptimierung zur Analyse von ineffizienten Prozessen und zur Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen, oder in der Produktentwicklung zur Entwicklung von Ideen für die Realisierung von Features.
Der Aufbau des Ishikawa-Diagramms mithilfe von 4M, 5M, 6M, 7M oder 8M
Das Ishikawa-Diagramm visualisiert Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung. Ursprünglich wurden die Ursachen in vier Kategorien bzw. Haupteinflussgrößen – das sogenannte 4-M-Schema – eingeteilt:
- Material,
- Maschine,
- Methode und
- Mensch.
Material umfasst Werkstücke, Roh-, Hilfs- und Schmierstoffe sowie Zulieferteile. Maschine bezieht sich auf Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsmittel und Messeinrichtungen. Methode beinhaltet Arbeitsabläufe, Dienstanweisungen, Organisationsstrukturen und Kontrollverfahren. Und Mensch bezieht sich auf Erfahrungen, Kenntnisse, Fähigkeiten und persönliche Einstellungen.
Im Laufe der Zeit wurde das ursprüngliche 4M-Schema sukzessive zu einem 8M-Schema – auch bekannt als 8M-Methode – erweitert.³ Hinzugefügt wurden
- Milieu bzw. Mitwelt oder Umwelt (5M),
- Management (6M),
- Messung (7M) und
- monetäre Faktoren (8M).
Milieu bzw. Mitwelt oder Umwelt bezieht sich auf das Verhalten der Kundschaft, gesetzliche und gesellschaftliche Vorgaben sowie die Konkurrenz. Das Management umfasst Vision, Mission, Unternehmensprinzipien sowie operative und strategische Entscheidungen. Die Messung bezieht sich auf Output, Ergebnis und Leistung. Monetäre Faktoren beziehen sich auf Finanzen.
Die Erstellung des Ishikawa-Diagramms erfolgt in fünf Schritten:
1. Diagramm zeichnen und Haupteinflussgrößen eintragen
Ein horizontaler Pfeil nach rechts bildet den Ausgangspunkt. An der Spitze des Pfeils steht das identifizierte und klar formulierte Ziel oder Problem. Die diagonalen Pfeile repräsentieren die erkannten oder vermuteten Haupteinflussgrößen.
2. Primäre und sekundäre Ursachen erarbeiten
Durch den Einsatz von Kreativitätstechniken werden potenzielle Ursachen gesucht. Da in der Praxis häufig eine Vielzahl von Faktoren gefunden werden, ist es sinnvoll, die primären Ursachen – bspw. mithilfe der ABC-Analyse – herauszustellen und den Einfluss der Ursachen – bspw. von A (stark) bis C (gering) – zu bewerten.
Die primären Ursachen werden durch kleinere, horizontale Pfeile dargestellt, die auf die diagonalen Pfeile der Haupteinflussgrößen zulaufen. Sekundäre Ursachen zeigen mit diagonalen Pfeilen auf die horizontalen Pfeile der jeweiligen primären Ursache und erzeugen so weitere Verästelungen.
Eine Kategorie kann mehrere primäre Ursachen haben und eine primäre Ursache kann wiederum mehrere sekundäre Ursachen haben. Alle diagonalen Pfeile zeigen in Richtung Wirkung oder Ergebnis. Dadurch entsteht das Muster eines Fischskeletts, das namensgebend für die alternativen Bezeichnungen Fischgräten-Diagramm oder Fishbone Diagramm ist.
3. Vollständigkeit überprüfen
Die Visualisierung ermöglicht einen Überblick und erleichtert die Überprüfung, ob alle möglichen Ursachen berücksichtigt wurden. Es wird geprüft, ob Ursachen übersehen wurden oder ob weitere Zusammenhänge vermutet werden können.
4. Bewertung der Ursachen
Die visualisierten potenziellen Ursachen werden hinsichtlich ihrer Bedeutung und ihres Einflusses auf das Problem gewichtet. Die Ursache mit der höchsten Wahrscheinlichkeit wird bestimmt.
5. Richtigkeit überprüfen und Maßnahmen ableiten
Die wahrscheinlichste Ursache wird anschließend mit entsprechender Expertise überprüft und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Problem beurteilt. Statistische Tests wie bspw. ein Signifikanztest können die Annahme unterstützen, dass es sich bei der identifizierten Ursache um die primäre handelt. Sobald die Ursache erkannt ist, werden Maßnahmen abgeleitet, um das Problem zu lösen.
Vorteile und Nachteile des Ishikawa-Diagramms
Die Arbeit mit dem Ishikawa-Diagramm bzw. der Ishikawa-Methode bietet einige Vorteile:
- Die definierten Kategorien erleichtern das Sammeln und Klassifizieren von Ursachen.
- Es entsteht ein tieferes Verständnis des Problems bzw. der Herausforderung.
- Die Visualisierung der Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung ist leicht zu erstellen und leicht zu verstehen.
- Die Priorisierung von Ursachen erleichtert die Definition von Maßnahmen. Im Sinne des Risikomanagements könnten so bspw. die Risikoeintrittswahrscheinlichkeit oder das Schadensausmaß reduziert werden.
- Das Diagramm ist in vielen Bereichen und Situationen anwendbar.
Wird die Methode im Team genutzt, dann besteht auch die Chance, dass ein “Wir-Gefühl” innerhalb der Gruppe entsteht und der Zusammenhalt steigt, da man gemeinsam Ursache und Wirkung identifiziert und Maßnahmen definiert.
Es gibt aber auch einige Nachteile bei der Arbeit mit dem Ishikawa-Diagramm:
- Zeitliche Abhängigkeiten lassen sich nicht oder nur schwer visualisieren. Auch die Darstellung von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Ursachen ist kaum möglich.
- Je mehr primäre und sekundäre Ursachen identifiziert werden, desto unübersichtlicher wird die Visualisierung.
- Insbesondere bei umfangreichen Ursachen eines Problems oder einer Herausforderung kann die Erstellung relativ zeitaufwendig sein.
- Es gibt keine Garantie, dass auch wirklich alle Ursachen identifiziert werden.
- Möglicherweise lassen sich nicht alle Ursachen eindeutig kategorisieren.
- Zudem hängt das gemeinsame Ergebnis auch dem Miteinander bei der Ursachen- oder Ideensammlung sowie dem Umgang mit unterschiedlichen Perspektiven ab.
Kurzum: Das Ishikawa-Diagramm ist ein nützliches und leicht zu erstellendes bzw. zu verstehendes Hilfsmittel zur systematischen Analyse von Problemen und zur Entwicklung gezielter Lösungen. Durch die strukturierte Erfassung und Visualisierung von Ursachen bietet es einen Rahmen für effektive Problemlösungsprozesse in verschiedenen Kontexten. Wie viele Hilfsmittel zur Visualisierung kann es aber bei umfangreichen Problem- oder Aufgabenstellungen unübersichtlich werden. Und natürlich gibt es keinerlei Garantie, dass sämtliche Ursache-Wirkung-Beziehungen identifiziert oder geeignete Lösungen entwickelt werden.
Fragen aus der Praxis
Hier finden Sie einige Fragen und Antworten aus der Praxis:
Welche Tipps gibt es zur Erstellung des Ishikawa-Diagramms?
Es gibt eine ganze Reihe von Tipps, die bei der Arbeit mit dem Ishikawa-Diagramm nützlich sind:
- Bestimmen Sie einen Moderator, der dafür sorgt, dass die Aufgabenstellung eingehalten, alle Teilnehmer gehört und jede Perspektive dokumentiert wird.
- Kommunizieren Sie die Aufgabenstellung oder das zu lösende Problem bereits im Vorfeld des Austauschs, sodass sich alle Teilnehmer vorbereiten können. Insbesondere introvertierte Menschen erhalten so die Chance, sich aktiv am Dialog zu beteiligen. Wählen Sie ggf. eine Methode zur Ideen- oder Ursachenfindung, die für alle Teilnehmer gleich gut funktioniert. Möglicherweise passt Brainwriting besser als Brainstorming.
- Planen Sie genügend Zeit ein. Es ergibt wenig Sinn, Maßnahmen zu übersehen, da nicht genügend Zeit eingeplant wurde, um alle wesentlichen Ideen oder Ursachen zu identifizieren. Im Zweifel vertagen Sie sich lieber auf einen neuen Termin.
- Nutzen Sie lieber eine Kategorie zu viel als eine zu wenig.
- Kombinieren Sie die Ishikawa-Methode mit anderen Methoden, um wirklich alle wesentlichen Ideen oder Ursachen zu finden.
- Im Laufe einer Entwicklung tauchen ggf. neue Ursache-Wirkung-Beziehungen auf. Ergänzen Sie bei Bedarf daher das Diagramm und leiten Sie zusätzliche Maßnahmen ab.
Und zu guter Letzt: Versuchen Sie, klare und präzise Formulierungen zu nutzen. Das erleichtert das Verständnis und erhöht die Lesbarkeit des Diagramms.
Mit welchen anderen Methoden lässt sich die Ishikawa-Methode kombinieren?
Die Ishikawa-Methode lässt sich mit einer ganzen Reihe von Methoden kombinieren. So gibt es bspw. zahlreiche Ideationansätze wie Reverse Brainstorming, Scamper oder die 5W1H-Methode, mit denen sich leicht Ideen oder Ursachen sammeln lassen. Und auch bei der Priorisierung gibt es neben der ABC-Analyse bspw. mit der Eisenhower Matrix, der Pugh Matrix oder dem Entscheidungsbaum alternative Ansätze, die sich gut kombinieren lassen.
Wie lässt sich sicherstellen, dass alle wichtigen Ursachen mit der Ishikawa-Methode identifiziert werden?
Weder mit der Ishikawa-Methode noch mit einem anderen Ansatz lässt sich sicherstellen, dass alle wichtigen und wesentlichen Ursachen oder Ideen identifiziert werden. Methoden sind Hilfsmittel bspw. zur Lösung einer Aufgabe; sie können nie ein Ergebnis garantieren.
In der Praxis empfiehlt es sich daher,
- genügend Zeit einzuplanen und alle Teilnehmer und ihre Perspektiven zu hören, sowie
- zusätzliche Methoden wie Starbursting oder 5-Whys zu nutzen.
In der Summe stehen dann die Chancen ziemlich gut, viele wesentliche Ursachen oder Ideen zu finden.
Wie oft wird das Ishikawa-Diagramm erstellt?
Das Diagramm wird an sich einmal erstellt, es lässt sich aber im Laufe einer Entwicklung oder beim Auftreten neuer Ursache-Wirkung-Beziehungen ergänzen. Damit wird es zu einem kontinuierlich nützlichen Hilfsmittel.
Welche Software unterstützt die Erstellung eines Fischgräten-Diagramms?
Es gibt einige Tools, die Vorlagen für das Fischgräten-Diagramm bieten. Hier finden Sie eine kleine Liste:
Sicherlich finden sich im Internet noch weitere Tools oder Vorlagen.
Impulse zum Diskutieren:
Wie wichtig ist die Visualisierung von Ursache und Wirkung in der Praxis? Oder anders gefragt: Wäre eine tabellarische Darstellung ggf. genauso gut?
Hinweise:
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[1] Eine kurze Biografie von Kaoru Ishikawa.
[2] Die “Sieben Werkzeuge der Qualität” – auch kurz als Q7 bezeichnet – behalten das Prüfblatt bzw. die Strichliste, das Histogramm, das Pareto-Diagramm, das Korrelations- oder Streudiagramm, die Regelkarte und das Flussdiagramm, sowie natürlich das Ishikawa-Diagramm.
[3] Viele Organisationen erweitern heutzutage das M-Schema entsprechend ihren konkreten Umständen und betrachten zusätzliche Einflussgrößen wie bspw. Informationen oder Prozesse.
Hier finden Sie ein Erklärungsvideo zum Ishikawa-Diagramm.
Und hier finden Sie ergänzende Informationen aus dem t2informatik Blog: