Zieldiagramm
Inhaltsverzeichnis: Definition – Ziele und ihre Bedeutungen – Visualisierung – Beziehungen – Quantifizierung – Aktualisierung – Vorteile – Download – Hinweise
Wissen kompakt: Mit einem Zieldiagramm werden Ziele und deren Hierarchie visualisiert. Auch Beziehungen zwischen einzelnen Zielen und die Bedeutung der Ziele für Stakeholder lassen sich darstellen.
Zieldiagramm Definition
Ein Zieldiagramm visualisiert Ziele, Beziehungen zwischen Zielen und Beziehungen zwischen Stakeholdern und Zielen. Zieldiagramme – auch Zielmodelle genannt – helfen auf einfache Art, Zusammenhänge zu erkennen und Anforderungen aus den Zielen der Stakeholder abzuleiten. Ziele sind Absichten, die Stakeholder mit Hilfe von Software, Systemen, Produkten oder Projekten verfolgen. Ein Zieldiagramm beschreibt eine Momentaufnahme, die eine Einschätzung der Ziele, die Abhängigkeiten zwischen den Zielen und die Priorisierung durch die Stakeholder dokumentiert. Es ist eine Darstellung, die zyklisch auf Aktualität überprüft werden sollte, um so eine dauerhafte Ausrichtung einer Entwicklung anhand der Ziele der Stakeholder zu gewährleisten.
Zieldiagramme lassen sich in zwei entgegengesetzte Richtungen lesen:
- Von oben nach unten – diese Richtung beantwortet die Frage nach dem “Wie”. Hier im Beispiel: Wie möchte der Stakeholder 1 die Marktführerschaft mit einem innovativen Produkt erreichen? Indem ein Qualitätsprodukt zu geringen Kosten entwickelt wird.
- Von unten nach oben – diese Richtung beantwortet die Frage nach dem “Warum”. Warum soll in Asien oder in Ost-Europa entwickelt werden? Weil die Entwicklung zu geringen Kosten wichtig ist, um die Marktführerschaft mit einem innovativen Produkt zu erreichen.
Ziele und ihre Bedeutungen
Das Wort Ziel ist ein universeller Begriff, der je nach Kontext anders verstanden und interpretiert wird. Grundsätzlich ist ein Ziel ein in der Zukunft liegender, angestrebter und definierter Zustand. Dabei kann es sich um ein Unternehmensziele, um soziale oder persönliche, um ökonomische oder ökologische Ziele handeln.
Die Merkmale eines Ziels sind
- Zielinhalt,
- Zeitrahmen und
- Erfüllungsgrad.
Im Kontext eines Projekts oder einer Entwicklung von Software, Systemen oder Services verfolgen Stakeholder Ziele. Sie versprechen sich bspw. von einem System, dass es dabei hilft, diese Ziele zu erreichen. Damit dies gelingt, muss das System definierte Merkmale besitzen. Die Beschreibung eines solchen Merkmals aus Sicht eines Stakeholders wird als Ziel bezeichnet.¹ In Requirements Engineering – Grundlagen Prinzipien, Techniken definiert Klaus Pohl es folgendermaßen: “Ein Ziel ist die intentionale Beschreibung eines charakteristischen Merkmals des zu entwickelnden Systems bzw. des zugehörigen Entwicklungsprozesses.”²
Für Organisationen ist es wichtig, ihre Stakeholder, deren Ziele und die Bedeutung dieser Ziele für die Stakeholder zu kennen. Nicht jedes Ziel ist gleich bedeutend. Oft widersprechen sich auch Ziele einzelner Stakeholder und eine frühzeitige Kommunikation zur Klärung solcher Widersprüche wird nötig. Dies kann zwar zu Konflikten zwischen Stakeholdern führen, dennoch ist die Abstimmung der Ziele untereinander eine wesentliche Basis für den späteren Projekterfolg.
Ohne Klärung werden unnötige Aufwände in die Umsetzung der sich widersprechenden Ziele investiert, die Entwicklungskosten steigen und die Produktqualität leidet. Im Zweifelsfall müssen Entwickler später Entscheidungen treffen, die bereits zu Beginn der Entwicklung hätten geklärt werden sollen. Unzufriedenheit wird sich unter den Beteiligten breit machen und im schlimmsten Fall werden Produkte veröffentlicht, die keinen klar definierten Funktionsumfang besitzen und sich nur schwer vermarkten lassen.³
Die Visualisierung der Ziele im UND-/ODER-Graph
Wie Anforderungen verändern sich auch Ziele im Laufe eines Projekts oder einer Entwicklung. In volatilen Märkten und bei einer regelmäßigen Kommunikation mit Stakeholdern ist dies eher die Regel als die Ausnahme. Für die Zielerreichung ist es wesentlich, dass eine Veränderung der Ziele zu eindeutigen Maßnahmen und klaren Konsequenzen führt. Damit dies gelingt, müssen Ziele dokumentiert werden, denn sonst droht ein Scope Creep, also eine ungesteuerte Veränderung einer Entwicklung. Ohne Dokumentation – ein Zieldiagramm ist eine Form der Dokumentation – können neue Ziele schnell wichtiger genommen werden als vorhandene. Diese Interpretation hat weitreichende, unbeabsichtigte Folgen. Nur durch die Dokumentation der Ziele, der Beschreibung der Beziehungen zwischen den Zielen und der Gewichtung der Ziele gelingt die dauerhafte Ausrichtung auf die Interessen der Stakeholder.
Ein Zieldiagramm besteht aus sogenannten UND- bzw. ODER-Zerlegungen (daher auch die alternative Bezeichnung UND-/ODER-Graph).
Bei einer UND-Zerlegung wird ein Ziel in Teilziele gegliedert, die alle erfüllt sein müssen, um ein Ziel zu erreichen. UND-Zerlegungen erkennen Sie im Zieldiagramm an durchgezogenen Linien. In unserem Beispiel wird das Ziel “Marktführerschaft mit innovativem Produkt” in die Teilziele “Entwicklung von Qualitätsprodukt” und “Entwicklung zu geringen Kosten” zerlegt. Auch bei einer ODER-Zerlegung wird ein Ziel in Teilziele zerlegt, von denen aber nur eines erfüllt sein muss, um das übergeordnete Ziel zu erreichen. ODER-Zerlegungen werden durch unterbrochene Linien dargestellt. In unserem Beispiel lässt sich die “Entwicklung zu geringen Kosten” in Asien oder Ost-Europa realisieren.
Beziehungen im Zieldiagramm
Ziele haben Beziehungen untereinander. Sie können sich bspw. widersprechen oder einander bedingen.
In unserem Beispiel gibt es einen Konflikt zwischen dem Ziel “Entwicklung von Qualitätsprodukt” und “Entwicklung in Asien”. Der Grund für diesen Konflikt könnte per Notiz im Diagramm dokumentiert werden. Unabhängig davon aber lässt sich daraus ableiten, dass Zieldiagramm individuell erstellt werden müssen. Für viele Organisationen ist eine Entwicklung in Asien Alltag und stellt keinen Konflikt dar. Warum dies hier anders beurteilt wird, sollte die Organisation unbedingt klären. Es ist auch möglich, dass ein Ziel die Erfüllung eines anderen Ziels voraussetzt. Diese Beziehung lässt sich im Zieldiagramm durch eine Benötigt- bzw. Demand-Beziehung kennzeichnen.
Quantifizierung durch Kennzahlen und Funktionen
Ziele können durch die Zuordnung von Kennzahlen quantifiziert werden. In Zieldiagrammen wird dies meist durch die Verwendung von zusätzlichen Objekten oder durch die Dokumentation der Erfolgsfaktoren in der Zielbeschreibung dargestellt. Welche Erfolgsfaktoren bzw. Kennzahlen verwendet werden, hängt vom jeweiligen Ziel ab. Ein Ziel “Marktführerschaft mit innovativem Produkt” ist als solches wenig aussagekräftig. Es ist nicht präzise formuliert, es ist nicht messbar und auch nicht terminiert. Von welchem Markt wird hier gesprochen, in welchen Zeiträumen soll das Ziel realisiert werden, ab welcher Umsatzhöhe, Gewinnmarge oder Marktanteil ist das Ziel erreicht?
Bei der Entwicklung von Software, Systeme oder Services werden Ziele durch Funktionen erreicht. Auch diese lassen sich durch zusätzliche Objekte oder als Aspekt in der Zielbeschreibung dokumentieren. Der Gedanke dabei ist aber nicht, eine kleinteilige Beschreibung von hunderten Funktionen zur Zielerreichung, sondern – sofern sinnvoll und nützlich – die Zuordnung von wesentlichen Funktionen. Möchte eine Bank Überweisungen rund um die Uhr anbieten, ist es wichtig, dass der Versand einer SMS Tan auch nachts funktioniert.
Die Pflege und Aktualisierung von Zieldiagrammen
Ein Zieldiagramm ist ein nützliches Instrument zur Dokumentation der Ziele von Stakeholdern, der Bedeutung dieser Ziele für die jeweiligen Stakeholder – in einem Zieldiagramm lassen sich auch mehrere Stakeholder darstellen – und der Beziehungen zwischen den Zielen. Wie viele Aspekte im Requirements Engineering bzw. Anforderungsmanagement empfiehlt sich die regelmäßige Auseinandersetzung mit den Zielen, denn Ziele und Motive einzelner Stakeholder können sich ändern. Organisationen müssen nicht jeden Tag nach neuen Zielen fanden, aber sobald neue Ziele formuliert werden, sollten diese wie die bereits früher dokumentierten Ziele erfasst und bewertet werden. Eventuell ergibt sich eine neue Ausrichtung des Vorhabens – auch wenn dies nicht nur Freude in Organisationen auslöst, was wäre eine Alternative?
Verschieben sich Ziele im Laufe eines Projekts, entstehen möglicherweise zusätzliche Aufwände oder bereits getätigte Aufwände werden nutzlos. Auch hier bietet ein Zieldiagramm eine gute Grundlage für spätere Diskussionen. Voraussetzung dafür ist die Versionierung der jeweiligen Zieldiagramme. Ein Zieldiagramm ist somit nicht nur ein Instrument zur Planung und Steuerung, es ist auch ein Instrument der Absicherung.
Vorteile von Zieldiagrammen
Zieldiagramme sind leicht zu erstellen und zu lesen. Darüber hinaus bieten sie eine Reihe von Vorteilen:
- Einzelne Ziele und das Zusammenwirken von Zielen lassen sich leichter verstehen als bei einer Erfassung von Zielen per Tabelle.
- Stakeholder verfolgen Ziele. Manchmal “besitzen” sie ein Ziel, manchmal zeigen sie “Interesse” an einem Ziel. Die Kommunikation mit Stakeholdern wird erleichtert, denn die Bedeutung einzelner Ziele lässt sich frühzeitig für eine Entwicklung oder ein Vorhaben klären.
- Die Verwendung von UND-/ODER-Zerlegungen steigert das Verständnis der Beteiligten und ist Basis für die Auswahl von Handlungsalternativen. Bei UND-Zerlegungen werden mehrere Ziele gleichzeitig adressiert, bei ODER-Zerlegungen wird ein Ziel in mehrere Teilziele zerlegt, von denen nur das eine ODER das andere erreicht werden muss.
- Zielkonflikte und Widersprüche können identifiziert werden, so dass sich frühzeitig wichtige Entscheidungen treffen und Fehlentwicklungen vermeiden lassen.
- Die Gewichtung von Zielen hilft bei der Priorisierung von abgeleiteten Anforderungen.
Hinweise:
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[1] Es gibt immer wieder Diskussionen über das Definieren von Zielen. Sollten Ziele realistisch formuliert sein und einen Anreiz bieten, weil sie mit einem leistbaren Aufwand zu erreichen sind? Oder dürfen sie auch utopisch formuliert werden und so zu neuen Denkmustern und Überlegungen anregen – gerade in Zeiten von disruptiven Geschäftsmodellen – um neue Wege und Optionen zu erkunden?
Grundsätzlich sollten
- Ziele eindeutig – also so präzise wie möglich – definiert sein,
- messbar und
- terminiert sein.
Für eine Organisation ist es genauso wichtig wie für ein Individuum, ein Ziel als Herausforderung zu akzeptieren, die es zu meistern gilt. Nur wenn ein Ziel die genannten Kriterien erfüllt und es als solches akzeptiert wird, besteht die Chance es zu erreichen; unabhängig davon ob es realistisch oder uptopisch formuliert wurde.
[2] Klaus Pohl: Requirements Engineering: Grundlagen, Prinzipien, Techniken
[3] Aus Zielen lassen sich auch Anforderungen ableiten und umgekehrt können Anforderungen auch Zielen zugeordnet werden. Dies klingt leichter, als es in der Praxis oft ist. Die Zielermittlung setzt eine erfolgreiche Stakeholderanalyse voraus. Stehen nicht alle notwendigen Informationen zur Verfügung, führt dies zur Interpretation der Erkenntnisse und die Gefahr einer Fehleinschätzung droht.
Die Auseinandersetzung mit Zielen und die daraus folgende Ableitung von Anforderungen bietet einen weiteren Vorteil: der Erfolg einer Entwicklung lässt sich anhand der Zielerreichung feststellen. Ziele sind daher nicht nur Leitplanken zum Projektstart, sondern bieten auch Orientierung im Projektverlauf. Die Umsetzung von Anforderungen wird damit wesentlich für die Erreichung der Ziele. Anders formuliert: Nur wenn die Stakeholder-Ziele erfüllt werden, sind die Voraussetzungen für einen Markterfolg gegeben.
Hier finden Sie ergänzende Informationen aus unserem t2informatik Blog: