Wissen kompakt: Produktziele sind qualitative Zielsetzungen der Produktentwicklung, d. h. sie determinieren u. a. die Art und Qualität von Produkten.

Produktziel Definition

Idealerweise verfügt ein Produkt oder eine Dienstleistung über einzigartige Merkmale, um Kunden bzw. Anwender zu begeistern und zu gewinnen. Gleichzeitig erleichtern entsprechende Merkmale die Differenzierung zur Konkurrenz. Die Realisierung der Merkmale ist aber nicht identisch mit der Erreichung von Produktzielen.

Produktziele sind qualitative Zielsetzungen, die sich auf die Art und die funktionale, technische und ökologische Qualität der Produkte, auf das Sortiment und auf die Produktmenge beziehen. Sie sind ein wesentlicher Aspekt bei der Definition einer Produktstrategie und wirken im Gegensatz zu Marktzielen in Richtung des herstellenden Unternehmens und nicht in Richtung des Markts. Gemeinsam mit den Marktzielen werden Produktziele auch als Leistungsziele bezeichnet.

Produktziel - die qualitative Zielsetzung eines Produkts

Unterschiede zwischen Marktziel, Produktziel und Produktvision

In der Literatur und auch in der Unternehmensrealität kommt es immer wieder vor, dass drei Begriffe vermischt werden:

  • Marktziel,
  • Produktziel und
  • Produktvision.

Da die Grenzen dieser Begriffe fließend sind, ist es für Organisationen wichtig, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und sich auf eine gemeinsame Verwendung der Begriffe zu einigen.

Ein Marktziel eines Produkts (oder einer Dienstleistung) adressiert dessen quantitative Wirkung auf einem Markt. Typische Marktziele sind:

  • Marktstellung (bspw. Innovator, Early Adopter, Early Majority, Late Majority, Laggards),
  • Marktmacht (bspw. Monopol, Oligopol, Polypol, Monopson) und
  • Marktanteile (bspw. auf einem Teil- oder dem Gesamtmarkt in Bezug auf Menge oder Wert).

Für Marktziele ist es wesentlich, einen Markt mit seinen Marktteilnehmern – also den Kunden und Anwendern, Lieferanten, Konkurrenten, Gesetzgeber, Verbänden etc. – und ihren Bedürfnissen zu “verstehen” und geografisch, demografisch, sozialpsychologisch und verhaltensbezogen zu segmentieren. Für die Bestimmung der Marktanteile sind Kenntnisse zur Marktkapazität (theoretische Größe ohne Berücksichtigung der Kaufkraft), zum Marktpotential (die optimale Absatzmenge), dem Marktvolumen (effektiv abgesetzte Menge eines Produkts) und dem Marktsättigungsgrad wichtig. Hinzu kommen Überlegungen zum Produktlebenszyklus und einer entsprechenden Marktstrategie.

Natürlich werden Produkte und Dienstleistungen auch entwickelt, um die Bedürfnisse einer definierten Zielgruppe zu erfüllen. Bei den Produktzielen stehen aber nicht diese Bedürfnisse im Vordergrund sondern das Produkt bzw. die Dienstleistung selbst. Es geht nicht um Marktsegmente und Marktanteile. Produktziele fokussieren sich auf:

  • die Art des Produkts (bspw. Massen-, Serien-, Nischen-, Individual- und Nebenprodukt, oder auch Komplementär- oder Substitutionsprodukt),
  • die Qualität im Sinne einer Übereinstimmung der Leistung mit den Ansprüchen der Kunden, Produzenten oder Lieferanten und in Bezug auf funktionale, technische, ökologische Aspekte,
  • das Sortiment (flach, tief, breit oder schmal),
  • sowie die Produktionsmenge und die Produktionskapazität (kontextabhängig von der Produktart und dem verfügbaren Kapital bzw. Personal).

Darüber hinaus adressiert das Produktmanagement durch Maßnahmen wie Produktinnovationen, Produktvariationen, Produktdifferenzierung, Produktdiversifikation und auch Produktelimination vorhandene Produktziele.

Und was ist eine Produktvision? Eine Produktvision ist ein anschaulicher Zukunftsentwurf eines Produkts, an dem sich die Produktstrategie ausrichtet. Idealerweise referenziert sie die Unternehmensvision und sollte mit Engagement gemeinsam im Unternehmen erarbeitet und mit Überzeugungskraft kommuniziert werden. Zusätzlich sollte sie einen unternehmensexternen Bezug beinhalten und für die Mitwirkenden der Entwicklung Orientierung bieten.

In zahlreichen Unternehmen werden zur Bestimmung der Produktvision schematische Darstellungen genutzt.¹ Es wird bspw. empfohlen, folgende Aspekte zu bestimmen:

  • Was ist die Motivation für die Erstellung des Produkts und welche positive Veränderung soll es bewirken?
  • Welchen Markt oder welches Marktsegment spricht das Produkt an und wer sind die Zielkunden?
  • Welches Problem löst das Produkt und welchen Nutzen bietet es?
  • Um welches Produkt handelt es sich, wodurch zeichnet es sich aus und wie lässt sich das Produkt entwickeln?
  • Wie wird das Produkt dem Unternehmen nützen und passt es zu den Unternehmenszielen?
  • Wer sind die Hauptkonkurrenten und was sind ihre Stärken bzw. Schwächen?
  • Wie lässt sich das Produkt monetarisieren?
  • Was sind die Hauptkostenfaktoren für die Marktentwicklung, den Verkauf und den Service des Produkts?
  • Wie und über welche Kanäle wird das Produkt vermarktet und verkauft?

Die Fragen sind sicherlich in der Praxis sehr nützlich, aber Vorsicht: sie adressieren Aspekte, die auch bei der Definition der Markt- und Produktziele berücksichtigt werden. Wie lassen sich also Produktvision, Marktziel und Produktziel in der Praxis differenzieren? Die Antwort lautet:

  • zeitlich,
  • durch eine mögliche Verwendung von Kennzahlen und
  • indirekt per Benchmarking.

Was würden Sie zuerst erstellen? Idealerweise zuerst eine grobe Ausrichtung, ein Polarstern als Orientierung in der Ferne. Diese Orientierung ist die Produktvision. Sie beantwortet die zentrale Frage: “Was ist die Motivation für die Erstellung des Produkts und welche positive Veränderung soll es bewirken?” Oder anders formuliert: “Warum und wozu wird das Produkt entwickelt?” Anschließend folgen Produktziele und Marktziele.

Wie helfen auf-der-jagd-nach-kennzahlen/”>Kennzahlen? Ein “Warum” und “Wozu” in Zahlen auszudrücken, ist vermutlich nur indirekt möglich. Kennzahlen lassen sich aber relativ einfach für Marktziele – bspw. für anvisierte Marktanteile – und auch teilweise für Produktziele – bspw. für die Produktmenge – festlegen.

Und wie hilft Benchmarking? Durch einen Blick auf verschiedene Statements von Global Playern:

  • Google: “Unsere Mission: Die Informationen dieser Welt organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar machen”.²
  • IBM: “To lead in the creation, development and manufacture of the industry’s most advanced information technologies, including computer systems, software, networking systems, storage devices and microelectronics”.³

Solche Statements bzw. Unternehmensvisionen sind zwar sehr weit (und werblich) gefasst, aber genau aus diesem Grund bieten sie Orientierung. U.a. für die unternehmensinterne Produktentwicklung und somit auch für die Definition einer Produktvision und den folgenden Leistungszielen.

Das Produktziel in Scrum

Der Scrum Guide 2020der Scrum mit seinen Spielregeln definiert, bietet einige Neuerungen, u.a. auch ein sogenanntes Product Goal. Als Äquivalent zum Sprint-Ziel, das den Rahmen für das Sprint Backlog und den Sprint vorgibt, bestimmt das Product Goal (auf Deutsch Produktziel oder Produkt-Ziel) den Rahmen für das Product Backlog.

Das Produktziel versteht sich als Antwort auf ein „Why“ bzw. „Warum“: „Why are we doing all of this work?“ bzw. „Warum leisten wir die gesamte Arbeit?“ Und damit gibt es eine Richtung für das Scrum Team und die Stakeholder vor, es liefert einen Kontext und einen Zweck.

Folgende Aussagen trifft der Scrum Guide in Bezug auf das Product Goal:

  • Es ist die Aufgabe des Product Owners, es zu entwickeln und explizit zu kommunizieren, wobei er vom Scrum Master bei der Suche nach Techniken zur effektiven Definition unterstützt wird.
  • Es stellt das langfristige Ziel für das Scrum Team dar, auf dessen Erreichung sich das Team verpflichtet. In anderen Worten: es ist ein Commitment.
  • Es sollte im Product Backlog transparent gemacht werden.
  • Es muss messbar sein, wobei die Messung kontextabhängig ist.
  • Ein Inkrement ist ein konkretes Zwischenziel auf dem Weg zum Product Goal.
  • Alle Arbeiten, die notwendig sind, um es zu erreichen, finden in den Sprints statt.
  • Im Sprint Review stellt das Scrum Team die Ergebnisse seiner Arbeit vor und die Fortschritte in Richtung des Produkt-Ziels werden diskutiert.

Grundsätzlich lässt sich auch feststellen, dass es eine Wechselwirkung zwischen Product Goal und Product Backlog gibt. Einerseits hilft es dabei, das Backlog zu entwickeln, andererseits kann dieses auch Auswirkungen auf das Product Goal haben, denn es kann sich im Laufe einer Entwicklung verändern.

Und wo liegt der Unterschied zwischen Product Goal und einer Vision? Im Scrum Guide findet sich dazu keine Aussage. Während es in der 2017er Version des Scrum Guides noch hieß: „Das Inkrement ist ein Schritt in Richtung einer Vision oder eines Ziels.“ findet sich in der aktuellen Version nicht ein einziges Mal das Wort “Vision”. Statt dessen findet es sich eine schöne Formulierung: “… Das Scrum-Rahmenwerk ist absichtlich unvollständig und definiert nur die Teile, die zur Umsetzung der Scrum-Theorie erforderlich sind”. Ergo: Der Unterschied ist für die Autoren nicht wichtig. Und das bringt uns zurück zur Aussage: “Da die Grenzen dieser Begriffe fließend sind, ist es für Organisationen wichtig, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und sich auf eine gemeinsame Verwendung der Begriffe zu einigen”.

Vorteile von Produktzielen

Es gibt eine Reihe von Vorteilen, die das Arbeiten mit Produktzielen bietet:

  • Sie bieten für alle Beteiligten eine Orientierung, in welche (grundsätzliche) Richtung ein Produkt oder eine Dienstleistung entwickelt werden soll.
  • Sie helfen bei der Definition von Backlog Items oder Anforderungen und sorgen ggf. auch für einen Rahmen für die Bestimmung des Systemkontexts.
  • Sie unterstützen das Eliminieren von Backlog Items oder Anforderungen, die nicht zur Erreichung des Produktziels beitragen.
  • Durch die transparente Dokumentation verhindern sie idealerweise ein Scope Creep, also die schleichende Verschiebung von Zielen.
  • Sie lassen sich per Zieldiagramm visualisieren und gemeinsam innerhalb einer Organisation entwickeln.
  • Sie können unabhängig von der gelebten Vorgehensweise als Hilfsmittel genutzt werden.
  • Sie erleichtern die Verwendung von Methoden zur Priorisierung innerhalb der Produktentwicklung.

 

Impuls zum Diskutieren:

Wenn der Scrum Guide fordert, das Product Goal messbar zu formulieren, vermengt er damit Markt- und Produktziele?

Hinweise:

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[1] The Product Vision Board Extended von Roman Pichler
[2] Googles Mission Statement
[3] IBMs Mission Statement

Bei der Definition von Produktzielen ist es natürlich wichtig, rechtliche Vorgaben und technologische Erfindungen, sowie soziale, ökonomische und ökologische Veränderungen im Blick zu haben.

Produktvisionen lassen sich gut mit den SHIELD-Kriterien formulieren.

Hier finden Sie eine Einschätzung zu Produktziel vs. Produktvision in Scrum.

Hier finden Sie einen Beitrag zu den drei häufigsten Denkfehlern beim Thema Vision.

Und hier finden Sie ergänzende Informationen aus unserer Sektion Wissen kompakt:

Wissen kompakt: Wie lassen sich Ziele formulieren?

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Wissen kompakt: Was ist ein Zieldiagramm?

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Wissen kompakt: Was ist eine Zielgruppe?

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