6 Bausteine zum Aufbau von Remote-Teams

Gastbeitrag von | 23.05.2022

Wie Sie Menschen befähigen, wertschätzend und wertschöpfend zusammenzuarbeiten

Sie mögen ja von Corona halten, was Sie wollen – auf jeden Fall aber mussten Sie in den vergangenen zwei Jahren lernen, damit umzugehen. Und mit Sicherheit haben Sie festgestellt, dass Sie und Ihre Kolleg:innen auch im Homeoffice effizient und effektiv arbeiten können.

Uns im QLab ging es nicht anders: Als wir im April 2021 mit unserem ersten Design Sprint an den Start gingen, war uns nicht bewusst, dass unser Geschäftsmodel digital sein wird: Seitdem aber finden sich bei uns mehrfach im Jahr fünf Young Professionals aus aller Welt für fünf Wochen als Remote-Team zusammen, um für ein Unternehmen oder eine Kommune Lösungen für Fragestellungen aus dem Themenkomplex „Lebenswerte Städte durch grüne Architektur/Infrastruktur und neue Mobilität“ zu finden.

Das heißt, dass Menschen, die sich noch nie zuvor begegnet sind, von Tag eins an Wert für unsere Kund:innen schöpfen müssen. Mit welchen Bausteinen uns das gelingt, möchte ich in diesem Artikel mit Ihnen teilen.

Das Setting der Zusammenarbeit

Stellen Sie sich vor, Sie müssen innerhalb kürzester Zeit ein Team aufstellen, das für einen Ihrer Kunden ein neues Produkt, einen neuen Service oder einen neuen Prozess entwickeln soll. Die Zusammenarbeit wird online stattfinden. Ihre Kolleg:innen arbeiten an unterschiedlichen Standorten, ob im Homeoffice oder im Büro, ist irrelevant. Persönliche Begegnungen fanden bislang nicht statt.

Leadership ist in einem solchen Setting gefragt – das ganze Vorhaben steht und fällt mit einer verbindlichen und versierten Prozessmoderation und Rahmenbedingungen, in denen sich das Team

  • beginnend mit einem Onboarding,
  • über ein Kick-off,
  • in der täglichen Zusammenarbeit
  • bis zum Projektabschluss

entfalten kann. Es geht um die Befähigung der Beteiligten, wertschätzend und wertschöpfend zusammenzuarbeiten. Oder anders formuliert: Es geht um die 6 Bausteine beim erfolgreichen Aufbau von Remote-Teams.

Baustein #1: Der Onboarding-Prozess

Beim Onboarding gibt es zwei mögliche Szenarien:

  1. Potenzielle Teammitglieder sollen sich für das Projekt bewerben.
  2. Sie haben die Teammitglieder bereits ausgewählt.

Für beide Szenarien gilt, dass Sie ein idealerweise maximal fünfköpfiges Team aufstellen, das alle für das Projekt benötigte Kompetenzen mitbringt.¹ Und in beiden Szenarien sollten

  • die potenziellen Teammitglieder fachlich versiert sein. Tipp: Fragen Sie nach den entsprechenden Kompetenzen und Referenzen.
  • sich die potenziellen Teammitglieder mit einem Motivationsschreiben bewerben, in dem sie kurz den ursächlichen Grund für den Wunsch der Mitarbeit beschreiben.

 

Baustein #2: Vor dem Projektbeginn

a) Die grundsätzliche Aufgabenstellung in Absprache mit dem Kunden ist klar.

b) Stellen Sie Ihrem zukünftigen Team alle notwendigen technischen Mittel zur Verfügung. Wir arbeiten bspw. mit

  • MS Teams und Outlook (Videokonferenzen, Kalender, E-Mails, Dokumentation),
  • WhatsApp (alles, was dringend ist, läuft über diesen Kanal, der auch als Desktop-Anwendung zur Verfügung steht),
  • Miro (unser virtueller, kreativer Team-Space),
  • und Canva (unser Gestaltungs- und Präsentationsprogramm, mit dem auch Nicht-Designer:innen gestalten können. In den Dokumenten können mehrere Menschen gleichzeitig arbeiten.
  • Deepl (Übersetzungsprogramm),
  • Grammerly (Rechtschreibprogramm),
  • und Survey Monkey (Umfrageprogramm).

c) Bilder sagen mehr als 1.000 Worte. Bitten Sie Ihre zukünftigen Teammitglieder, sich beim Kick-off im Rahmen eines Pecha Kuchas auf Grundlage von Ihnen vorformulierten persönlichen Fragen² lediglich mit Bildern vorzustellen. Dieses Vorgehen ermöglicht einen Einblick in das Leben der anderen, aktiviert das Einfühlungsvermögen, den Perspektivwechsel und die Fähigkeiten, Storytelling anzuwenden.

d) Wir laden vor dem Kick-off alle Projektbeteiligten via MS Teams zu unseren Meetings ein, die dem ein oder anderen aus der agilen Welt bekannt sein dürften ein: Kick-off, Daily, Weekly, Retrospektive und Projektabschluss.

Baustein #3: Das Kick-off

a) Wir starten unser Kick-off mit den Pecha Kuchas (s. #2c). Im Anschluss daran laden wir unseren Kund:innen zum Briefing und zum Erwartungsabgleich ein. Das Team stellt sich in diesem Kontext ebenfalls kurz vor. Wir holen uns von Kundin oder Kunden an dieser Stelle auch das Einverständnis ab, bei Fragen jederzeit auf Kontakt aufnehmen zu können. Idealerweise ist  der/die Ansprechpartner:in auch entscheidungsbefugt; das hilft bei der zügigen Entwicklung des Vorhabens.

b) Die im Vorfeld definierte Aufgabenstellung hilft uns neben Briefing und Erwartungsabgleich dabei, unsere gemeinsame Vision zu schärfen: Jedes Teammitglieder verfasst einen Zeitungsartikel, der beschreibt, was wir am Ende der Projektlaufzeit gemeinsam erreicht haben werden. Die Visionen werden vorgestellt und diskutiert. Innerhalb kürzester Zeit wird klar, ob alle in die gleiche Richtung laufen, oder ob noch mehr Klarheit geschaffen werden muss. Auch hier adressieren wir wieder das Thema „Storytelling“.

Baustein #4: Die tägliche Zusammenarbeit

a) Check-in

Jeden Morgen von 9:00 – 9:15 Uhr moderiert eines der Teammitglieder einen Check-in, bei dem wir uns über Persönliches austauschen. Fragen wie

  • Was steht auf deiner Bucket List?
  • Was ist dein Lieblingsessen?
  • Was ist dein Lieblingsfilm?
  • Was ist dein Lieblingskunstwerk?

werden mit Bildern beantwortet, die auf Miro hochgeladen werden. (Bei einem unserer letzten Check-ins haben wir herausgefunden, dass drei von uns Filme von Wes Anderson lieben – ein netter Zufall, der uns hilft, miteinander in Beziehung zu treten, da wir ähnliche Interessen haben.)

Die Verwendung von Bildern unterstützt das Erzählen von Geschichten – ein wesentliches Element unserer Arbeit, da es uns hilft, Erinnerungen und Emotionen zu wecken, uns gegenseitig besser zu verstehen und uns in Einfühlungsvermögen und Perspektivwechsel zu üben. Das wiederum hilft uns in der Arbeit mit unseren Kund:innen: Wenn wir die Bedürfnisse oder besser: die Motive hinter den Bedürfnissen nicht verstehen, wird es uns schwer fallen, Lösungen für Probleme zu entwickeln.

b) Daily

Während der Check-in dazu beiträgt, unsere persönliche Beziehung zu stärken, hilft uns das Daily, das wir jeden Morgen zwischen 9:15 und 9:30 Uhr durchführen, die anderen darüber zu informieren, was wir am Vortag getan haben, was heute auf unserer Agenda steht und wobei wir Unterstützung brauchen. Nach dem Daily geht das Team in Arbeit. Bei Fragen stehen die Coaches dem Team jederzeit zur Verfügung.

c) Wrap-up

Unser Wrap-up findet in der Arbeitswoche täglich gegen 16 Uhr statt. Diese kurze Zusammenkunft hilft uns, die letzten Stunden zu rekapitulieren und uns – falls notwendig – kurz über unsere Gedanken und Gefühle auszutauschen, bevor wir den Tag ausklingen lassen.

d) Weekly

Unser wöchentliches Meeting, das donnerstags von 9:00 – 10:30 Uhr stattfindet, ist unseren Kund:innen gewidmet. Das Team stellt die Arbeitsergebnisse vor, erhält Feedback und die Teilnehmenden diskutieren, welches die Schritte für die kommende Sprintwoche sind. Die Konsolidierung der Erkenntnisse im Kernteam bildet den Abschluss des Weekly.

e) Retrospektive

Unsere wöchentliche Retrospektive, die donnerstags von 14 bis 15 Uhr stattfindet, hilft uns, unsere Teamarbeit zu reflektieren und das zu verbessern, was verbessert werden muss. Der Retromat hilft uns, die passende Methode auszuwählen; das Feedback erfolgt auf Grundlage der Scrum-Werte Fokus, Respekt, Offenheit, Mut und Selbstverpflichtung. Das Team ist auch dafür verantwortlich, Lösungen für Probleme zu finden, mit denen es konfrontiert ist. Auf diese Weise erfahren und üben unsere Teammitglieder Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit.

Alle unsere Meetings finden stets zu den gleichen Zeiten statt, um die Komplexität zu reduzieren und Verbindlichkeit zu schaffen.

Baustein #5: Der Projektabschluss

a) Abschlusspräsentation

Am Tag des Projektabschlusses treffen wir noch einmal unsere Kund:innen, um ihnen die Ergebnisse unserer Arbeit und Handlungsempfehlungen für das weitere Vorgehen vorzustellen. Das Einholen von Feedback ist ebenfalls essenziell.

b) Abschlussparty

Bereits zu Beginn des Sprints sammeln die Teammitglieder ihre Lieblingsspeisen auf dem Miro-Board. Was wir nicht verraten: Am Ende des Sprints wählen die einzelnen Sprintteilnehmenden ein Lieblingsgericht einer anderen Person aus, dass sie dann am Abend kochen.

Mit dampfenden Tellern finden wir uns dann vor den Bildschirmen ein und teilen dann reihum Eine Runde Bewunderung: Was hat uns an unseren Teammitglieder am meisten beeindruckt? Wofür gebührt ihnen die größte Anerkennung? Wofür möchten wir uns ausdrücklich bedanken? Dabei ist schon die eine oder andere Träne der Rührung geflossen – ein eindrückliches Zeichen dafür, wieviel Vertrauen das Team zueinander aufgebaut hat.

Baustein #6: Nach dem Projektabschluss

a) Feedback

Nachdem Projektabschluss holen wir über den Survey Monkey ein anonymisiertes Feedback nicht nur von unseren Kund:innen ein, sondern auch von unseren Teammitgliedern, in dem wir dezidiert auch die Wirksamkeit der angewendeten Methoden, der Events, der Prozessbegleitung und dem Projektergebnis einholen. Das Feedback ist ein wichtiges Element, um unseren Sprint anzupassen, falls notwendig.

b) Alumni-Gruppe

Wir laden unsere Teammitglieder nach dem Projektabschluss über Linkedin zu einer Alumni-Gruppe ein, in der wir neueste Informationen teilen, und alle Teammitglieder miteinander in Kontakt kommen können. Außerdem bleibt die WhatsApp-Gruppe bestehen, um weiterhin schnell miteinander kommunizieren zu können, falls gewünscht.

(Demnächst kommen übrigens 12 von 25 bisherigen Mitgliedern aus fünf Sprints aus ganz Deutschland nach Bremen gereist, um ein gemeinsames Projekt zu verwirklichen – das ist für unseren QLab-Ansatz eine riesengroße Runde der Bewunderung!)

Zusammenfassung

Mit diesen 6 Bausteinen schaffen wir von Tag 0 an

  • die Grundlage für einen erfolgreichen Onboarding-Prozess für eine multidisziplinäre Gruppe, die schnell zu einem Team werden muss,
  • eine Umgebung, die Menschen dabei unterstützt, wertschätzende Kontakte zu knüpfen und offen zu sein,
  • die Rahmenbedingungen dafür, eine gemeinsame Vision zu entwickeln und fokussiert zu verfolgen,
  • die Möglichkeit, agile Arbeitsmethoden zielorientiert zu erleben und anzuwenden,
  • durch das Kick-off (Pecha Kucha) und den täglichen Check-in ein Gefühl der Zugehörigkeit – auch über Tausende von Kilometern hinweg – zu schaffen,
  • das Team dabei zu unterstützen, kunden- und nutzerorientierte Lösungen für Probleme zu finden,
  • das Remote-Projekt am Ende für alle wertschätzend abzuschließen,
  • dass Menschen auch nach Projektabschluss noch in Kontakt bleiben.

Und nicht vergessen: Leadership ist gefragt – das ganze Vorhaben steht und fällt mit einer verbindlichen und versierten Prozessmoderation und Rahmenbedingungen, in denen sich das Team entfalten kann.

 

Hinweise:

Interessieren Sie sich für weitere Tipps aus der Praxis? Testen Sie unseren wöchentlichen Newsletter mit interessanten Beiträgen, Downloads, Empfehlungen und aktuellem Wissen.

[1] Die ideale Teamgröße liegt bei 5 (oder präziser 4,6 Personen)
[2] Wie sahst Du als Baby aus? Zeige uns Deine Familie. Wer sind Deine besten Freunde? Welche Werte hast Du?

Interessieren Sie sich für das Thema „Nachhaltigkeit“ und weitere Informationen über die Begleitung von digitalen und analogen Teams weltweit – dann schauen Sie bei QLab vorbei. Es lohnt sich bestimmt.

Andrea Kuhfuss hat einen weiteren Beitrag im t2informatik Blog veröffentlicht:

t2informatik Blog: Wie Pecha Kucha verteilte Teams zusammenbringt

Wie Pecha Kucha verteilte Teams zusammenbringt

Andrea Kuhfuss
Andrea Kuhfuss

Andrea Kuhfuss ist Mitgründerin und Geschäftsführerin der QLab Think Tank GmbH in Bremen. Ihr Weg führte sie von einem kunsthistorischen Hintergrund in die Innovationsberatung und Organisationsentwicklung. Sie ist Design Thinking- und Design Sprint-Expertin und hat in diesem Kontext ein Zertifikationsstudium am Hasso-Plattner-Institut und der Stanford University in Palo Alto absolviert.

Andrea ist eine wissbegierige Generalistin, die ihr Wissen gerne teilt und sowohl Individuen, Team und Organisationen unterstützt, ihr volles Innovationspotenzial zu entfalten. Sie ist überzeugt, dass wir durch die Zusammenarbeit in multidisziplinären Teams kreative Lösungen für persönliche, gesellschaftliche und globale Probleme finden können.