Trystorming
Inhaltsverzeichnis: Definition – Grundprinzipien – Haltung – Vorteile und Nachteile – Download – Hinweise
Wissen kompakt: Trystorming kombiniert Brainstorming und Rapid Prototyping mit dem Ziel, die Sinnhaftigkeit und Praktikabilität einer Idee schnellstmöglich zu validieren.
Trystorming – Ideen schnell auf Praktikabilität prüfen
„Ideen sind leicht. Die Umsetzung ist schwierig.“ So beschrieb Guy Kawasaki¹ die wahre Herausforderung im Umgang mit Ideen. Trystorming versucht diese Herausforderung zu meistern, indem es Brainstorming und Rapid Prototyping miteinander kombiniert.
Brainstorming ist eine Kreativitätstechnik, bei der eine Gruppe von Personen gemeinsam versucht, eine Aufgabe durch die Sammlung und Weiterentwicklung von Ideen zu lösen. Und ein Prototyp ist ein funktionsfähiges, aber vereinfachtes Versuchsmodell eines geplanten Produktes, eines Bauteils oder einer Software. Rapid Prototyping lässt sich dem Wortsinn entsprechend als schnelles Herstellen von Prototypen und Modellen beschreiben, mit dem Zweck, frühzeitig Feedback bezüglich der Eignung eines Lösungsansatzes zu gewinnen.
Trystorming gilt als Brainstorming auf höherer Ebene, da es sich nicht nur auf die Ideenfindung, sondern auch auf die direkte Umsetzung und Anwendung von Ideen konzentriert. Das Ziel beim Trystorming ist es, Ideen so schnell wie möglich – idealerweise sogar noch im Laufe des Meetings – auf ihre Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit zu prüfen.
Grundprinzipien beim Trystorming
Trystoming unterliegt keinem starren Prozess, sondern ist eher ein Ansatz, der zusätzlich zum Denken auch zum aktiven Handeln einlädt. Folgende Grundprinzipien erweisen sich in der Praxis häufig als nützlich:
- Suchen Sie sinnvolle Ideen für einen konkreten Kontext, und prüfen Sie möglichst schnell deren Umsetzbarkeit mithilfe kleiner Prototypen.
- Einfachheit ist Trumpf, sowohl bei der Ideenfindung als auch bei Überprüfung der Ideen. Es geht nicht um Perfektion, sondern um praktikable und nützliche Lösungen.
- Und es geht um aktives Handeln und Ausprobieren. Reden ist Silber, Action ist Gold.
Oder in anderen Worten: Es geht um sinnvolle Ideen in einem definierten Kontext, die sich gut umsetzen lassen und es geht um Action im Sinne eines Beweises, dass diese Umsetzung auch in der Praxis funktionieren kann.
Haltung beim Trystorming
Trystoming kann dann ein nützlicher Ansatz sein, wenn die Beteiligten eine gewisse Haltung an den Tag legen:
- Führungskräfte sollten sich als Teil des Teams begreifen und allen Ideen die gleichen Chancen zur Umsetzung einräumen, unabhängig von der Person, die sie äußert.
- Führungskräfte sollten die Teilnehmer aktiv zu Beteiligten machen, indem sie diese dazu animieren, Ideen auszuprobieren.
- Beteiligte dürfen ihre Risikoscheu ablegen, da es sich „lediglich“ um die Überprüfung von Ideen handelt und damit kein wirkliches Risiko einhergeht.
- Beteiligte dürfen Kreativität in unterschiedlichsten Formen darbieten – es gibt keine Vorgaben, mit welchen Materialien und wie perfekt ein Prototyp sein sollte.
- Das Sammeln von Ideen und die Umsetzung ist kein Wettbewerb gegeneinander, sondern eine kollaborative Tätigkeit des Teams mit dem Ziel, für eine konkrete Situation eine Lösung zu finden, die Kunden oder Endanwendern Vorteile bietet.
Zeigen die Beteiligten eine solche Haltung und gelingt die Validierung der Ideen mittels Prototypen, steigt die Wahrscheinlichkeit auf die erfolgreiche Implementierung der ausgewählten Ideen in der Praxis.
Vorteile und Nachteile beim Trystorming
Trystorming bietet einige Vorteile:
- Es legt den Fokus von Anfang an auf die mögliche Umsetzung von Ideen. Das führt fast automatisch dazu, dass an die Produktion von Lösungen, die Implementierung von Features oder die Anwendung bei Kunden gedacht wird. Und das kann sich sowohl im Sinne der Entscheidungsfindung, der Realisierung von Ideen und der anschließenden User Experience bezahlt machen.
- „Mancher lehnt eine gute Idee bloß deshalb ab, weil sie nicht von ihm ist.“ hat einst Luis Bunuel² gesagt. Trystorming sorgt durch das gemeinsame Prototyping dafür, dass aus der Idee eines Einzelnen schnell die Idee einer Gruppe wird, die gemeinsam nach einer möglichst einfachen und sinnvollen Implementierung sucht.
- Probiert ein Team während des Austausches Ideen aus, wird es schnell merken, dass es sich nicht nur um eine theoretische Übung handelt, sondern dass es um echte Veränderung geht. Das steigert häufig das Interesse an der Entwicklung von Ideen und macht zudem mehr Spaß als die bloße Sammlung von Ideen!
- In gewisser Weise objektiviert der Ansatz die Auswahl von Ideen. Nicht die Idee gewinnt den Zuschlag, die am lautesten promotet wird, sondern diejenige erhält den Zuschlag, die mit dem überzeugendsten Prototyp aufwartet.
- Und zu guter Letzt eignet sich der Ansatz auch in Verbindung mit anderen Ideationstechniken wie Brainwriting, Reverse Brainstorming, 1-2-4-All, SCAMPER oder Starbursting.
Neben den Vorteilen gibt es auch einige Nachteile:
- Oftmals sind Teilnehmer nicht geschult in der Entwicklung von Prototypen,
- Nicht alle Prototyp-Arten passen in das Format. Der explorative Prototyp adressiert z. B. die Anwenderakzeptanz und verfolgt das Ziel, fehlende Funktionen zu identifizieren. Ohne anwesende Anwender dürfte dies in einer Trystorming-Session nicht funktionieren.
- Häufig sind die Sessions zu kurz, um wirklich gute Entwürfe oder Muster zu entwickeln,
- und nicht immer ist es möglich, für alle interessanten Ideen in kurzer Zeit nützliche Prototypen zu entwickeln.
Die ersten beiden Punkte lassen sich im Laufe der Zeit durch Üben oder mittels Schulungen begegnen, wobei sich Unternehmen natürlich überlegen werden, wie sinnvoll es wirtschaftlich ist, ein solches Spezialwissen innerhalb der Organisation flächendeckend aufzubauen.
Bei den Punkten 3 und 4 bietet es sich an, im Nachgang weitere Erkenntnisse zu sammeln, und ggf. auch andere Vorgehensweisen wie bspw. Pretotyping zu nutzen. Pretotyping setzt vor einem Prototyping an. Der Begriff Pretotyping setzt sich aus den Worten „pretend“ und „prototyping“ zusammen; es wird also lediglich so getan, als wäre ein Produkt oder eine Funktion vorhanden, denn das reicht idealerweise schon, um den Bedarf an einer Lösung, die Art der Nutzung und mögliche Herausforderungen zu identifizieren.
Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Palm Pilot, der um die Jahrtausendwende ein weltweit nachgefragtes Produkt war. Es war ein Personal Digital Assistant und damit praktisch ein Vorläufer heutiger Smartphones. Jeff Hawkins produzierte einen Pretotypen – auch wenn es den Begriff seinerzeit noch nicht gab – in dem er einen Dummy aus Holz und Papier schuf und diesen über mehrere Wochen immer wieder Menschen zeigte. Dabei wollte er ermitteln, ob er selbst ein solches Produkt regelmäßig nutzen würde, bevor er Zeit, Mühe und Aufwand in die tatsächliche Produktion eines Prototyps investieren wollte. Mehr als 30 Millionen Exemplare des Palm Pilots wurden weltweit verkauft.
Beim Pretotyping geht es also darum, für ein Produkt die wesentlichen Erfolgskriterien zu ermitteln, und nicht darum, wie das Produkt erfolgreich, kostengünstig oder schnell entwickelt wird; damit weicht der Ansatz etwas von einem reinen Prototyping ab. Klingt nach einer sinnvollen Variante beim Trystorming, oder?
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Wie wichtig ist es für die Anwendung der Trystormings, dass alle Beteiligten über Erfahrungen bei der Entwicklung von Prototypen besitzen? Oder anders gefragt: Könnte es ausreichen, wenn bspw. jeder dritte Teilnehmer entsprechende Erfahrungen mitbringt und die Gruppen zur Entwicklung von Prototypen entsprechend zusammengestellt werden?
Hinweise:
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[1] Guy Kawasaki ist Unternehmer, Technologie-Evangelist und Autor. 1984 zeichnete sich zudem verantwortlich für die Vermarktung des Macintosh-Rechners.
[2] Luis Bunuel war spanischer Filmregisseur und Filmproduzent und zählte zu den bedeutendsten Vertretern des surrealistischen Films.
Im Zuge von Trystorming wird auch gerne von Protostorming gesprochen.
Und hier finden Sie ergänzende Informationen aus unserer Rubrik Wissen kompakt: