Social Loafing
Inhaltsverzeichnis: Definition – Gründe – Social Facilitation and Social Loafing – Vermeidung – Hinweise
Wissen kompakt: Social Loafing beschreibt ein Phänomen, bei dem einzelne Teammitglieder wegen mangelnder Sichtbarkeit ihre individuelle Leistung reduzieren. In einer solchen Situation ergibt 1+1 weniger als 2.
Social Loafing – soziales Faulenzen im Team
Social Loafing – auch soziales Faulenzen genannt – beschreibt ein Phänomen, bei dem einzelne Teammitglieder wegen mangelnder Sichtbarkeit ihre individuelle Leistung reduzieren. Obwohl es schwierig ist, ein soziales Phänomen zweifelsfrei zu “beweisen”, gibt es zahlreiche empirische Belege für die Existenz des sozialen Faulenzens. Bereits 1913 veröffentlichte der französische Agraringenieur Maximillien Ringelmann die Ergebnisse einer Reihe von Experimenten. Er fand heraus, dass beim Ziehen von Lasten die Gesamtleistung der Pferde, Ochsen oder auch Menschen in Gruppen kleiner ist, als die Summe der möglichen Einzelleistungen. Je mehr Personen gleichzeitig an einer Last zogen, desto geringer wurde die Leistung jedes Individuums. Im Durchschnitt investierten 2er-Teams nur je 93 % ihrer Kraft, bei 3er-Teams waren es 85 %, bei 8er-Teams nur noch 49 %. Als Ursachen vermutete Ringelmann mangelnde Koordination und verringerte Motivation der Teammitglieder. Aufgrund dieser Beobachtungen ist Social Loafing auch als Ringelmann-Effekt bekannt.
In anderen Studien¹ wurde untersucht, unter welchen Bedingungen soziales Faulenzen wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher ist, wie z. B. die Größe der Gruppe, die Art der Aufgabe und der Grad der individuellen Verantwortlichkeit. Insgesamt spricht vieles dafür, dass soziales Faulenzen ein reales Phänomen ist, das erhebliche Auswirkungen auf die Gruppenleistung und Produktivität haben kann.
Es ist jedoch zu beachten, dass nicht alle Einzelpersonen oder Gruppen in gleichem Maße soziales Faulenzen zeigen und dass es individuelle Unterschiede oder situationsbedingte Faktoren geben kann, die das Ausmaß des sozialen Faulenzens beeinflussen. Außerdem können, wie in jedem Forschungsbereich, neue Erkenntnisse und Perspektiven auftauchen, die unser Verständnis von Social Loafing im Laufe der Zeit in Frage stellen oder verfeinern können.
Gründe für Social Loafing
In der heutigen Zeit ist Teamarbeit in Projekten oder bei der Entwicklung von Produkten weit verbreitet. Das Agile Manifest propagiert die Selbstverantwortung des Teams, Design Thinking setzt auf gemeinsame Ideenfindung im Team und Coding Dojos fördern die Entwicklung von Software mit Kollegen. Oftmals entsteht Social Loafing
- bei steigenden Gruppengrößen, wenn individuelle Leistung nicht messbar ist oder nicht gemessen wird.
- bei Leistungen, die einzelnen Individuen nicht zugeordnet werden (können).
- bei Routineaufgaben, die innerhalb einer Gruppe zu erledigen sind.
- wenn sich potenzielle Faulenzer in der Anonymität der Gruppe verstecken können.
Interessanterweise lässt sich ein artverwandtes Phänomen beobachten, dass genau anders herum wirkt: Social Facilitation.
Social Facilitation und Social Loafing
Soziale Facilitation und soziales Faulenzen sind zwei verwandte, aber unterschiedliche Phänomene, die entgegengesetzte Auswirkungen auf die Gruppenleistung haben können.
Social Facilitation – auch als soziale Erleichterung bezeichnet – bezieht sich auf die Tendenz von Menschen, bei einfachen oder gut gelernten Aufgaben besser abzuschneiden, wenn andere Menschen bei der Ausführung anwesend sind. Es wird angenommen, dass dieser Effekt auftritt, weil die Anwesenheit anderer die physiologische Erregung erhöht, was die Leistung bei Aufgaben, die relativ einfach oder vertraut sind, steigern kann.
Wie können sich diese beiden Effekte gegenseitig beeinflussen? Im Allgemeinen tritt Social Facilitation eher bei einfachen oder gut erlernten Aufgaben auf, während Social Loafing eher bei komplexen oder ungewohnten Aufgaben auftritt. Wenn also eine Aufgabe einfach oder gut gelernt ist, kann die Anwesenheit anderer die Leistung durch soziale Erleichterung verbessern. Handelt es sich jedoch um eine komplexe oder unbekannte Aufgabe, kann die Anwesenheit von anderen zu sozialem Faulenzen führen.
Außerdem kann die Größe der Gruppe einen Einfluss darauf haben, ob soziale Erleichterung oder soziales Faulenzen wahrscheinlicher ist. Bei einfachen Aufgaben können größere Gruppen die soziale Erleichterung verstärken, da mehr Menschen für Erregung und Leistungsmotivation sorgen können. Bei komplexen Aufgaben können größere Gruppen jedoch das soziale Faulenzen verstärken, da es für den Einzelnen einfacher wird, sich in einer größeren Gruppe anonym und weniger verantwortlich zu fühlen.
Insgesamt ist die Beziehung zwischen Social Facilitation und Social Loafing komplex und hängt von einer Reihe von Faktoren ab, darunter die Art der Aufgabe, die Größe der Gruppe und der Grad der individuellen Verantwortlichkeit. Das Verständnis dieser Faktoren kann dazu beitragen, eine effektivere Gruppenleistung und Produktivität zu fördern.
Vermeidung von Social Loafing
Zur Vermeidung von Social Loafing empfiehlt es sich, die individuelle Einstellung jedes einzelnen Teammitglieds zum Team zu fördern. Dies gelingt wenn …
- Teammitglieder sich als als Gemeinschaft Gleichgesinnter empfinden und eine innere Verbundenheit zum Team besitzen.
- Teammitglieder eine Aufgabenstellung als Herausforderung wahrnehmen, die sich nur gemeinschaftlich lösen lässt.
- Teammitglieder ein positives Image und Wertschätzung mit dem Team verbinden oder strategische Vorteile in der Teilhabe sehen.
- sich Teammitglieder in Krisen häufig schnell finden und die Zusammenarbeit als Einheit auch kurzfristig gut funktioniert.
- Teammitglieder ein gemeinsam gesetzte Ziel über Unternehmenshierarchien hinweg verfolgen. Das gemeinsame Interesse und der Prozess auf dem Weg zum gesetzten Ziel stehen dabei dann im Vordergrund.
Ein wichtiger Grund für die individuelle Leistungserbringung ist die Wertschätzung der individuellen Leistung. Sie ist die beste Antwort auf Social Loafing und kann im Team durch andere Teammitglieder, durch Vorgesetzte, durch andere Teams, durch andere Mitarbeiter im Unternehmen außerhalb des Teams oder sogar durch unabhängige Instanzen wie bspw. eine Jury erfolgen. Und das mag überraschen: auch durch das Individuum selbst.
Impulse zum Diskutieren:
Ist es die mangelnde Wertigkeit oder die mangelnde Sichtbarkeit der Leistung, die zu Social Loafing führt? Und ist es überhaupt möglich, über einen längeren Zeitraum maximale Leistung zu bringen, denn schließlich sind wir Menschen und keine Maschinen?
Obwohl soziales Faulenzen in vielen Organisationen vorkommt, warum wird es selten in Teams thematisiert?
Hinweise:
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[1] In einer Studie von Karau und Williams (1993) wurden die Teilnehmer gebeten, so laut wie möglich zu klatschen oder zu schreien, während sie geräuschunterdrückende Kopfhörer trugen, die verhinderten, dass sie die anderen in ihrer Gruppe hören konnten. Die Forscher fanden heraus, dass die Teilnehmer mehr Lärm produzierten, wenn sie glaubten, allein zu arbeiten, als wenn sie glaubten, Teil einer Gruppe zu sein. Dies deutet darauf hin, dass die bloße Anwesenheit anderer Menschen zu sozialem Faulenzen führen kann, auch wenn sie nicht physisch zusammenarbeiten oder miteinander interagieren.
Eine Studie von Harkins und Jackson (1985) untersuchte soziales Faulenzen in einem natürlicheren Rahmen, indem sie ein Tauziehspiel mit echten Teams von Teilnehmern verwendeten. Die Forscher fanden heraus, dass mit zunehmender Anzahl von Personen in einem Team die von jedem Einzelnen ausgeübte Kraft abnahm, was auf das Vorhandensein von sozialem Faulenzen hindeutet. Wenn jedoch nach jeder Runde die individuellen Ergebnisse auf einer Anzeigetafel angezeigt wurden, ging das soziale Faulenzen zurück, was darauf hindeutet, dass die individuelle Verantwortlichkeit dazu beitragen kann, die Auswirkungen des sozialen Faulenzens abzuschwächen.
Hier finden Sie ein englisches Video: What is Social Loafing? (Definition and Examples)
Hier finden Sie eine Untersuchung zu den positiven Effekten sozialen Faulenzens beim Lösen komplexer Probleme.
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