90%-Syndrom

Wissen kompakt: Das 90%-Syndrom ist eine zu positive Schätzung des Fertigstellungsgrades, wonach der reale Restaufwand deutlich über den geschätzten 10% liegt.

90%-Syndrom Definition

Beim Schätzen des Projektfortschrittes, bei der Beurteilung des Restaufwands eines Arbeitspakets oder bei der Bestimmung eines Fertigstellungsgrads eines Vorgangs begehen viele Mitarbeiter häufig einen elementaren Fehler: Sie schätzen zu positiv. Diese zu positive und fehlerhafte Aufwandsschätzung wird als 90%-Syndrom bzw. 90 Prozent Syndrom bezeichnet.¹

Das 90%-Syndrom beschreibt eine Situation, in der Mitarbeiter fälschlicherweise glauben, bereits 90 Prozent der erwarteten Ergebnisse realisiert zu haben. Dieser Effekt entsteht oft durch die Annahme, dass die meisten Probleme bereits gelöst wurden, während die verbleibenden 10 Prozent als unwesentlich und schnell umsetzbar eingeschätzt werden. In Wirklichkeit sind diese letzten 10% oft besonders herausfordernd und zeitintensiv. Dies liegt daran, dass unvorhergesehene Schwierigkeiten, Impediments, neue Anforderungen oder notwendige Korrekturen auftreten können, die vorher nicht berücksichtigt wurden. So führt das 90%-Syndrom in der Praxis häufig zu einem tatsächlichen Aufwand, der deutlich höher ausfällt, als die scheinbar noch benötigten 10 Prozent.

90 Prozent Syndrom - die zu positive Einschätzung von Restaufwänden

Konsequenzen des 90%-Syndroms

Fehleinschätzungen von Mitarbeitern haben oftmals Konsequenzen:

  • Es kommt zu Verzögerungen, sequenzielle Arbeitspakete oder Arbeitsaufträge können nicht begonnen werden, Puffer werden aufgebraucht und Termine möglicherweise nicht gehalten.
  • Alternativ dazu werden Arbeitspakete oder Arbeitsaufträge bereits begonnen, da scheinbar nur „Kleinigkeiten“ fehlen. In der Praxis kann dies jedoch zu Mehraufwendungen führen, beispielsweise bei technischen Schnittstellen, die sich noch ändern und dann Anpassungen bei bereits vorab begonnenen Entwicklungen erfordern.
  • Allgemein leidet die Glaubwürdigkeit; sowohl von denjenigen, die sich verschätzen, als auch von jenen, die entsprechende Schätzungen weiterleiten.

Das 90%-Syndrom kann zudem durch Perfektionismus verschärft werden, bei dem immer wieder kleine Änderungen vorgenommen werden, um das Projekt zu perfektionieren. Diese letzten Schritte, die oft als geringfügig erscheinen, können überraschend viel Zeit und Ressourcen beanspruchen.

Mögliche Gegenmittel beim 90%-Syndrom

Befördert wird das 90%-Syndrom auch durch die Abfrage von konkreten Fertigstellungsgraden von Vorgängen, Arbeitspaketen oder Projekten. Da Aussagen wie „fast fertig“ relativ ungenau sind, werden Mitarbeiter oft aufgefordert, konkrete Prozentwerte zu nennen. Aus „fast fertig“ werden schnell 90 Prozent.

Es empfiehlt sich daher, subjektive Aufwandsschätzungen zu hinterfragen oder alternative Methoden wie bspw. die 0/100-Methode zu nutzen, sodass erst die tatsächliche Fertigstellung nach entsprechender Abnahme in der weiteren Projektplanung berücksichtigt wird. Auch die Verwendung einer Definition of Done hat sich in der Praxis bewährt. Diese Maßnahmen helfen dabei, die realistischen Anforderungen der letzten 10% besser zu erfassen und verhindern das Risiko, in die 90%-Falle zu tappen.

Impuls zum Diskutieren

Liegt die einzige Möglichkeit, dass 90%-Syndrom aufzulösen, in der korrekten Schätzung des Restaufwands?

Hinweise:

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[1] Alternativ wird auch vom Fast-Fertig-Syndrom gesprochen.

Hier finden Sie einen Podcast zum 90%-Syndrom.

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