Die Sprache der Wertschätzung

von | 25.11.2024

Wie wichtig ist Ihnen Wertschätzung am Arbeitsplatz?

Ich kenne niemanden, der nicht gerne wertgeschätzt wird. Niemanden, der sich nicht darüber freut, wenn seine Arbeitsergebnisse wahrgenommen oder seine Ideen gehört werden. Und auch niemanden, der den Zusammenhang zwischen Wertschätzung und bspw. Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung nicht sieht.

Wertschätzung ist wichtig. Praktisch jeder weiß es. Und sollte es doch jemanden geben, dem das Thema eher fremd ist, so findet er im Internet zahlreiche Referenzen auf Studien, die sich mit der Bedeutung von Wertschätzung im Beruf beschäftigen.

Trotzdem möchte ich das Thema beleuchten. Warum? Weil Sie und ich wahrscheinlich doch etwas anderes unter Wertschätzung verstehen bzw. uns verschiedene Dinge unterschiedlich wichtig sind. Ich nenne es die Sprache der Wertschätzung. Wenn Sie und ich diese Sprache sprechen und verstehen, wenn Führungskräfte und Mitarbeitende und – Überraschung – auch Mitarbeitende untereinander oder sogar Menschen über Unternehmensgrenzen hinweg – also Kundinnen, Partner oder Anwenderinnen – diese Sprache sprechen und verstehen, dann gewinnen eigentlich alle.

Wertschätzung im Beruf – eine Frage der Perspektive

Was ist für Sie Wertschätzung im Beruf? Oder anders gefragt: Woran machen Sie Wertschätzung fest?

Vielleicht haben Sie eine vierköpfige Familie, die Tochter möchte ein Auslandssemester in den USA machen und die Raten für das Reihenhaus sind relativ hoch – dann kann es sein, dass Sie sich am meisten über ein höheres Gehalt freuen.

Vielleicht sind Sie alleinerziehend und Sie müssen Ihren Sohn dreimal pro Woche spätestens um 16:00 Uhr aus der Kita abholen – dann freuen Sie sich vermutlich, wenn Ihnen Ihr Chef nicht um 15:30 Uhr eine dringende Aufgabe auf den Schreibtisch legt oder die Kollegin nicht den Forecast für das nächste Quartal besprechen will, wenn Sie gerade Ihren Mantel anziehen.

Vielleicht sitzen Sie auch nur pünktlich im Meeting oder Webinar und warten darauf, dass die Referentin oder der Chef mit dem Thema beginnt. Stattdessen wartet sie oder er noch zwei, drei Minuten auf Nachzügler. Wer auch immer in solchen Situationen Wertschätzung empfindet, Sie sind es wahrscheinlich genauso wenig wie die pünktlichen Kolleginnen und Kollegen. [1]

Alleine diese drei Beispiele zeigen: Wie wir Wertschätzung empfinden, ist sehr unterschiedlich. Sie ist persönlich, sie ist kontextabhängig. Und ohne weitere Beispiele zu liefern: Sie ist auch situativ und temporär. [2] Und sie kann auch tagesformabhängig oder Ausdruck eines internen Wettbewerbs am Arbeitsplatz sein.

Sie erinnern sich: Die Sprache der Wertschätzung. Sie ist also vielfältig. Das spannende an der Sache ist nun aber: Kennen Sie meine Sprache und ich Ihre? Weiß die Führungskraft, welche Sprache jede und jeder Mitarbeitende spricht? Was nützt es bspw., wenn Sie als Führungskraft eine gute Arbeitsleistung mit einem etwas höheren Gehalt belohnen, wenn der Mitarbeitende das Büro pünktlich verlassen muss, damit sein Kind nicht vor der geschlossenen Kita auf ihn warten muss? Was nützt es, wenn Sie einer Mitarbeiterin eine verantwortungsvollere Aufgabe übertragen, wenn sie diese fortan im Firmenbüro ausüben muss und sich dadurch der Weg zur Kita, zum Sportverein oder zur Chorprobe um 60 Minuten verlängert?

Wie lernen Sie die Sprache der Wertschätzung?

Die einfache Antwort auf diese Frage lautet: Fragen Sie die Beteiligten!

Wenn Sie wissen, was Herrn Meier wichtig ist, können Sie es ihm vielleicht geben. Herr Meier strukturiert gerne und gut. Sobald es ein neues Thema gibt, das gemeinsam durchdacht werden muss, blüht Herr Meier auf. Dann übertragen Sie ihm doch einfach die Aufgabe, das Brainstorming zum Thema zu leiten oder die gefundenen Ideen zu gruppieren oder den Austausch im Vorfeld zu planen.

Wenn Sie wissen, dass Frau Balzer lieber in einem kleineren Büro als in einem Großraumbüro arbeitet, weil sie sich dort besser konzentrieren kann, dann prüfen Sie, ob ein Umzug bei nächster Gelegenheit möglich ist. Oder kaufen Sie ihr einen Noise-Cancelling-Kopfhörer. Und falls dafür kein Budget vorhanden ist: Legen Sie einfach im Kolleginnen- und Kollegenkreis zusammen und schenken Sie Frau Balzer den Kopfhörer zum Geburtstag.

Und wenn Sie wissen, dass Frau Schulz sich beruflich weiterentwickeln möchte, bieten Sie ihr an, sich nach geeigneten Weiterbildungsmöglichkeiten umzusehen und dann das Gespräch mit Ihnen zu suchen. Was gibt es Besseres für eine Führungskraft, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben, die an mehr Wissen interessiert sind und ihre Fähigkeiten erweitern wollen?

Die infache Antwort „Fragen Sie die Beteiligten“ hat auch einen spannenden Aspekt: Fragen sind nicht auf eine Richtung beschränkt. Mitarbeitende können auch untereinander über ihre Sprache der Wertschätzung sprechen. So kann Herr Meier vielleicht einfach einspringen, wenn Frau Balzer etwas früher nach Hause geht, weil ihr der Kopf brummt. Oder Frau Schulz unterstützt Herrn Meier bei der Vorbereitung des Brainstormings als Sounding Board. Wertschätzung im Unternehmen muss nicht hierarchisch sein. Sie kann kollegial sein, sie kann temporär sein.

Es gibt noch eine zweite Antwort auf die Fragen: Hören Sie zu!

Menschen erzählen von ihrem Leben. Sie berichten von Wochenendausflügen, von geplanten Urlaubsreisen oder von den Wünschen der Kinder. Sie sprechen über die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen in der Kaffeeküche oder ärgern sich über eine veraltete, langsame Software. Sie überbrücken die ersten Minuten bis zum Beginn eines Meetings, indem sie Dinge von sich preisgeben, die sie beschäftigen oder die ihnen wichtig sind.

Hören Sie zu! Und machen Sie es wie eine Freundin von mir: schreiben Sie sich Notizen auf! Niemand kann sich alles merken, Notizen sind da ein wertvolles Hilfsmittel. Wenn Sie bspw. wissen, dass der Lebenspartner einer Mitarbeiterin an der Schulter operiert werden muss, fragen Sie einfach danach, wie es gelaufen ist. Wertschätzung zeigt sich in unendlich vielen kleinen Dingen. Mit Gehalt und Beförderungen muss das gar nichts zu tun haben. Achtsamkeit, Interesse, Verständnis sind alles Zutaten, die Teil der Wertschätzung sind. Sie sind Teil der Sprache, die Sie mit Ihren Mitmenschen sprechen.

Wertschätzung über den Tellerrand hinaus

Sie können also fragen und zuhören, um die Bedürfnisse von Mitarbeitenden oder auch Kolleginnen und Kollegen in Erfahrung zu bringen. Und dann gibt es etwas, was über den Tellerrand des eigenen Unternehmens hinausgeht: die Wertschätzung von Kunden, Partnerinnen oder Dienstleistern.

Ein Teil der DNA von Unternehmen ist es, Geld zu verdienen. Vieles was Unternehmen tun, ist daher auf Effizienz und Effektivität ausgerichtet. Kundinnen und Partner können dies meist leicht nachvollziehen, insbesondere auch, weil sie selbst in solchen Unternehmen tätig sind. Und wenig überraschend denken Sich Unternehmen Dinge aus, um möglichst regelmäßig mit ihren Zielpersonen zu interagieren. Manche schicken wöchentliche Newsletter, andere Fragebogen nach erbrachter Dienstleistung.

Einen solchen Fragebogen habe ich z.B. kürzlich nach der Teilnahme an einer Konferenz erhalten. Vielen Teilnehmenden hatte die Veranstaltung gut gefallen (nach jedem Vortrag konnten sie ein Stimmungsbild per Punktabstimmung hinterlassen und meist fielen die Bewertungen vor Ort gut bis sehr gut aus), mir jedoch nicht. Meine Kritik äußerte ich also im besagten Fragebogen im Nachgang zur Konferenz. Was passierte im Anschluss? Was hätten Sie sich an meiner Stelle gewünscht? Ich hätte mir gewünscht, dass sich ein Konferenzorganisator meldet und sich für mein Feedback bedankt. Feedback hilft Organsationen besser zu werden. Manche Stimmen behaupten sogar, negatives Feedback würde besonders viel helfen, da man dadurch Impulse bekommt, was man beim nächsten Mal besser machen kann. Mehr Aufmerksamkeit wollte ich gar nicht. Und was passierte? Nichts! Einfach nichts. Wie war das nochmals mit der Sprache der Wertschätzung?

Wertschätzung endet nicht an Abteilungsgrenzen. Sie macht auch nicht an Unternehmensgrenzen halt. Sie ist nicht hierarchisch, sie ist menschlich. Und sie ist wichtig. Ich werde nächstes Jahr nicht mehr an der Konferenz teilnehmen; warum sollte ich Organisationen unterstützen, die mich, meine Zeit oder meine Gedanken nicht wertschätzen?

Fazit

Wertschätzung ist unterschiedlich. Damit sie „funktioniert“, ist es wichtig, dass die Beteiligten dieselbe Sprache sprechen. Fragen und Zuhören sind zwei einfache, aber zentrale Aspekte auf dem Weg dorthin. Und Wertschätzung wirkt in alle Himmelsrichtungen, von Vorgesetzten und Führungskräften zu Mitarbeitenden, zwischen Mitarbeitenden und auch von „unten“ nach oben. Und nicht zuletzt ist sie auch ein Faktor im Wirtschaftsleben, im Miteinander von Unternehmen und Kunden, von Partnerinnen oder Dienstleistern.

 

Hinweise:

[1] Hier gibt es einen einfachen Trick. Setzen Sie Meetings oder Webinare nicht zur vollen Stunde, sondern 5 Minuten später an. Statt 13:00 Uhr also um 13:05 Uhr. Und beginnen Sie pünktlich. Und enden Sie auch pünktlich, bspw. um 13:50 Uhr, denn so können die Teilnehmenden ggf. pünktlich zur nächsten Besprechung erscheinen.

[2] Wir empfinden Wertschätzung situativ und temporär; oft freuen wir uns über ein einfaches „Dankeschön“, wenn wir etwas für eine Kollegin oder im Rahmen einer Aufgabe für einen Vorgesetzten getan haben. Manchmal aber ärgern wir uns auch darüber, bspw. wenn der Aufwand zur Erledigung einer Aufgabe oder die Perfektion im Ergebnis nicht wahrgenommen und anerkannt wird.

Ein Impuls zum Diskutieren

Steigt die Wertschätzung in Unternehmen, wenn Mitarbeitende, die sich über mangelnde Wertschätzung beklagen, beginnen, selbst mehr Wertschätzung zu zeigen?

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Michael Schenkel hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u. a.:

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Michael Schenkel
Michael Schenkel

Leiter Marketing, t2informatik GmbH

Michael Schenkel hat ein Herz für Marketing - da passt es gut, dass er bei t2informatik für das Thema Marketing zuständig ist. Er bloggt gerne, mag Perspektivwechsel und versucht in einer Zeit, in der vielfach von der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne von Menschen gesprochen wird, nützliche Informationen - bspw. hier im Blog - anzubieten. Wenn Sie Lust haben, verabreden Sie sich mit ihm auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen; mit Sicherheit freut er sich darauf!