Layered Process Audits: Die Ebenen im Blick
Layered Process Audits sind ein Schlüssel zur nachhaltigen Prozessoptimierung
Eine der grundlegenden Anforderungen in vielen Unternehmen ist die Sicherstellung von Prozessstandards, um den Kunden (auch den internen) eine „Sache“ zu liefern, die im Grunde jeder immer kauft (und auch so haben will), ohne dass dies expliziter Inhalt irgendeiner Form von Leistungsbeschreibungen o.ä. ist.
Diese eine „Sache“ ist ein Leistungswiederholungsversprechen, das auch für Unikate und im Grunde sogar für Kunstwerke gilt. Wenn ich einen van Gogh kaufen will (angenommen, er lebte und malte noch), dann habe ich eine bestimmte Vorstellung von dem Stil, der ihm zugrunde liegt, und würde mich wahrscheinlich nicht mit einem Dali oder Rembrandt zufrieden geben.
Ausgehend von diesem Leistungswiederholungsversprechen und den dafür notwendigen Prozessstandards stellt sich die Frage, wie dies kontinuierlich sichergestellt werden kann. Hier kommen die so genannten Layered Process Audits ins Spiel.
Die Entstehung der Layered Process Audits
In der Automobilindustrie entstanden Anfang der 2000er Jahre die so genannten Layered Process Audits (LPA), die heute praktisch bei allen OEM und deren Zulieferern im Einsatz sind.
Dass es dabei um Prozesse (und deren Standards) geht, kommt schon im Namen zum Ausdruck. Dass hinter den Audits (Plural ist ein wichtiger Aspekt) Checklisten stehen, sollte jetzt auch nicht wirklich überraschen. Die Ausprägung und der Umgang mit diesen Checklisten hingegen schon, und deshalb wird dies auch ein Thema dieses Artikels sein.
Der Begriff „Layered“ drückt aus, dass Prozessaudits auf verschiedenen Ebenen der Unternehmenshierarchie durchgeführt werden. Zudem besteht auch die Möglichkeit, LPA in einer rein prozessorientierten Organisationsform einzusetzen.; statt des Bezugs zu Hierarchieebenen erfolgt dann eine Abbildung auf Leistungs-, Unterstützungs- und Führungsprozesse.
Die zentrale Fragestellung hinter den Layered Process Audits dreht sich immer um die Einhaltung definierter Prozessstandards auf einer bestimmten Ebene, aber durchaus auch darunter. Die unterste Ebene ist dabei immer die Ebene der Wertschöpfung, auf der also schon im ersten Anlauf eine korrekte, d.h. fehlerfreie Veränderung einer Sache (Produkt oder Dienstleistung) stattfindet, die für den (einen!) Kunden einen Nutzen stiftet und die er deshalb auch zu bezahlen bereit ist. Im Falle von Unterstützungsprozessen (z.B. Logistik, Einkauf, IT, HR, …) muss typischerweise der entsprechende Leistungsprozess als interner Kunde betrachtet und damit auch eine gewisse Loslösung von einer monetären Vergütung berücksichtigt werden.
Checklisten und Checkpunkte
Zuerst einmal die gute oder schlechte Nachricht, je nachdem wie man es sieht: Es gibt bis auf eine Ausnahme bei Layered Process Audits keine Standard-Checklisten, ja nicht einmal Standard-Checkpunkte (da gibt es die eine Ausnahme).
Das mag sich im Zusammenhang mit Prozessstandards zunächst sehr merkwürdig anhören, die weiteren Ausführungen werden aber zeigen, warum das ein großer Vorteil ist und welcher Nutzen sich auf einer anderen Ebene ergibt.
Fangen wir einfach mit einem Blick auf den einen Standard-Checkpunkt an:
Auf der untergeordneten Ebene wurde das Layered Process Audit wie geplant durchgeführt und ggf. die entsprechenden Maßnahmen initiiert.
Einfach, oder? Wir richten den Blick von einer Ebene auf die Ebene darunter und überprüfen, ob das LPA durchgeführt wurde. Das ist fast schon trivial und tut auch nicht weh.
Wenn wir etwas intensiver auf diesen Checkpunkt blicken, was ist als erstes erkennbar?
Richtig, es handelt es um eine geschlossene Frage bzw. Aussage, auf die es nur eine positive oder negative Antwort geben kann. Dies ist ein zentrales Prinzip für alle Checkpunkte und dementsprechend auch für die Checklisten: Es handelt sich immer um geschlossene Fragen bzw. Aussagen, so dass es keine unnötigen Diskussionen darüber gibt, ob ein Checkpunkt zu 70 % oder zu 90 % erfüllt ist (und damit alles noch nicht so schlimm ist und man wieder zur Tagesordnung übergehen kann). Es geht immer um alles oder nichts, positiv oder negativ.
Bei einer positiven Antwort ist alles in Ordnung und der Checkpunkt wird optisch mit einem grünen Punkt gekennzeichnet. Wenn die Antwort negativ ist, gibt es nun verschiedene Fälle:
- Das untergeordnete Audit wurde durchgeführt, aber nicht wie geplant. Diese Antwort zieht nun an sich keine weiteren Maßnahmen nach sich, außer vielleicht einem etwas mahnenden Blick und ggf. einer Nachfrage bei der verantwortlichen Person, was der Grund dafür war und was ggf. geändert werden müsste, damit das Audit (und alle weiteren Durchgänge) wie geplant durchgeführt werden kann. Dieses „was zu ändern wäre“ könnte eine mögliche Folgemaßnahme sein, deren Wirksamkeit dann bei der nächsten Durchführung überprüft wird. Der Checkpunkt selbst wird auf gelb gesetzt, da das untergeordnete Audit bereits durchgeführt wurde.
- Das untergeordnete Audit wurde nicht durchgeführt. Dabei gibt es jetzt weitere mögliche untergeordnete Fälle.
- Als Sofortmaßnahme kann das untergeordnete Audit sofort nachgeholt werden. Auch dann wird der Checkpunkt auf gelb gesetzt und er ist damit erstmal erledigt.
- Das untergeordnete Audit kann nicht sofort nachgeholt werden. Die Ursachen dafür können ganz unterschiedlicher Natur sein und spielen jetzt im Grunde keine Rolle, außer, dass sich eben daraus eine geeignete Maßnahme ableitet. Im einfachsten Fall könnte es sein, dass der Checkpunkt (also die Prüfung auf Durchführung des untergeordneten Audits) einfach auf den nächsten Durchlauf verschoben wird (sollte man aber nur ein einziges Mal machen). Oder es finden Überlegungen und eine abgeleitete Maßnahme statt, wie sie oben unter 1. beschrieben wurde. Der Checkpunkt wird allerdings zur deutlichen Unterscheidung auf rot gesetzt. Diese rote Markierung ist ein Hinweis darauf, dass der Checkpunkt grundsätzlich nicht erledigt ist und eine Folgemaßnahme initiiert wurde, die nicht sofort erledigt werden konnte.
- Die rote Checkpunktmarkierung wird auch vergeben, wenn bei der Prüfung der untergeordneten Checkliste erkennbar ist, dass dort keine angemessenen Maßnahmen initiiert wurden.
Im Wesentlichen war es das schon, was den grundsätzlichen Umgang mit Checkpunkten angeht.
Und woher kommen die Checkpunkte?
Jetzt bleibt nur noch eine Frage offen: Woher kommen die anderen Checkpunkte?
Im Wesentlichen ergeben sich diese Checkpunkte aus den eingangs erwähnten Prozessstandards. Für den Fall, dass diese unbekannt oder nicht vorhanden sind, hat man schon wieder einen Checkpunkt („Prozessstandards sind vorhanden und bekannt“) und die Maßnahme kommt gleich frei Haus.
Wenn die Prozessstandards vorhanden und bekannt sind, kann es natürlich trotzdem Fälle geben, in denen sie nicht eingehalten werden (können). Auch hier ergibt sich die Maßnahme quasi von selbst („Ändere den Prozessstandard oder den Kontext so, dass er eingehalten werden kann“). Je nachdem, ob die Maßnahme sofort, d.h. während des Audits umgesetzt werden kann, wird der Checkpunkt gelb oder rot markiert.
Eine weitere Quelle für Checkpunkte können Kundenreklamationen (auch von internen Kunden) sein. Dies ist in der Regel ein Hinweis darauf, dass der aktuelle Prozessstandard nicht so wirksam ist, wie er sein sollte. Dies wiederum kann auf den Prozess selbst oder auf dessen Kontext hinweisen.
Neben diesen allgemeinen Themen können weitere Quellen für Checkpunkte auch branchen- oder industriespezifische Standards sein, in der Industrie z.B. aus dem Bereich Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit (die berühmten 5S), sowie regulatorische Vorgaben zu Datenschutz, Datensicherheit, Nachhaltigkeit etc. In der Regel handelt es sich dabei immer um Bereiche, die (noch) nicht automatisierbar sind oder deren Automatisierung sich aufgrund der Einmaligkeit der Vorgänge nicht lohnt.
Ziele und Wertschöpfung der Layered Process Audits
Grundsätzliches Ziel der Layered Process Audits ist es, bei den Checks immer nur grüne Bewertungen zu erhalten, indem die gelben Checks irgendwann verschwinden und die Maßnahmen bei den roten Checks wirksam werden.
Das kann dann so weit gehen, dass grüne Checkpunkte irgendwann aus den Checklisten verschwinden, einfach weil die entsprechenden Prozessstandards perfekt eingehalten werden. Die schlechte Nachricht hier ist allerdings, dass die Checkpunkte für untergeordnete Audits immer erhalten bleiben, was aber im durchgehend positiven Fall vernachlässigbar ist (dann machen Audits sogar richtig Spaß 😉).
Damit es nicht langweilig wird, kann (sollte!) man immer noch dafür sorgen, dass die Prozessstandards weiter verbessert werden (besser, einfacher, schneller, billiger, …). Typischerweise führt das erst einmal wieder zu Problemen und man bekommt wieder neue Checkpunkte frei Haus geliefert.
Da Layered Process Audits typischerweise von den verantwortlichen Führungskräften durchgeführt werden, ist die Einführung von LPA auch ein hervorragendes Mittel, um Führungskräfte oberhalb der untersten Ebene an den Ort der Wertschöpfung zu bringen (da sie dort die Ergebnisse der untergeordneten Audits vorfinden). Dadurch wird auf allen Ebenen ein tiefes Verständnis für die Wertschöpfung, die erforderlichen Standards und die Möglichkeiten zur Verbesserung dieser Standards geschaffen.
Gleichzeitig werden die Layered Process Audits von einer intensiven Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern begleitet, die automatisch notwendig wird, um gemeinsam die Sofortmaßnahmen zur Erreichung der Prozessstandards umzusetzen oder weiterführende Maßnahmen zu initiieren.
Die kommunikativen Aspekte der Layered Process Audits sollen abschließend auch zum Anlass genommen werden, darauf hinzuweisen, dass es nicht darum geht, die beteiligten Menschen zu willenlosen Maschinen zu machen, sondern ihnen einerseits durch entsprechende Routinen und Gewohnheiten gerade die inhaltliche Freiheit zu geben, mit unerwarteten Ereignissen und Abweichungen umzugehen und dennoch Standards einzuhalten, die unter dem Strich wieder den eingangs erwähnten Nutzen bringen.
Fazit
Der große Unterschiede der Layered Process Audits zu allen anderen klassischen Audits ist der Umgang mit den hochdynamischen Checklisten. Zudem ist auch die die Einbeziehung der gesamten Organisation über alle Hierarchieebenen bzw. alternativ der gesamten Prozesslandschaft über alle Leistungs-, Unterstützungs- und Führungsprozesse hinweg besonders. Der Preis dafür ist, dass es zunächst keine vorgefertigten Checklisten gibt. Gleichzeitig hat dies den großen Vorteil, dass man sich dennoch intensiv mit den Prozessstandards auseinandersetzen muss, um daraus erste Checklisten abzuleiten.
Gegenüber klassischen Audits haben LPA den großen Vorteil, dass sie die notwendigen Überprüfungen zu einem selbstverständlichen Teil des operativen Tagesgeschäfts (auch im Management auf allen Ebenen) machen und die sofortige Behebung von Abweichungen in den Vordergrund stellen, statt dies auf die lange Bank bis zum nächsten jährlichen oder noch selteneren Audittermin zu schieben.
Hinweise und Literaturempfehlungen:
Sehr gerne empfehlen wir Ihnen zwei weitere Quellen zur Vertiefung des Themas:
- Warum Lean Hintertüren braucht
- Elmer Zeller: Layered Process Audits
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Götz Müller hat zwei weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht:
Götz Müller
Götz Müller beschäftigt sich seit 1993 mit dem Management von Entwicklungsprojekten, seit 1998 mit Veränderungsprojekten und Kontinuierlichen Verbesserungsprozessen und seit 2006 mit Neuro-Linguistischem Programmieren. Er ist ausgebildeter Lean Moderator, Lean Six Sigma Black Belt und NLP Master Practitioner. Seit 2009 unterstützt er als selbstständiger Berater, Trainer und Coach Kleinbetriebe, Mittelständler, Handwerksbetriebe aber auch Konzernstandorte in Fragen der Prozessoptimierung und des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.