Vermeiden Sie Kommunikationsfallen

Gastbeitrag von | 05.10.2017

Kommunikation ist vielfältig. Kommunikation ist die tragende Säule in unserer Wirtschaft, in der Politik, in der menschlichen Gemeinschaft. Dass Kommunikation nicht immer leicht ist, erleben wir tagtäglich. Zahlreiche Untersuchungen und Fachbücher beschäftigen sich mit den Herausforderungen der Kommunikation und unzählige Trainer, Berater und Coaches nutzen diese Herausforderungen als Arbeitsgrundlage. Gerne möchte ich Ihnen ein Kommunikationsmodell vorstellen, dass auch im Projekt- und Anforderungsmanagement gute Dienste leistet. Es beschreibt mögliche Kommunikationsfallen als Ursache von Missverständnissen in der Kommunikation. Gleichzeitig erläutert es Wege zur Vermeidung dieser Missverständnisse durch mehr Klarheit. Es handelt sich um das Meta-Modell der Sprache, das als Teil des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP) Wahrnehmungsfilter beschreibt, die einerseits Sprache als Kommunikationsmittel erst ermöglichen, andererseits aber auch die Quelle von Missverständnissen sind. Solche Missverständnisse führen oft zu Konflikten, die wir alle aus unserer täglichen Arbeit in Projekten kennen.

Die Basis des Kommunikationsmodells

Basis dieses Kommunikationsmodells sind drei Wahrnehmungsfilter:

  • Generalisierung,
  • Verzerrung und
  • Tilgung.

Diese drei Wahrnehmungsfilter sind bei allen Menschen ständig aktiv. Sie beeinflussen die Bilder, die bei uns im Kopf entstehen und die wir per Kommunikation anderen Menschen übermitteln. Sie helfen uns in Organisationen und Projekten zusammenzuarbeiten, ermöglichen die Erhebung und Erfassung von Anforderungen oder die Entwicklung von Produkten. Nachfolgend möchte ich mich auf den Wahrnehmungsfilter der Generalisierung konzentrieren. Am Ende des Beitrags finden Sie zwei Links zu den Wahrnehmungsfiltern Verzerrung und Tilgung, die ich vor einiger Zeit in meinem eigenen Blog verfasst habe. Soviel sei vorab verraten: Verzerrungen entstehen oft dadurch, dass einzelnen Aspekten eine stärkere Bedeutung gegeben wird als dies ursprünglich beabsichtigt war. Dies kann zu unterschiedlichen Interpretationen von Anforderungen, Zielen, Risiken usw. führen. Tilgungen beeinflussen die Vollständigkeit von Informationen. Sind Informationen unvollständig, entstehen Interpretationsspielräume, die ebenfalls negative Auswirkungen auf Projekte haben können.

Die Generalisierung als Wahrnehmungsfilter

Die Generalisierung ist aktiv, wenn wir von greifbaren, haptischen Dingen wie Haus, Baum oder Auto reden. Sie ist aber genauso aktiv, wenn es um abstrakte Dinge wie Projekt und Anforderung geht. So wie jeder Mensch vermutlich ein anderes Bild eines Baumes im Kopf hat und Sie sich bei einem Auto vielleicht einen roten Rennwagen vorstellen, so gilt das auch für den Projektbegriff. Natürlich gibt es für “Projekt” eine relativ anerkannte Definition, trotzdem gibt es die unterschiedlichsten Ausprägungen und auch das Detailverständnis variiert. Beim Einsatz von Sprache lassen sich unterschiedliche Ausprägungen von Generalisierungen unterscheiden. Einerseits sind dies offensichtliche Begriffe wie „alle“, „jeder“, „immer“, „keiner“, „niemand“ oder „nie“. Hier spricht man von sogenannten Universalquantifikatoren. Andererseits gibt es die etwas subtileren Verallgemeinerungen wie „Kunden“, „Anwender“, „Stakeholder“, „Projekte“ in Form des generalisierten Referenzindex. Ein fehlender Referenzindex kommt zum Ausdruck bei „andere“, „jemand“, „etwas“, „man“, „Leute“. Generalisierungen treten häufig auch implizit auf; immer dann, wenn von wenigen Fällen in Form von Stichproben auf eine Allgemeinheit geschlossen wird. Besonders groß ist die Gefahr bei Kundenbefragungen oder Verallgemeinerungen eigener Ansichten, Wünsche oder Anforderungen. Man spricht hier dann auch von schwarzen Schwänen, die bis zur ersten Sichtung auch für unmöglich gehalten wurden.

Die Wahrnehmung der Generalisierung

Wie lässt sich nun mit Generalisierung umgehen? Als erstes müssen Generalisierungen bewusst wahrgenommen werden und als zweites auch immer hinterfragt werden. Hier einige beliebe Generalisierungen mit den entsprechenden Gegenfragen, die mir immer mal in meinen Projekten begegnen:

  • “Alle Projekte brauchen ein Projekt-Handbuch.” Universalquantifikator: „Wirklich alle?” Generalisierter Referenzindex: „Das gleiche Projekt-Handbuch, mit vergleichbarem Inhalt und Umfang?“
  • „Bei uns gehen wir in Projekten immer so vor.” Generalisierter Referenzindex: „In allen Projekten?” Fehlender Referenzindex: „Wo ist ‚bei uns’ bzw. wer ist ‚wir’, in der Abteilung, im Bereich, in der ganzen Firma?” Universalquantifikator: „Immer?”
  • „Herr Schneider gerät immer mit allen anderen in Streit.” Fehlender Referenzindex: „Wer sind die anderen?” Universalquantifikator: „Sind es wirklich alle?”, „Immer?”

Beim Umgang mit Generalisierungen lassen sich die mündliche und schriftliche Kommunikation mittels Sprache unterscheiden. Bei der mündlichen Form erreichen Sie einen besseren, bewussteren Umgang nur Übung und der damit einhergehenden Routine. Bei schriftlichen Generalisierungen können Sie Checklisten nutzen, aber auf Dauer ist der kontinuierliche Ausbau der Checklisten zur Vermeidung jeglicher Generalisierung kein praktikabler Weg. Die Konzentration auf die wichtigsten Vorkommnisse mit Hilfe des Pareto-Prinzips kann eine Lösung sein, ebenso wie die Beachtung des gesunden Menschenverstandes – wobei da auch die Gefahr einer Generalisierung besteht.

Hinweise:

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Weitere Informationen zur den beiden Wahrnehmungsfiltern Verzerrung und Tilgung finden Sie unter

Götz Müller hat zwei weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht: 

t2informatik Blog: Lean Product Development: Die ganzheitliche Erweiterung von Lean Production

Lean Product Development: Die ganzheitliche Erweiterung von Lean Production

t2informatik Blog: Layered Process Audits: Die Ebenen im Blick

Layered Process Audits: Die Ebenen im Blick

Götz Müller
Götz Müller

Götz Müller beschäftigt sich seit 1993 mit dem Management von Entwicklungsprojekten, seit 1998 mit Veränderungsprojekten und Kontinuierlichen Verbesserungsprozessen und seit 2006 mit Neuro-Linguistischem Programmieren. Er ist ausgebildeter Lean Moderator, Lean Six Sigma Black Belt und NLP Master Practitioner. Seit 2009 unterstützt er als selbstständiger Berater, Trainer und Coach Kleinbetriebe, Mittelständler, Handwerksbetriebe aber auch Konzernstandorte in Fragen der Prozessoptimierung und des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.