Impulse für Organisationen – Teil 8
In der Flut von Beiträgen auf Social-Media-Plattformen finden sich immer wieder kleine Schätze, die Menschen in Organisationen adressieren und Tipps und Tricks oder besondere Perspektiven auf einzelne Aspekte der Zusammenarbeit liefern. Viele dieser Schätze verschwinden aber auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen der Plattformen. Auch in Teil 8 unserer Serie möchte ich einzelne Impulse von Fachleuten im t2informatik Blog „ins Schaufenster stellen“. Dieses Mal geht es um Soft Skills, Ampelkarten, Führen und Folgen sowie Mountainbiken bzw. das Problem der zu schnellen Entwicklung.
Los geht’s mit den neuen Impulsen!
Soft Skills oder Human Skills
Immer noch begegnet mir häufig das Vorurteil: Soft Skills sind nicht wirklich wichtig. Das ist nicht greifbar, nicht steuerbar und darum sollte man diesem Thema auch nicht zu viel Aufmerksamkeit widmen. Wie der Name schon sagt, soft ist weich und weich ist für viele immer noch gleichbedeutend mit schwach und schwach bringt uns in diesen toughen Zeiten nicht weiter. Was wir brauchen, sind harte Fakten, klare Pläne und knallharte Ansagen! Nicht wahr 😉
Für alle, die immer noch so denken, eine Einordnung der Begrifflichkeiten: In den 60ern hatten Psychologen die Aufgabe beim US-Militär die Faktoren für eine erfolgreiche Mission herauszuarbeiten. Man hegte die Vermutung, dass neben dem Umgang mit Panzern und Waffen auch Führung, Empathie und Zusammenarbeit entscheidend dafür waren, dass eine Truppe über sich hinauswuchs und sicher nach Hause zurückkam. Leider fällte man damals die unglückliche Entscheidung alle waffenbezogenen Fähigkeiten als „Hard Skills“ zu bezeichnen. Einfach weil diese Tätigkeiten den Umgang mit Stahl erforderten. Als „Soft Skills“ wurden dagegen die emotionalen und sozialen Skills bezeichnet. Später empfahlen die Psychologen die Terminologie zu ändern, da eine Fähigkeit, die als weich bezeichnet wird mit schwach assoziiert werden kann, Soldaten aber stark und souverän sein wollen (vgl. Grant 2023).
Da war es aber schon zu spät, der Begriff war in der Welt und bis heute halten sich die Vorurteile beständig. Immer noch wird in vielen Unternehmen die HR-Abteilung belächelt und eher als notwendiges Übel als ein wirkliches Asset gesehen. Immer noch werden Leadership- und Kulturentwicklungsprogramme eher als Folklore als ein echter Differenzierungsfaktor anerkannt. Und erst kürzlich wurde ich wieder einmal in einem Workshop mit den Worten begrüßt: „Ist das eines dieser Baumumarmungsseminare?“
Ja, in der Tat, es gibt HR-Abteilungen, die mehr schaden als nutzen. Und es gibt auch schwachsinnige Coachings. Aber davon dürfen wir uns doch nicht irritieren lassen. Mittlerweile sollten wir alle wissen, dass unser Charakter und unser Zusammenhalt unsere größte Stärke sind. Wenn unsere kognitiven Fähigkeiten uns von Tieren unterscheiden, dann unterscheiden uns unsere sozialen und emotionalen von Maschinen. In einer Zeit, in der KI Autos lenken, Texte schreiben und Menschen operieren kann, sind die Fähigkeiten, die uns menschlich machen, wichtiger als je zuvor.
Soft Skills werden in Organisationen schnell zu Hard Facts, wenn wir sie nicht aktiv berücksichtigen und fördern. Wenn Maschinen mehr und mehr Teile unseres Lebens übernehmen, werden die verbleibenden menschlichen Interaktionen immer wichtiger.
Darum Soft ist nicht weich. Im Gegenteil, es ist das neue Stark!
Wie sehen Sie das? Und was denken Sie mit welchem Wort könnten wir den unglücklichen Begriff „Soft Skills“ ersetzen? Mein Favorit wäre „Human Skills“.
Effektiver Diskutieren und Entscheiden mit Ampelkarten
„Kai, können wir die Karten anschließend behalten?“
Höre ich gar nicht so selten. Eine zentrale Herausforderung in einer Moderation ist für mich immer, einerseits in der Diskussion allen wichtigen Standpunkten Raum zu bieten, andererseits schnell und eindeutig zu Entscheidungen zu kommen. Diese Spielkarten in Ampelfarben haben sich dabei über die Zeit zu einer kleinen Geheimwaffe entwickelt: sie können überall hin mitgenommen werden, funktionieren auch in größeren Gruppen und werden vor allem schnell und intuitiv verstanden – wichtig, wenn man häufig mit neuen Kunden und Teams zu tun hat.
Während einer laufenden Diskussion können Menschen damit unterschiedliche Wortmeldungen anzeigen:
- grün = sehe ich auch so
- gelb = eigene Sicht dazu
- rot = habe einen Einwand
Für Entscheidungen liefern sie eine schnelle Art, Konsent abzufragen: Grün steht für Zustimmung, gelb möchte noch etwas loswerden, rot markiert Einwand/Veto. Das Ganze funktioniert auch remote und hat erheblich weniger Erklärungsbedarf als z.B. eine Fist to Five, zumal die feine Abstufung mit fünf verschiedenen Antworten für die meisten Sachverhalte eh unnötig ist.
Für mich das beste Indiz für ihren Nutzen ist, dass Kundenteams sie nach dem ersten Termin oft selbst einsetzen wollen – auch in eher klassischen Kontexten. Ich hab sie jedenfalls mittlerweile überall mit dabei.
PS: Ein Gedanke noch zu Menschen, die z. B. farbenblind sein könnten: die Karten würden sich leicht um zusätzliche Symbole, z.B. einen Daumen hoch, ein Ausrufezeichen oder ein Stoppschild ergänzen lassen – zur Not auch spontan per Marker. Bisher gab’s den Bedarf bei mir allerdings noch nicht.
Führen und Folgen – Das Spiel geht nur zu zweit
Kennen Sie die Frage: Welche Eigenschaften sollte eine gute Führungskraft haben? Mit der Frage wird das Phänomen #Führung bereits trivialisiert.
1️⃣ Entitäts- vs. Prozessdenken
Wir sind in unserer westlichen Gesellschaft vorrangig auf eine Art des Denkens konditioniert, dem analytischen #Denken. Wir zerlegen Probleme in Teilprobleme, lösen diese Teilprobleme und fügen die Teillösungen linear zu einer Lösung zusammen. Uns wird also ein so genanntes Entitätsdenken in die Wiege gelegt. Organisationen wie Schulen, Unternehmen, Universitäten etc. haben wir nach diesem Muster gebaut.
Was geht im Entitätsdenken verloren? Beziehung, z. B. der #Prozess der Führung, und damit #Komplexität. Komplexität liegt ja in der Beziehung zwischen Entitäten. Das lässt sich an unserer Welt erkennen. Erst mit der zunehmenden Vernetzung, nicht mit der anwachsenden Bevölkerung, ist Komplexität in der Welt massiv gestiegen.
Entitätsdenken lässt uns auch die Frage nach Eigenschaften einer guten Führungskraft als relevant einstufen, was sie jedoch nicht ist.
2️⃣ Beobachten von Beziehungen
Möchte man also nach Faktoren des Gelingens für Führen Ausschau halten, sollte man Beziehungen und damit Prozesse beobachten. Und damit wird #Folgen als Kompetenz ebenso wichtig wie #Führen. Darüber wird jedoch wenig gesprochen.
Dazu ein Beispiel im Kontext #Macht.
Wenn ich meine Beobachtung auf die Beziehung zwischen 2 Menschen richte, kann ich Machtverhältnisse beobachten, unabhängig davon, was beide Seiten dazu beitragen, denn das kann ich nicht so ohne Weiteres im #Verhalten beobachten. Die eine Seite könnte z. B. unterwürfig agieren und damit der anderen Seite Macht überlassen. Die Seite, die unterwürfig agiert, kann aber auch so viel Macht einsetzen, dass sie der anderen Seite überhaupt erst Macht zuschreibt.
Herausfinden werden wir das wohl nie: Alles, was wir beobachten können, ist Dynamik der Beziehung, nicht was jede Seite dazu beiträgt.
3️⃣ Passfähiges Beobachten von Führen
Mit einem Prozessdenken stellen sich Phänomene im Kontext Führung ganz anders dar, in meinen Augen passfähiger, als würden wir in Entitäten denken, was uns dann letztendlich auch zu passfähigeren Lösungen kommen lässt.
Das Spiel geht nur zu zweit und weil es nur zu zweit geht, spielen Beziehungen nicht nur eine Rolle, sie treiben Komplexität. Fokussieren wir in der Beobachtung auf einzelne Menschen zerstören wir Beziehung, damit Komplexität und damit das Problem, welches wir lösen wollen.
Mit Fokussierung auf Beziehungen, wenn wir Führung beobachten, entlassen wir Menschen in die #Freiheit, worauf sie dann überhaupt erst #Verantwortung nehmen können, da sie nicht etikettiert werden. Diese Art der Beobachtung und Agierens macht Führung menschenzugewandter.
Probieren Sie es gerne aus: Es funktioniert.
7 Tage Mountainbiken
Was machen Sie, wenn Sie darauf kommen, dass Sie tatsächlich viel schneller sind als geschätzt?
- Geben Sie den Vorteil tatsächlich an den Kunden weiter und verzichten auf das Geld?
- Sagen Sie lieber nichts und sind „pünktlich“ fertig?
- Oder gleichen Sie mit der freien Zeit ein anderes Projekt aus, das mehr Zeit braucht als geplant?
So richtig gut fühlt sich keine der Optionen an, oder?
Value Pricing statt Stundenabrechnung spart Ihnen solche Dilemmata.
Impulse und Fragen
Vier verschiedene Themen, vier Menschen mit unterschiedlichen Ideen und Ansätzen, vier individuelle Impulse. Was verbinden wir mit dem Begriff Soft Skills und welcher Begriff wäre möglicherweise besser geeignet, um die wichtigen Fähigkeiten im Miteinander zu benennen? Wie können wir Diskussionen strukturieren und Entscheidungen besser im Konsent treffen? Wie können wir die Perspektive in unserem Arbeitskontext sinnvoll wechseln? Warum ist es sinnvoll, die Beziehungen zwischen Menschen zu beobachten und damit Führung menschenzugewandter zu gestalten? Und was tun Organisationen, um sich bei schnellerer Leistungserbringung selbst zu benachteiligen?
Fragen über Fragen. Vielleicht haben Sie auch die eine oder andere; prima! Dann hat auch Teil 8 von „Impulse für Organisationen“ sein Ziel erreicht.
Hinweise:
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[1] Wolfgang Jenewein ist Professor an der Universität in St. Gallen, Gründer der Jenewein AG, Leadership Expert und Speaker. Informationen über Wolfgang Jenewein finden Sie in seinem LinkedIn-Profil, den Impuls finden Sie hier im Original auf LinkedIn.
[2] Kai-Marian Pukall arbeitet als Organisationsentwickler für die Seibert Media GmbH. Seit vielen Jahren begleitet er agile Teams, immer mit dem Ziel, die Zusammenarbeit wertvoll und professionell, einfach und menschenfreundlich zu gestalten. Informationen über Kai-Marian Pukall finden Sie in seinem LinkedIn-Profil, den Impuls finden Sie hier im Original auf LinkedIn.
Im t2informatik Blog hat Kai-Marian Pukall mehrere Beiträge veröffentlicht.
[3] Conny Dethloff arbeitet als Organisationsdesigner für die emergize GmbH & Co. KG und hilft Menschen in Organisationen dabei, passfähige Strukturen und Prozesse im Kontext Wertgenerierung zu finden und zu etablieren. Informationen über Conny Dethloff finden Sie in seinem LinkedIn-Profil, den Impuls finden Sie hier im Original auf LinkedIn.
Auch im t2informatik Blog finden Sie Beiträge von Conny Dethloff.
[4] Alex Rammlmair ist Podcaster und Experte für Value Pricing, sowie Buchautor von Das Ende der Tagessätze – Die besten Preisstrategien für IT-Unternehmen, die skalieren wollen. Informationen über Alex Rammlmair finden Sie auf seiner beindruckenden Website, den Impuls finden Sie hier im Original auf LinkedIn.
Und auch im t2informatik Blog finden Sie Beiträge von Alex Rammlmair.
Diese 4 und weitere 6 Perspektiven können Sie im Blogpaper Impulse für Organisationen – Teil 3 herunterladen.
Michael Schenkel hat im t2informatik Blog weitere Impulse veröffentlicht, u. a.
Michael Schenkel
Leiter Marketing, t2informatik GmbH