Ich bin (k)eine Personal Brand!

von | 27.02.2023

Ein Impuls zur Reflexion: Personal Brands und ihre Bedeutung für Unternehmen.

Wer sich auf Social-Media-Plattformen bewegt, findet vermutlich zahlreiche Postings, die das Thema Personal Branding promoten. Es geht um den Aufbau von Personenmarken und Sichtbarkeit, um Reichweiten und Authentizität, um Tipps, Tricks und Erfolge. Gerne möchte ich das Thema etwas konkreter verstehen, also habe ich mein Netzwerk gefragt: „Bin ich eine Personal Brand?“ (Die Antwort gibt es am Ende des Artikels.) Und ich habe mich mit Heiko Rössel, Dr. Tanja Bernsau und Alex Rammlmair unabhängig voneinander über Personal Branding ausgetauscht.

Was ist eine Personal Brand, Heiko Rössel?

Heiko Rössel¹ ist Unternehmer, systemischer Unternehmensberater und Dozent für Servicemanagement an der HTW in Aalen. Er ist Experte für die Positionierung von Dienstleistungen und die Definition von Zielgruppen.

Heiko, was ist eine Personal Brand?

Ich würde Personal Brand wörtlich übersetzen. Als Personenmarke. Damit unterscheidet sich eine Personal Brand von einer Unternehmensmarke und einer Produktmarke. Jeder Mensch ist demnach eine Personal Brand, wenn er sich irgendwo und irgendwie verkaufen muss oder möchte. Das betrifft Selbstständige, aber auch Arbeitnehmer.

Der Begriff Personal Brand wird insbesondere bei Soloselbstständigen verwendet. Hier wird häufig keine Unterscheidung zwischen der Personal Brand und der Unternehmensmarke vorgenommen. Damit wird aber eine Chance vertan. Wenn die gesamte Marke auf eine Person bezogen wird, gibt es keine Möglichkeit, dem Unternehmen ein eigenes Gesicht zu geben. Ich halte es hier von Vorteil, sowohl der Person, als auch dem Unternehmen und dem Produkt eine eigene Marke zu geben. Die Vielfalt und die Varianzen werden damit erhöht.

Die Gefahr bei Personal Brands besteht nach meiner Beobachtung darin, dass sich die Person als zu bedeutsam darstellt. In letzter Konsequenz entscheidet aber das Produkt, ob die Käufer kaufen.

Zusammenfassend verstehe ich eine Personal Brand ist ein Mittel des Marketings, nicht der Strategie.

Welche Bedeutung haben Personal Brands für Unternehmen?

Für „richtige Unternehmen“ haben Personal Brands nach meinem Dafürhalten eine untergeordnete Bedeutung. In einem Unternehmen sollten sich die Individuen dem Unternehmen unterordnen. Demzufolge wäre, wenn überhaupt, eine Unternehmensmarke oder eine Company Brand zu bilden. Viele Unternehmen definieren sich aber „bottom up“ über ihre Produkte.

Ein Unternehmen sollte dafür Sorge tragen, dass die einzelnen Mitarbeitenden ausgetauscht werden können, ohne den Sinn und den Zweck des Gesamtunternehmens zu gefährden. Daher kann es nach meinem Dafürhalten nicht im Interesse eines Unternehmens sein, wenn sich Personal Brands etablieren. Das gilt sogar für den Vorsitzenden, die Geschäftsleitung oder den Gründer.

Personal Brand unterscheide ich von Unternehmen, die den Namen ihrer Gründer behalten. Diese müssen nicht zwangsläufig Personal Brands sein. Schöne Beispiele sind Carl Zeiss, Robert Bosch, Deichmann, Fielmann oder Hugo Boss. Alle werden als Unternehmen oder als Company Brand wahrgenommen, obwohl sie den Namen ihrer Gründer tragen. Diese feine Unterscheidung bei der Etablierung einer Marke zu berücksichtigen, halte ich für wichtig.

Ist ein Unternehmen ein Personenunternehmen oder speziell eine Soloselbstständigkeit, kann die Personal Brand eine Rolle spielen. Meiner Einschätzung nach sollte man jedoch beachten, dass der Kunde zunächst nach Produkten und Angeboten sucht. Erst wenn diese Offerten für ihn sinnvoll erscheinen, betrachtet er ggf. die Vision des Unternehmens oder eben auch die der dahinter stehenden Personal Brand.

Für mich ist es daher wichtig, dass sowohl Unternehmen als auch Soloselbstständige ihre Produkte als entscheidenden Faktor und als Strategie des Marktzugangs verstehen und sowohl die Personal Brand als auch die Company Brand nur ergänzende Marketing-Maßnahmen sind.

Was ist eine Personal Brand, Dr. Tanja Bernsau?

Dr. Tanja Bernsau² ist Inhaberin der Wiesbadener Social Media Manufaktur und betreut Selbständige und Unternehmer bei der strategischen Planung und Ausgestaltung ihrer Online-Präsenzen mit Webseiten und Social-Media-Kanälen.

Tanja, was ist eine Personal Brand?

Eine Personal Brand ist für mich als (Solo-)Selbständige mit einem B2B-Dienstleistungsangebot ein wichtiger Begriff. Auf den ersten Blick ist das ganz banal der Name, mit dem ich an den Markt gehe. Unter dem man mich kennt und findet, und mit einer bestimmten Dienstleistung oder einem bestimmten Produkt verbindet. Aber es steckt noch viel mehr dahinter und ist Ergebnis eines Prozesses, in dem ich mir selbst Klarheit über mich und mein Angebot verschafft habe.

Die Personal Brand ist Ergebnis einer vorangegangenen Positionierung. Dabei habe ich neben der Frage des konkreten Angebots auch die Frage der Zielgruppe geklärt, die ich erreichen will. Es ist die Frage, wie ich mich unter der Vielzahl von anderen Anbietern so einzigartig wie möglich präsentieren kann, um mich im Gedächtnis potenzieller Kunden zu verankern. Dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob mein USP darin besteht, dass ich eine einmalige Methode anwende, ob ich mich auf eine mehr oder weniger spitze Zielgruppe fokussiere oder meine Persönlichkeit in den Mittelpunkt stelle – Ziel ist es immer, mich von anderen unterscheidbar zu machen. Denn ganz ehrlich: die wenigsten B2B-Dienstleister machen sich selbstständig mit einem Angebot, das es noch gar nicht gibt. Wir alle haben Wettbewerber, wenn wir als Coaches, Berater oder Trainer unsere Brötchen verdienen. Nur mit einer soliden Positionierung kann ich zur Personal Brand werden und bin erst dann für meine Zielgruppe (be-)greifbar.

Erst wenn ich hier meine Hausaufgaben gemacht habe, kann ich mir auch Gedanken über meinen Außenauftritt machen. Wie kommuniziere ich meine Markenpersönlichkeit klar und deutlich für meine Zielgruppe? Jetzt kann ich entscheiden, welche Klaviatur ich beim Marketing und in der Akquise bespielen will. Angefangen beim Corporate Design, also der visuellen Wiedererkennbarkeit, über die Botschaften, die ich vermitteln möchte, aber eben auch – und da kommt der Bestandteil „Personal“ ins Spiel – welche Persönlichkeit meine Marke haben soll.

Als Selbständige/r ist das oft mit der dahinterstehenden Person, mit dem Menschen, verbunden. Und jetzt kommt der spannende und auch häufig missverstandene Aspekt: die Authentizität. Wie persönlich präsentiere ich mich als Selbstständige/r am Markt, um authentisch zu sein? Die für mich wichtigste Abgrenzung ist hier zum Privaten zu ziehen. Gerade auf Social-Media-Plattformen hat man schnell das Bedürfnis, Privates von sich zeigen zu müssen, um Authentizität zu transportieren. Aber das gehört meines Erachtens nicht in den Business-Kontext – und interessiert in der Regel auch niemanden meiner Geschäftskontakte. Zumindest hinterlässt es keinen professionellen Eindruck von mir und meinem Angebot, wenn ich Familienprobleme oder das Ergebnis meiner letzten Darmspiegelung in einem LinkedIn-Post thematisiere. Da ist Distanz durchaus angezeigt.

Das andere Extrem beim Versuch, Persönlichkeit zu zeigen, liegt in der (übertriebenen) Selbstdarstellung. Reine Selbstinszenierung ist nicht unbedingt Ausdruck von Authentizität, wenn die Posts getreu dem Motto „mein Haus, mein Luxus-Auto, meine Workation unter Palmen“ gestrickt sind. „Schau wie erfolgreich ich bin“ – ein verständlicher Wunsch, das zeigen zu wollen, aber in der Praxis eher ein Ausdruck von Personal Blending statt Personal Branding.

Persönlich halte ich es mit einer selektiven Authentizität frei nach Voltaire: „Ich muss nicht alles von mir zeigen, was wahr ist. Aber alles, was ich von mir zeige, sollte wahr sein.“

Welche Bedeutung haben Personal Brands für Unternehmen?

Als Solo-Selbständige habe ich zwar keinen detaillierten Einblick in die Marketingstrategie von Unternehmen, ich würde mir aber an ihrer Stelle überlegen, ob entsprechende Programme zur Entwicklung von Personal Brands Sinn machen. In Zeiten, in denen Mitarbeiterbindung und Sichtbarkeit auf dem Markt immer wichtiger werden, kann Personal Branding ein wichtiges Instrument sein. Personal Branding macht auch Unternehmen für Bewerber und potenzielle Kunden greifbarer, nahbarer und es verankert sich stärker im Gedächtnis des Gegenübers. Im Extremfall gibt es dann „ein Gesicht“ des Unternehmens, man denke etwa an Elon Musk oder Steve Jobs, die man sofort mit ihre Companies in Verbindung bringt. Letztlich kann aber jeder Mitarbeiter, der mit der Außenwelt kommuniziert (zum Beispiel im Vertrieb oder auch als Recruiter), durch Personal Branding sichtbar und (be)merkbar werden.

Was ist eine Personal Brand, Alex Rammlmair?

Alex Rammlmair³ hilft IT-Unternehmen, Wachstum gezielt und strategisch aufzubauen. Er ist Podcaster, Buchautor und Experte für Value Pricing.

Alex, siehst Du einen Unterschied zwischen Personal Brand und Unternehmen, die den Namen ihrer Gründer im Firmennamen tragen?

Mit gefällt die Idee, dass eine Brand nicht dem gehört, der den Namen und vielleicht ein Logo dazu angemeldet hat – sondern denen, die sich für die Brand interessieren.

Denn tatsächlich hängt der Wert einer Marke zu 100 % davon ab, was alle anderen damit verbinden. Finden viele die Marke gut, ist der Wert hoch. Gibt es keine Fans, ist der Wert gering. Qualität des Unternehmens oder der Produkte, Innovationskraft, Mission, Profite … alles unerheblich.

So kann das heute ultra-hippe Jugend-Modelabel in 6 Monaten nur noch dazu taugen, jene zu identifizieren, die noch nicht kapiert haben, dass mittlerweile etwas ganz anderes angesagt ist. Das Modelabel selbst hat gar nichts falsch oder anders gemacht als bisher, seine Werte und seine Botschaft nicht verändert. Es gab auch kein Skandal, Shitstorm oder eine schlimme Bilanz. Es ist einfach nur wer anderer aufgetaucht, der die Gunst der Jugendlichen übernommen hat.

Mit dieser Perspektive klingt die Idee, dass dem Unternehmen die Marke gehört, eher seltsam, schließlich können alle anderen damit machen, was sie wollen (außer es kopieren).

Tatsächlich wirken die Bemühungen von Marken, ihren Wert und Ihre Markenbotschaft direkt zu beeinflussen, oft deplatziert. Ähnlich wie ein Teenager, der glaubt mit flotten Sprüchen, intellektuellem Gehabe oder mit der Extra-Portion Coolness, ein gutes Bild von sich zu verbreiten. Alle, die dem Schauspiel zuschauen, sind eher peinlich berührt.

Ähnlich wirken Mineralölkonzerne, die auf Nachhaltigkeit tun, Konzern-Dinosaurier die sich das Innovations-Label umhängen wollen oder Haushaltsgerätehersteller, die gerne „zur Familie gehören“ würden. Danke, aber nein danke. Wir verstehen, dass ihr gerne dieses Image haben möchtet, aber ihr habt es leider nicht und wir geben es euch auch nicht. Euren Werbemilliarden zum Trotz.

Was heißt das jetzt für Personal Brands?

Vermutlich dasselbe, außer dass das Ganze untrennbar mit einer Person verbunden ist. Das macht die Marke erst mal schwieriger weiterzugeben. Sowas kann jemand anderes nicht einfach mal so mit Vertrag und Überweisung übernehmen – und genau das macht die Personal Brands vielleicht etwas konsistenter und glaubwürdiger.

Die Logik ist: Wenn eine Person in ein anderes Unternehmen wechselt, bleibt das meiste an dieser Person gleich. Wird ein deutsches Startup von einem chinesischen Konzern gekauft, ändert sich hingegen einiges.

Das macht Personal Brands oft attraktiver als ihre Firmen-Pendants:

  • Elon Musk hat auf Twitter über 125 Mio Follower, Tesla hat 19 Millionen.
  • Bill Gates hat auf Linkedin 36 Mio Follower, Microsoft hat 19 Millionen.

Im Mittelstand – unter meinen Klienten – ist es meist ähnlich. Die Gründer, Eigentümer oder Geschäftsführerinnen haben in der Regel 20 Mal so viele Kontakte wie ihr Unternehmen.

Und bei Startups hat Dave Gerhart mit seinem Buch „founder brand“ die Idee populär gemacht, dass es oft effektiver ist, den Gründern eine Bühne zu bereiten als dem Unternehmen. Viele erfolgreiche GründerInnen sind heute bekannter als das, was sie gegründet haben.

Und dann gibt es noch die Freelancer, von denen viele versuchen, einer von ihnen unabhängigen Firma eine Identität zu geben mit einem Namen und einem Logo.

In der Regel funktioniert das schlecht. Wir beschäftigen selbst ein gutes Dutzend Freelancer. Ich kenne fast alle mit Namen – aber wüsste von keinem einzigen, wie die eingetragene Firma heißt.

Wobei ich den Versuch aus meiner eigenen Anfangszeit kenne. Ich befürchtete, als one-man-show „zu klein“ zu sein und wollte daher lieber eine „Firma“ repräsentieren. Natürlich durchschauen alle den Trick sofort und jene, denen man zu klein ist, nehmen einen sowieso nicht.

Ob „personal“ oder „corporate“ – das mag von der jeweiligen Situation abhängen.

Wir erleben im Alltag, dass beides funktioniert:

  • „Gute Neuigkeiten. Wir haben den CFO von XY für uns gewinnen können (den persönlich kein Mensch kennt)“: Firmen-Marke strahlt auf Person ab.
  • Oder: „Hast du gehört? Der XY hat eine neue Firma gegründet (für deren Namen sich niemand interessiert)“: Personen-Marke strahlt auf Firma ab.

Und welchen Rat gibst Du daher heute Deinen Klienten?

„Kümmern Sie sich weniger um Ihre Market als um Ihre Produkte, Dienstleistungen und Kunden. Arbeiten Sie so, dass andere über sie sprechen. Und dann nehmen Sie als Marke das, was Ihre Kunden und Geschäftspartner nehmen, wenn diese über sie reden: Das Unternehmen – oder die Person dahinter.“

Denn am Ende gehört denen sowieso Ihre Marke.

 

Hinweise:

[1] Weitere Informationen zu Heiko Rössel finden Sie auf seiner Website und auf LinkedIn. Im t2informatik Blog hat er Beiträge über die Positionierung von Selbstständigen und das Paris-Modell veröffentlicht. Hier finden Sie eine Übersicht.
[2] Weitere Informationen zu Dr. Tanja Bernsau finden Sie auf ihrer Website und auf LinkedIn. Im t2informatik Blog hat sie einen Beitrag über Introvertiert im Marketing veröffentlicht.
[3] Weitere Informationen zu Alex Rammlmair finden Sie auf seiner Website und auf LinkedIn. Im t2informatik hat er Beiträge über langfristige Ziele, ausbleibende Bewerbungen von Softwareentwicklern und die Abkehr von agiler Softwareentwicklung veröffentlicht. Hier finden Sie eine Übersicht.

„Bin ich eine Personal Brand?“, hatte ich mein Netzwerk gefragt. 70 % stimmten mit Ja, 30 % mit Nö. Persönlich würde ich zu 100 % sagen: Nein! Und das ist auch vollkommen in Ordnung!

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Michael Schenkel
Michael Schenkel

Leiter Marketing, t2informatik GmbH

Michael Schenkel hat ein Herz für Marketing - da passt es gut, dass er bei t2informatik für das Thema Marketing zuständig ist. Er bloggt gerne, mag Perspektivwechsel und versucht in einer Zeit, in der vielfach von der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne von Menschen gesprochen wird, nützliche Informationen - bspw. hier im Blog - anzubieten. Wenn Sie Lust haben, verabreden Sie sich mit ihm auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen; mit Sicherheit freut er sich darauf!