Führung und Selbstführung im Projektmanagement
Projektführung ohne Selbstführung funktioniert nicht!
Wie wäre es, wenn jeder Mensch, der Projekte führt, eine Schule der Selbstführung durchlaufen würde?
Vielleicht erzeugt das Wort „Schule“ ein seltsames Gefühl in Ihnen? Vielleicht denken Sie jetzt, „das brauche ich nicht!“?
Was Sie denken und fühlen, sagt etwas über Sie selbst aus! Wenn Sie kurz innehalten und Ihre Reaktion auf meine Worte beobachten, dann sind wir bereits mitten im Thema Selbstführung.
Schule der Selbstführung
Wie könnte diese Schule der Selbstführung aussehen, aus der wir gestärkt herausgehen, um tolle Projekte und Teams zu führen?
- Ein virtueller Ort, an dem Lernende zusammenkommen und in die eigene Tiefe schauen.
- Ein Ort, an dem ich mir Zeit nehme für individuelle Reflexion und für meine Selbstwahrnehmung.
- Ein Ort, an dem ich Anleitung finde, meine persönlichen Grenzen zu überschreiten, genauer hinzuschauen und zu wachsen. Dort werde ich mir meiner absoluten Eigenverantwortung bewusst und lerne Verantwortung für all meine Gefühle und Gedanken. Aufbauend darauf lerne ich was Selbststeuerung und Proaktivität wirklich bedeuten und welche Gestaltungskraft in mir selbst liegt.
Wie lange müsste diese Schule wohl dauern?
Selbstführung ist lebenslanges Lernen und ein ständiger, persönlicher Prozess des sich entwickeln und wachsen. Sie dient uns bewusster zu sein in unserem Denken, Fühlen und Handeln. Und ganz wichtig: sie ist kein Selbstläufer!
Es liegen Schätze in uns, die wir bergen können und die uns unterstützen, besser zu führen. Jeder Mensch, der Projekte führt, weiß um die Besonderheit von persönlichen Befindlichkeiten und wie sich das auf den Projekterfolg auswirken kann.
- Projektmanager kennen Widerstände von Stakeholdern, weil das Ziel als nicht erreichbar oder die Umsetzung als nicht gut angesehen wird.
- Überforderung im Team, weil die Fülle der täglichen Aufgaben nicht zu schaffen ist.
- Ärger über Kollegen, die nicht richtig verstehen oder die erforderlichen Ergebnisse noch nicht geliefert haben.
Geht es um „Recht haben“ oder um die Lösung?
Betrachten wir die Besprechungen, in denen es um „Recht haben“, statt um eine Lösungsfindung geht. Termine in denen sich jemand so angegriffen fühlt, dass keine sachliche Lösung mehr möglich ist. Oder die Resignation der Person, die sich nie gehört fühlt.
All diese persönlichen Befindlichkeiten kosten Zeit und hemmen die Erfolgskraft im Projekt und damit die Zielerreichung. Wie gehen wir damit um?
Es braucht Klarheit im Erkennen, Führung und gute, authentische Kommunikation!
Machen wir einen gedanklichen Switch zu einem Menschen, der die Schule der Selbstführung besucht hat:
Dieser Mensch ist erkennbar an
- der Stärke seiner Gestaltungskraft,
- an der Art und Weise, wie er über eigene Fehler und auch Erfolge spricht,
- an dem Bewusstsein und der Aufmerksamkeit, mit dem er sein Umfeld und das Team wahrnimmt,
- an der Klarheit seiner Ziele und Worte,
- an der Wertschätzung im Umgang mit anderen Menschen,
- an der Freude mit der er seine Aufgabe erfüllt,
- an der Kommunikationsfähigkeit und nicht zuletzt
- an seiner Resilienz!
Es gibt folglich viele gute Gründe, sich auf den Weg zu machen und der Selbstführung mehr Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen, um Projekte besser zu führen.
Führung im Projekt
Einer meiner Sätze in Seminaren zum Thema Projektführung lautet: „Der Projektmanager führt durch alles im Projekt, doch er führt nicht alles selber durch! Denn wer alles selber macht, statt zu führen, wird in größeren Projekten schnell an Grenze stoßen.“
Vielleicht kennen Sie dies aus eigener Erfahrung oder konnten solche Situationen bereits bei der einen oder anderen Führungskraft beobachten. Sehr häufig treten solche Verhaltensweisen zu tage, wenn jemand fachlich viel übernehmen kann und ihm genau das einfacher erscheint, als Fähigkeiten zu vermitteln oder Kompetenzen zu übertragen; kurzum: das Projekt und die Projektbeteiligten zu führen.
Werfen wir einen Blick auf die Vielfalt der Aufgaben eines Projektmanagers:
Was für ein genialer, vielseitiger und anspruchsvoller Job, oder?
Offensichtlich ist er Einfluss- und Gestaltungsbereich von Projektmanagern sehr groß. Die Kommunikation mit allen relevanten Stakeholdern, also alle Beteiligten und Betroffenen, sowie die Prozesse und Bereiche, die das Projekt berühren, die Steuerung des Projekts mit Aufgaben und Terminen, das Ziel stets im Blick – vielseitiger geht es kaum. Und hier gilt es eine zweite Herausforderung beim Führen von Projekten und Projektbeteiligten zu meistern: Mikromanagement.
Mikromanagement lässt sich häufig in der Praxis beobachten und ist vermutlich genau das Gegenteil einer weit- und umsichtigen Projektführung. Mikromanagement untergräbt häufig jeglichen Sinn, den Beteiligte mit einem Projekt verbinden. Dementsprechend leidet oftmals die Motivation, Konflikte entstehen und das Ziel des Vorhabens gerät aus dem Blickfeld.
Wie schön wäre es, wenn Projektmanager ihre Führungs- und Gestaltungskraft mit Weitblick kombinieren würden!
Effekte der Selbstführung in der Projektführung
Aus der Führung von Unternehmen, Menschen und Teams wissen wir, dass Führung und Selbstführung untrennbar sind. Wie will ich etwas führen, wenn ich mir selbst nicht vertraut bin, wenn ich mich selbst nicht führen kann? Das geht nicht gut!
Wenn wir uns auf den Weg machen, uns jeden Tag besser selbst zu führen und uns mehr und mehr kennen zu lernen, wird das ganz direkte Auswirkungen auf unsere Projektführung haben.
- Wie reagiere ich unter Druck?
- Welchen Raum und Rahmen benötige ich, um kreative Lösungen zu finden?
- Welche Worte triggern mich?
- Was kostet mich Kraft?
- Was stärkt meine Kraft?
- Wann wird aus mehr und mehr Arbeiten Unproduktivität?
- Was traue ich mich nicht auszusprechen?
- Was vermeide ich?
- Welche Zweifel und Ängste sind in mir?
Das sind nur kleine Beispiele, die verdeutlichen sollen, wie umfassend das Feld der Selbstführung ist und welche Schätze darin für die Projekt- und Teamführung liegen!
Selbstführung ist natürliche Mindset-Arbeit und wir können beobachten, wie sich Schritt für Schritt unsere Denkweise verändert und wir jeden Tag etwas besser werden. Was wir in uns selbst erkannt und geklärt haben, erkennen wir in der Folge sehr schnell und leicht in anderen. Wir können sodann als Führungskraft im Projekt viel besser wirken:
- In Meetings stellen wir fest, dass wir schneller auf den Punkt kommen oder Menschen besser abholen und einbinden können.
- Wir beobachten an uns selbst, wie wir uns klarer ausdrücken, weil wir unserer Selbst bewusster geworden sind.
- Wir können andere leichter abholen, erkennen welche Qualitäten wir einbringen und welche Qualitäten der andere hat.
Auf dem Weg der Selbstführung werden wir viele Seiten erkennen, die uns erstaunen, die wir vielleicht sogar ablehnen und das macht uns als Führungskraft klarer und auch milder!
Projektführung beginnt bei mir selbst!
Stellen wir uns ein IT Projekt mit einem sehr ambitionierten Ziel vor. Gemeinsam mit der Geschäftsführung präsentieren Sie dieses Projekt im Kick-off Meeting. Der ein oder andere Teilnehmer drückt aus, dass die Zeitschiene kaum zu halten ist, oder dass das Team vielleicht noch gar keine Vorstellung davon hat, wie das Ziel überhaupt erreichbar sein soll.
In der Projektführung ist es Ihre Aufgabe, alle im Team mitzunehmen, dem Projekt eine gute Ausrichtung zu geben, das Team zu verbinden und das Ziel zu stärken! Sie werden Meilensteine und ein Vorgehen entwickeln, um gemeinsam mit dem Team das Ziel erreichen zu können. Doch egal welche Methoden im Projektmanagement Sie beherrschen und nutzen, es wird in einem solchen Projekt immer Herausforderungen geben:
- Abhängigkeiten, die zum Start nicht bedacht wurden.
- Rahmenbedingungen, die sich verändern.
- Ausfälle im Team.
- Komplexität, die unterschätzt wurde.
Wie gehen Sie damit um, wenn Sie Sie aus Druck, Stress, Zweifel und geringer Empathie reagieren? Und wie sähe die gleiche Situation aus, wenn Sie eine klare Projektführung und eine reflektierte Selbstführung trainiert haben?
Ich lade Sie hier zu einer Reflexion ein. Machen Sie eine kleine Übung und beobachten Sie am heutigen Tag:
- Was stärkt Ihre Kraft und was schwächt sie?
- Beobachten Sie Ihr Denken und Ihr Fühlen in Begegnungen und Meetings, in Telefonaten und während der vielen Aufgaben des Tages.
- Beobachten Sie auch, wo Ihnen Hürden, Blockaden, Widerstände, Zweifel, Kompliziertheit, Verletztheit, Ablehnung begegnen – in anderen und in sich selbst.
Dehnen sie die Übung danach gerne auf die nächsten 21 Tage aus und beobachten Sie die Veränderung, in dem Sie täglich kurz notieren:
- Das stärkt meine Kraft! Und jenes schwächt meine Kraft!
Wenn Sie selbst genau wissen, was Sie begeistert und auch was Sie vielleicht verletzt oder Ihre Kraft schwächt, können Sie Projekte und Teams besser führen. Versprochen.
Fazit
Projektmanagement ist eine Führungsaufgabe! Wer Projekte, Termine, Verträge, Ressourcen nur verwaltet, versäumt somit den wichtigsten Teil des Projektmanagements: die Führung!
Selbstführung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für Projektführung und ein Prozess des lebenslange Lernens! Wir schaffen damit mehr und mehr:
- Vertrauen und innere Beweglichkeit.
- Resilienz und Adaptionsfähigkeit.
- Mut und klare Kommunikation
Ich wage sogar zu behaupten, dass wir glücklichere Führungskräfte und Projektmanager sind, wenn wir uns auf den Weg machen und die Schule der Selbstführung absolvieren.
Hinweise:
Machen Sie einen kurzen PM-Check zum Thema Selbstführung:
Die nachfolgenden Aussagen können Sie persönlichen prüfen. Wenn sie bei drei und mehr zustimmen, dann gibt es Handlungsbedarf:
- Andere Menschen (Mitarbeiter im Team, Kollegen, Kunden) erledigen ihre Aufgaben nicht.
- Das Hamsterrad ist meine Realität. Bereits erledigt gedachte Themen landen immer wieder bei mir.
- Im Stillen habe ich bereits bei einigen Themen resigniert.
- Es erscheint mir fast unmöglich den Überblick zu halten über die Vielfalt der Themen und Projekte.
- Der Sinn meines Handelns ist mir abhandengekommen.
- Ich übernehme viele Themen selbst und diese Kompensation bringt mich immer wieder in die Zeitfalle.
- Für einen regelmäßigen Status fehlt mir die Zeit, werde ich gefragt, kann ich die Themen nicht auf den Punkt bringen.
- Meine Kommunikation funktioniert nicht wirklich gut.
- Aufgaben werden falsch verstanden.
- Persönliche Befindlichkeiten führen immer wieder zu Störungen im Projekt.
- Im Alltag kann ich oft nur reagieren, weil ständig Dringendes dazwischenkommt.
- Persönliche Grenzen werden durch ein Gefühl von ZUVIEL spürbar.
- Die Fülle der Themen und Termine sorgt für großen Stress in mir.
- Ich spüre oft an meiner Reaktion, dass diese nicht wirklich zur Situation passt.
- Ich hege Zweifel an der Erreichbarkeit meiner eigenen (Projekt-)Ziele.
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Katja Schäfer hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u.a.
Katja Schäfer
Katja Schäfer ist Beraterin für komplexe Healthcare-IT Großprojekte im deutschsprachigen Raum. In ihren Coachings, Seminaren und Trainings geht sie neue Wege im Projektmanagement und bringt Struktur, Klarheit und Erfolg in große Projekte. Durch Projektkrisen führt sie mit reicher Erfahrung und systemischer Arbeit.