Jigsaw-Methode
Jigsaw-Methode – ein kooperatives Gruppenpuzzle
Die Jigsaw-Methode ist eine kooperative Lerntechnik, die 1971 von Elliot Aronson und Studenten der Universität von Texas in Austin, USA entwickelt und später unter anderem in dem Buch „Cooperation in the Classroom“¹ vorgestellt wurde. Ziel war es, die gegenseitige Abhängigkeit und die Zusammenarbeit zwischen Schülern zu fördern und gleichzeitig das Verständnis von Lerninhalten zu verbessern.
Elliot Aronson, ein Sozialpsychologe, entwickelte die Jigsaw-Methode, um Vorurteile und die Diskriminierung in Schulen anzugehen.² Die Methode ist kein abstrakter sozialpsychologischer Rahmen, der entwickelt wurde, um Beziehungen zwischen Gruppen oder Individuen zu erklären, sondern eine Strategie, die als Reaktion auf einen unmittelbaren Bedarf an sozialen Maßnahmen entwickelt wurde. Aronson war der Ansicht, dass die Schüler durch die Förderung positiver Beziehungen und den Abbau von Stereotypen ein größeres Einfühlungsvermögen und mehr Respekt füreinander entwickeln würden.
Elliot Aronson begründete die Nützlichkeit seiner Jigsaw-Methode – im Deutschen manchmal auch als Puzzle-Methode oder Gruppenpuzzle bzw. Gruppenpuzzle-Methode bezeichnet³ – mit drei pädagogischen Prinzipien:
- Kooperatives Lernen fördert prosoziale Verhaltensweisen, was zu einer höheren Wertschätzung zwischen den Beteiligten führt. Jeder einzelne ist Teil des Ganzen und gemeinsam meistern die Beteiligten eine Aufgabe oder ein Thema.
- Lernen durch Lehren verstärkt die Nachhaltigkeit des Lernens, da das Erläutern von Gelerntem besonders nachhaltig wirkt.
- Soziale Kohäsion bzw. der Gruppenzusammenhalt wird gestärkt, wenn die Identifikation und die Verantwortung des Einzelnen mit der und für die Gruppe steigt. Wichtig für den Zusammenhalt ist die sogenannte „strukturierte Interdependenz“, die bspw. durch gemeinsame Ziele, Anreize oder komplementäre Teile von Aufgaben erzeugt werden kann.
Der Ablauf der Jigsaw-Methode
Die Jigsaw-Methode besteht aus folgenden Schritten:
- Die Lernenden finden sich zu sogenannten – oftmals auf längere Zeit angelegte – Stammgruppen zusammen. In einer Schule ist das häufig der Klassenverbund, im Studium könnte es sich um verschiedene Gruppen innerhalb eines Studienfachs handeln, und in Unternehmen könnten es bspw. Fachbereiche sein.
- Jedes Mitglied einer Stammgruppe übernimmt die Verantwortung für ein Thema oder Teilthema.
- In Einzelarbeit informiert sich jedes Mitglied zu seinem Thema. Nach einer vereinbarten Zeit trifft sich die Stammgruppe wieder und die Erkenntnisse werden präsentiert. Ziel ist es, mögliche Frage in der Stammgruppe zu identifizieren, die in der Folge im Austausch mit „Experten“ aus anderen Stammgruppen thematisiert werden sollen.
- Es folgt ein themenbezogenes Treffen der Vertreter bzw. Experten jeder Stammgruppe – die sogenannten Expertengruppen tauschen sich gemeinsam über offene Fragen aus. Ziel ist es hier, alle Fragen der Stammgruppen zu beantworten, miteinander zu diskutieren, voneinander zu lernen und gemeinsam auf ein höheres Expertenniveau zu gelangen.
- Anschließend kehren die Experten in ihre Stammgruppen zurück und berichten von den Erkenntnissen. Das Wissen verteilt sich in der Organisation.
Vorteile und Herausforderungen der Jigsaw-Methode
Einige der wichtigsten Vorteile der Jigsaw-Methode sind:
- Die Methode ermöglicht es den Beteiligten, verschiedene Aspekte eines Themas zu erforschen und zu lehren, was zu einem tieferen Verständnis des Themas führt.
- Sie ermutigt die Beteiligten zur Zusammenarbeit und fördert Kooperation statt Konkurrenz.
- Sie kompensiert einen Nachteil der klassischen Gruppenarbeit: die Möglichkeit für einzelne Lernende, sich in der Gruppe zu verstecken und dadurch die eigenen Lernaktivität zu reduzieren. Lernende übernehmen die Verantwortung für einen inhaltlichen Teil und dessen Weitergabe an die anderen Lernenden der jeweiligen Stammgruppe.
- Zudem führt das aktive Einbeziehen der Teilnehmer in den Lernprozess ggf. zu einem höheren Maß an Engagement und Motivation, und trägt innerhalb der Gruppen zur Veränderung der Atmosphäre von konkurrierend (eine negative Orientierung) zu kooperativ (eine positive Orientierung) bei.
- Und zu guter Letzt fördert die Methode idealerweise Respekt, Einfühlungsvermögen und Wertschätzung, indem sie Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Werten, Erfahrungen und Einstellungen zusammenbringt.
Die Umsetzung der Jigsaw-Methode kann jedoch auch gewisse Herausforderungen mit sich bringen:
- Die Koordination der Gruppendiskussionen und die Sicherstellung, dass jeder die Möglichkeit erhält, einen Beitrag zu leisten, kann für die Lehrkräfte in den Schulen oder Universitäten oder die Organisatoren bzw. Moderatoren sehr zeitaufwändig sein.
- Einige (extrovertierte) Teilnehmer können die Gruppendiskussionen dominieren, während es anderen (introvertierten) Teilnehmern schwerfällt, sich aktiv zu beteiligen. Auch die Themenzuordnung und die Verantwortungsübernahme klingen möglicherweise in der Theorie einfacher als die Umsetzung in der Praxis.
- Es kann sein, dass sich die Beteiligten anfangs unwohl fühlen, wenn sie mit „unbekannten“ Personen, mit Menschen mit unterschiedlicher Herkunft oder mit unterschiedlichen Lernstilen zusammenarbeiten. Dieses Unbehagen lässt sich nicht immer kurzfristig überwinden.
- Zudem kann sich die Anzahl von Gruppenmitgliedern unterscheiden, so dass möglicherweise nicht immer ein Gruppenvertreter in eine Expertengruppe entsandt werden kann. In gewisser Weise geht das Gruppenpuzzle nicht auf.
Kurzum: Die Methode bietet mehr Verantwortungsübernahme, sorgt für ein besseres Verständnis ausgewählter Themen und kann zu einem verbessertem Klima zwischen den Beteiligten beitragen. Wichtig ist dabei, auf die Teilnehmer individuell zuzugehen, und ihnen die Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung anzubieten, ohne sie dabei zu überfordern. Das kann in der Praxis ein schmaler Grat sein.
Impuls zum Diskutieren
Die Jigsaw-Methode kann in verschiedenen Bildungsbereichen und Fächern angewendet werden. Relativ häufig wird sie in amerikanischen Schulen und Universitäten angewandt, sie kann aber auch für Workshops oder Schulungen zur beruflichen Weiterbildung eingesetzt werden. Zentraler Bestandteil ist, dass jedes Mitglied einer Stammgruppe die Verantwortung für ein Thema oder Teilthema; könnte dies evtl. in Unternehmen zur Schaffung von Wissens-Silos beitragen?
Hinweise:
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[1] Elliot Aronson, Shelley Patnoe: Cooperation in the Classroom: The Jigsaw Method
[2] Elliot Aronson bezeichnete die Methode als „cross-curricular“, also auf alle Schulfächer anwendbar. Klaus Konrad und Silke Traub wiesen 2001 in Kooperatives Lernen. Theorie und Praxis in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung darauf hin, dass die Methode auch an Hochschulen und in der Erwachsenenbildung funktioniert. Und wenn es in der Erwachsenenbildung funktioniert, funktioniert es auch in Unternehmen. Ein Beispiel, bei dem ein „Experte“ von einem Team sich mit anderen Experten anderer Teams austauscht ist Scrum of Scrums.
[3] Jigsaw bedeutet ins Deutsche übersetzt Stichsäge, Laubsäge oder eben Puzzle.
Ein ähnlicher Ansatz wie die Jigsaw-Methode bzw. das Gruppenpuzzle ist die Think-Pair-Share-Technik. Bei der Think-Pair-Share-Methode denken Schüler individuell über eine Frage oder ein Problem nach, bilden Paare, um ihre Gedanken zu besprechen, und teilen dann ihre Ideen mit der ganzen Klasse. Während bei beiden Methoden die Zusammenarbeit und das Engagement der Schüler im Vordergrund stehen, konzentriert sich die Jigsaw-Methode mehr auf die Aufteilung des Fachwissens unter den Gruppenmitgliedern und die Schaffung von gegenseitiger Abhängigkeit, während sich Think-Pair-Share auf die individuelle Reflexion und die anschließende Zusammenarbeit der Schüler konzentriert.
Weitere Informationen zur Methode, zu Hintergründen und Elliot Aronson finden Sie auf Jigsaw Classroom. Sehr empfehlenswert!
Hier finden Sie ein Video mit Anleitung zum Gruppenpuzzle.
Und hier finden Sie ergänzende Informationen aus unserem t2informatik Blog: