Design Debt

Wissen kompakt: Design Debt bezeichnet Mängel in der Benutzerfreundlichkeit eines Produkts, die sich aus Kompromissen im Laufe einer Entwicklung ergeben.

Design Debt – Angesammelte Schulden im Designprozess

“Design Debt sind all die guten Designkonzepte von Lösungen, die man ausgelassen hat, um kurzfristige Ziele zu erreichen. Das sind all die Ecken und Kanten, die man während oder nach der Designphase übersprungen hat, die Momente, in denen jemand gesagt hat: ‘Vergiss es, lass es uns auf einfache Weise machen, die Benutzer werden es schon hinbekommen.'”¹

Diese Umschreibung geht auf Ward Cunningham, einem der 17 Autoren des Agilen Manifests und der Erfinder des Wiki-System, zurück. Cunningham prägte auch die Metapher der technischen Schulden, die zukünftige, zusätzliche Aufwände als Folge der Lieferung von nicht perfekten Produkten in der Gegenwart beschreiben.² Design Debt sind eine Art bzw. Ausprägung von technischen Schulden; konsequenterweise handelt es sich also um im Designprozess angesammelte Schulden, die häufig im Laufe einer Entwicklung beglichen werden müssen.

Gründe für Design Debt

Es gibt eine ganze Reihe von Ursachen und Gründen, die über die “einfache” Umschreibung von Ward Cunningham hinausgehen. Design Debt kann bspw. entstehen, wenn

  • Design-Entscheidungen durch technische Einschränkungen oder Zwänge beeinflusst werden.
  • Designer aufgrund begrenzten Ressourcen oder widersprüchlichen Anforderungen Kompromisse eingehen müssen.
  • Zeitmangel dazu führt, dass der Designprozess nicht iterativ durchlaufen oder gründlich getestet werden kann.
  • Stakeholder der Benutzererfahrung keine entsprechende Bedeutung beimessen.

Etwas abstrakter formuliert gibt es verschiedene Ausprägungen von Design Debt:

Vorsätzliches Design Debt: Eine absichtliche Verschuldung kann einem Unternehmen schnelle “Gewinne” bescheren. Das Team trifft die bewusste Entscheidung, das Produkt oder eine Produktversion so früh wie möglich auf den Markt zu bringen, wenn die angenommenen Vorteile dieser Entscheidung mögliche Kosten, die mit der Beseitigung der Entwurfsschulden zu einem späteren Zeitpunkt verbunden sind, überwiegen.³

Vorsätzliches Design Debt fällt auch häufig an, wenn absichtlich konventionelle Designansätze ignoriert werden. Dies lässt sich häufig bei Hackathons, Innovationssprints oder Community-Entwicklungen beobachten.

Unbeabsichtigtes Design Debt: Ungewollte Entwurfs- bzw. Designschulden können durch Inkompetenz und mangelnde Erfahrung entstehen. Das Team “verschuldet” sich, ohne sich dessen bewusst zu sein und ohne die Konsequenzen zu bedenken. Mit dieser Art von Schulden sind häufig Unternehmen in einer schnell wachsenden Phase konfrontiert. Natürlich sollte dies nicht so sein, tatsächlich passiert es aber häufiger als man denken mag.

Interessanterweise kann es auch die Kombination dieser Ausprägungen geben: Es handelt sich dabei um Schulden, die sich im Laufe der Existenz eines Produkts durch die sich ändernden Marktanforderungen ansammeln. Die Entwickler haben zwar gute Arbeit geleistet, rückblickend erkennen sie aber, wie das Design hätte sein sollen. Diese Beobachtung führt zur Erkenntnis, dass sich Designschulden – ähnlich wie technische Schulden – nicht vermeiden lassen; entsprechend kann man auch unvermeidbares Design Debt als Ausprägung deklarieren.

Vorteile und Nachteile bei Design Debt

Es gibt im Wesentlichen zwei Szenarien oder Vorteile, die für das vorsätzliche Eingehen von Design Debt sprechen:

  • Die Akzeptanz einiger Designschulden zu Beginn eines Projekts kann den anfänglichen Entwicklungsprozess beschleunigen, sodass ein Produkt schneller auf den Markt kommen kann.
  • Und auch bei der Erstellung von Prototypen oder Proof-of-Concepts ist es oft akzeptabel, vorübergehend Designschulden einzugehen, um Ideen schnell zu erproben.

Demgegenüber stehen aber einige gewichtige Nachteile:

  • Im Laufe der Zeit wird es immer schwieriger und zeitaufwändiger, Änderungen und Verbesserungen am Design vorzunehmen, was langfristig zu höheren Wartungskosten führt. (Um in der Metapher zu bleiben: Die Zinslast wird zu hoch.)
  • Entwurfsschulden können künftige Entwicklungsanstrengungen verlangsamen, da die Entwickler zunächst bestehende Probleme beheben müssen, bevor sie neue Features implementieren können.
  • Design Debt führen häufig zu mehr Bugs, wodurch die Gesamtqualität der Software sinkt.
  • Summieren sich die Designschulden, leidet die User Experience erheblich. Schnell projizieren User die Qualität des Designs bzw. des Produkts auf die Marke, schnell schwindet das Vertrauen in das Unternehmen. Verlorenes Vertrauen führt zu einem geringeren Engagement. Geringeres Engagement führt ggf. dazu, dass Anwender anderen Personen abraten, das Produkt oder andere Produkte des Herstellers zu nutzen. Aua!

Und zu guter Letzt kann ein schlechtes, inkonsistentes Design eines Produkts dazu beitragen, dass qualifizierte Entwickler ein Unternehmen verlassen oder andere Entwickler davor zurückschrecken, für das Unternehmen tätig zu werden, da die Beseitigung von Design Debt häufig sehr frustrierend und demotivierend ist.

Design Debt - Angesammelte Schulden im Designprozess

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Impuls zum Diskutieren:

Regelmäßige Design Reviews gelten als wirksames Mittel gegen Design Debt. Lohnt sich für solche Reviews die Verwendung einer Checkliste?

Hinweise:

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[1] Im Original lautet der Text: “Design Debt is all the good design concepts of solutions that you skipped in order to reach short-term goals. It’s all the corners you cut during or after the design stage, the moments when somebody said: ‘Forget it, let’s do it the simpler way, the users will make do.'”
[2] Ward Cunningham: Debt Metaphor
[3] Dieser Ansatz ähnelt dem Konzept eines Minimum Viable Products (MVP), bei dem ein Team bei langfristigen Fragen Kompromisse eingeht, um ein Produkt schneller auf den Markt zu bringen. In der Praxis kann es in der Folge sinnvoll sein, eine “Zinszahlung” im Voraus einzuplanen, sprich in nachfolgenden Iterationen, Zeiträume für entsprechende Produktverbesserungen vorzusehen.

Martin Fowler – ein weiterer Erstunterzeichner des Agilen Manifests und anerkannter Experte der objektorientierten Analyse und Design – definiert den sogenannten Technical Debt Quadrant:

  • deliberate and reckless (bewusst und rücksichtslos) – We don’t have time for design
  • deliberate and prudent (bewusst und umsichtig) – We must ship now and deal with consequences
  • inadvertent and reckless (versehentlich und rücksichtslos) – What’s layering?
  • inadvertent and prudent (versehentlich und umsichtig) – Now we know how we should have done it.

Dieser Technical Debt Quadrant lässt sich auch auf Design Debt anwenden.

Hier können Sie sich unseren kostenlosen Technische Schulden Guide herunterladen.

Und hier finden Sie ergänzende Informationen aus unserer Rubrik Wissen kompakt:

Wissen kompakt: Was ist Pair Programming?

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Wissen kompakt: Was ist Code Ownership?

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