BANI
Wissen kompakt: BANI steht für Brittle, Anxious, Non-linear und Incomprehensible (also brüchig, ängstlich, nicht-linear und unbegreiflich). Es gilt als Sensemaking Model, das in chaotischen Zeiten Orientierung bietet.
BANI – den Wandel begreifbar machen
Viele Unternehmen machen Erfahrungen mit Märkten, deren Bedingungen nicht mehr nur instabil, sondern fast schon chaotisch sind. Sie merken, wie einzelne Aktionen weltweite Effekte nach sich ziehen. Sie machen sich Sorgen, dass alle Entscheidungen, die sie treffen, falsch sein könnten. Sie sind nicht mehr in der Lage, Ursache und Wirkung nachzuvollziehen, da diese in keinem bekannten Verhältnis stehen. Solche Unternehmen erleben: BANI.
BANI ist ein Akronym und steht für:
- Brittle – brüchig, porös
- Anxious – ängstlich, besorgt
- Non-Linear – nicht-linear
- Incomprehensible – unbegreiflich, unverständlich
BANI ist ein sogenanntes Sensemaking Model¹ – manchmal wird auch von einem BANI Framework² gesprochen. Es versucht, den Wandel, in dem sich vieles befindet, greifbar zu machen und in Worte zu fassen.
BANI im Detail
Wofür stehen die einzelnen Buchstaben in BANI?
B wie Brittle besagt, dass Strukturen und Systeme, die steif und wenig anpassungsfähig sind, brüchig und porös werden. In der Physik brechen starre Objekte schnell unter großem Druck. Systeme in der Geschäftswelt sind häufig auf eine Gewinnmaximierung ausgerichtet und gehen dafür an ihre Belastungsgrenze. Auch bedingt durch vergangene Erfolge wirken solcher Systeme nach außen stark, im Inneren sind sie aber oftmals schwach und brüchig. Beobachten lässt sich dies bspw. anhand hoher Fluktuationszahlen, bei der schwierigen Skalierung von Geschäftsmodellen oder bei zahlreichen Transformationsvorhaben, die viel Aufwand verursachen, aber wenig Wirkung entfalten.
A wie Anxious beschreibt eine Situation, in denen sich Organisationen – und die Menschen, die in und für die Organisation tätig sind – beim Treffen von Entscheidungen schwertun. In der Biologie ist Angst ein sinnvoller Ratgeber, denn er sorgt für eine Vermeidung von gefährlichen, oftmals lebensbedrohlichen Situationen. In der Geschäftswelt führt Angst häufig dazu, dass Entscheidungen aufgeschoben werden. „Lieber keine voreilige Entscheidung treffen als eine falsche“ scheint ein Kredo zu sein, das sich in Unternehmen beobachten lässt. Erkennbar ist dies bspw. an Geschäftsmodellen, die wenig zukunftssicher sind, oder an Projekten, die nicht abgebrochen werden, obwohl klare Indikatoren dafür sprechen.
N wie Non-linear besagt, dass der Zusammenhang von Ursache und Wirkung, von Aktion und Reaktion – auch bekannt als Wechselwirkungsprinzip bzw. drittes Newtonsche Gesetz – verloren geht. Übertragen auf die Geschäftswelt bedeutet dies, dass jegliche Aktion, jegliche Änderung, jegliche öffentliche Äußerung unvorhersehbare Folgen haben könnte. Alles ist mit allem verbunden, wenig lässt sich kausal in Beziehung setzen, es herrscht Ungewissheit. Unternehmen reagieren darauf mit Vermeidungsstrategien, mit zusätzlichen Planungsmeeting und rein sachlichen Entscheidungen.
I wie Incomprehensible beschreibt eine Situation, in denen Ereignisse, Maßnahmen und Entscheidungen unverständlich und unbegreiflich erscheinen. Zahlreiche Unternehmen agieren in solchen Situationen und sind abhängig von kurzfristig erlassenen Regeln durch die Gesetzgeber. Neue Marktregeln führen zu neuen Mechanismen und zu neuen Herausforderungen. Planungssicherheiten geht verloren. In gewisser Weise entsteht ein chaotisches System.
BANI und VUKA
Es gibt unterschiedliche Meinungen zum Verhältnis von BANI und VUKA. Das Akronym VUKA (Volatilität, Ungewissheit, Komplexität, Ambiguität) beschreibt eine sich schnell ändernde Geschäftswelt mit zahlreichen Herausforderungen für Unternehmen. Geht es nach dem Jamais Cascio, der die Logik von BANI begründet hat³, dann ist BANI eine logische Fortführung, eine Adapation von VUKA in die Gegenwart:
„Der Begriff VUKA ist klar, aussagekräftig und zunehmend veraltet. Wir sind inzwischen so sehr von einer VUKA-Welt umgeben, dass der Begriff weniger dazu dient, wichtige Unterschiede herauszuarbeiten, sondern einfach nur eine Beschreibung unseres Standardzustands darstellt. Die Verwendung des Begriffs „VUKA“ zur Beschreibung der Realität liefert immer weniger Erkenntnisse; eine Situation oder ein System als volatil oder mehrdeutig zu bezeichnen, sagt uns nichts Neues…
Mit einem neuen Paradigma brauchen wir auch eine neue Sprache. Wenn wir VUKA als unzureichend beiseitelegen, brauchen wir immer noch einen Rahmen, der nicht nur der gegenwärtigen Welt, sondern auch ihren aktuellen Folgen einen Sinn gibt. Ein solcher Rahmen würde es uns ermöglichen, das Ausmaß der Störungen, des Chaos, zu veranschaulichen und zu überlegen, welche Art von Reaktionen sinnvoll wären.“
Viele Anhänger von BANI teilen diese Ansicht. Es gibt aber auch gegenteilige Meinungen, die von einer Koexistenz der Ansätze sprechen. Folglich ist es nicht wichtig, sich für ein Modell zu entscheiden, sondern die Modelle entsprechend zu nutzen und mit ihnen zu agieren. Verordnet man VUKA in einem komplexen Umfeld, so ist ein exploratives Vorgehen sinnvoll. VUKA lässt sich mit mittels Vision, einem Verständnis der konkreten Situation, Klarheit und Agilität begegnen. BANI setzt hingegen im Chaos auf Transparenz und Intuition, auf Resilienz und Flexibilität, auf Achtsamkeit und Empathie. Idealerweise erhöht dies auch die Belastbarkeit des Systems.
Natürlich gibt es auch Experten, die VUKA und BANI als etwas sehr Ähnliches wahrnehmen. Non-Linearität und Mehrdeutigkeit (Ambiguität), Unbegreiflichkeit und Komplexität klingen zumindest artverwandt. Entsprechend agieren Menschen und Organisationen in einer volatilen, nicht-linearen, manchmal chaotischen, komplexen Welt, in der vieles ungewiss ist. Entsprechend müssen Systeme überdacht und Entscheidungen trotz aller Zweifel getroffen werden. Willkommen in der VUKA-BANI-Welt.
Impuls zum Diskutieren
BANI adressiert die chaotische Situation, in der sich „die Welt“ befindet. Aber ist die Welt bspw. für Unternehmen chaotisch oder ist sie schlicht so eng miteinander verzahnt, so dass kleine Ursachen große, manchmal unvorhersehbare Wirkungen entfalten?
Hinweise:
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[1] Sensemaking ist ein Konzept, das mit Karl Weick und seinen Arbeiten zum Organisationsverhalten in Verbindung gebracht wird. Es bezieht sich auf eine Reihe von Prozessen, mit denen versucht wird, das eigene Verständnis einer Situation zu verbessern: Sensemaking in Organizations (Foundations for Organizational Science)
[2] Framework als Begriff hat unterschiedliche Bedeutungen. Im Sinne eines Bezugssystems oder Erklärungsrahmens, könnte man BANI als Framework interpretieren.
[3] Jamais Cascio: Facing the Age of Chaos
Hier finden Sie ein Video zu BANI: Volatil war gestern, brüchig ist heute.
Hier finden Sie ergänzende Informationen aus dem t2informatik Blog: