Transparenz für den Lenkungsausschuss schaffen

Gastbeitrag von | 07.08.2023

Die Beziehung zwischen Projektleitung und Lenkungsausschuss ist nicht immer einfach. Manchmal arbeiten sie einträchtig Hand in Hand, manchmal sind sie sich spinnefeind und voll gegenseitiger Klagen. Damit Ihnen das mit Ihrem wichtigsten Partner im Projekt nicht passiert, finden Sie hier Tipps dafür, wie Sie Transparenz für dieses wichtige Gremium schaffen.

Die Rolle des Lenkungsausschusses

Der Lenkungsausschuss ist das Management-Gremium, in dem die zentralen Entscheidungen für das Projekt getroffen werden – denken Sie an Budget, Terminverschiebungen, personelle Änderungen, kritische Scope-Wechsel. Sein Auftrag ist vergleichbar mit dem für Sie als Projektleitung: dafür Sorge tragen, dass das Projekt zum Erfolg gelangt.

Die Mitglieder im Lenkungsausschuss sind in der Regel hochrangige Führungskräfte aus den vom Projekt betroffenen Abteilungen. Dazu kommen Vertreter:innen der beteiligten Dienstleister und natürlich Ihr:e Projekt-Auftraggeber:in.

Im Unterschied zu Ihnen ist in der Regel keines der Mitglieder operativ im Projekt tätig. Die Mitglieder sind also in einer reinen Überwachungs- und Steuerungsfunktion, und darauf angewiesen, von Ihnen als Projektleiter:in hinreichend Informationen zu bekommen, um sinnvolle und gute Entscheidungen für das Projekt zu treffen.

Für Sie ist der Lenkungsausschuss nicht nur lästiges Überwachungsgremium, sondern auch potentiell wichtiger Unterstützer und Ratgeber – nur hier bekommen Sie Freigaben für wichtige Änderungen im Projekt, zusätzliche Ressourcen und Rückendeckung für riskante Entscheidungen. Nutzen Sie diese Möglichkeit, und bauen Sie von Anfang an eine gute Beziehung zu den Teilnehmenden auf.

Die Rolle Projektleiter:in aus Sicht des Lenkungsausschusses

Als Projektleiter:in sind Sie für die Mitglieder des Lenkungsausschuss der wichtigste Kontakt zum Projekt. Für die Teilnehmenden sind Sie gleichzeitig Auftragnehmer, Vertreter:in des Projekt-Teams als Führungskraft, Sprachrohr und Beschützer:in, und Vermittler:in für das Verhältnis zwischen Projekt und Lenkungsausschuss.

Wenn Sie nicht transparent kommunizieren, hat der Lenkungsausschuss kein realistisches Bild von der Lage im Projekt und trifft potenziell die falschen Entscheidungen. Die Art und der Inhalt Ihrer Kommunikation sind also ausschlaggebend dafür, dass der Lenkungsausschuss überhaupt in der Lage ist, seine Arbeit gut zu machen. Inwiefern die Teilnehmenden dieser Aufgabe gerecht werden, liegt wiederum bei den handelnden Personen. Sicher kennen Sie ebenso viele Geschichten über Eitelkeiten, Choleriker und unsachliche Diskussionen im Lenkungsausschuss wie ich. Doch das sollte Sie nicht davon abhalten, Ihr Bestes zu tun.

Wie stellen Sie nun Transparenz her?

1. Sachlich und fachlich richtig berichten

Das klingt einfacher als es in der Praxis ist. Beispiel: Team A sollte diese Woche mit einem Inkrement fertig sein. Dann wurde der entscheidende Analyst krank, und deshalb hat sich das Ergebnis verzögert. Der Analyst ist seit heute wieder da, aber die Zeit wird knapp, um die Sache rechtzeitig fertig zu bekommen. – Ein klassischer Fall von „kriegen wir noch hin“. Wie kommunizieren Sie das im Lenkungsausschuss?

Sie können sich für einen grünen Projektstatus entscheiden, weil Sie darauf vertrauen, dass schon alles klappt. Oder für die transparente Variante mit dem gelben oder gelb-grünen Status, der dafür sorgt, dass es keine bösen Überraschungen gibt, die auf Sie zurückfallen, falls es eben nicht klappen sollte. Vor allem, wenn Sie ein großes Projekt mit vielen Teilprojekten leiten, müssen Sie Ihren Teilprojektleiter:innen die gleichen Maßstäbe vermitteln, die Sie selbst vertreten. Ansonsten bekommen Sie die positiv motivierte Variante von „kriegen wir noch hin“ als grünen Status und wundern sich später, wie es denn nur passieren konnte, dass das Projekt jetzt in der Krise steckt.

Als ich noch in der Buchhaltung war, hieß es immer, „Bilanzpolitik wird in der Finanzabteilung gemacht und nicht im Marketing“ – das bezog sich auf die Gutschriften von Lieferanten, die im Produktmanagement wochenlang gehortet wurden, bis es für das Abteilungsergebnis hilfreich war, sie an die Buchhaltung weiterzugeben.

Ähnliches gilt für das Verhältnis von Teilprojekten zu Gesamtprojekt: Nur wenn Sie als Projektleiter:in den tatsächlichen Überblick über den aktuellen Stand haben, können Sie auch entscheiden, was sie mit welcher Dramaturgie berichten.

2. Persönliche Entscheidung treffen

Falls Się Zweifel haben, ob das mit der Transparenz so eine gute Idee ist, sind Sie in guter Gesellschaft. Viele Projektleiter:innen fragen sich, ob sie damit nicht zu Mikromanagement durch die Mitglieder des Lenkungsausschusses einladen. Auch die Detailtiefe beim Status ist oft fraglich – wie viele Details braucht der Vorstand wirklich, um eine Entscheidung zu treffen? Wie so häufig kommt es darauf an – auf die Entscheidung und ihre Tragweite ebenso wie die persönlichen oder beruflichen Präferenzen der Entscheider:innen (Mathematiker, Aktuare und Juristen tendieren zu höheren Detail-Bedürfnissen als Marketiers und Vertriebsleiter).

Ein anderer Aspekt ist die Sorge, als Projektleiter:in schlecht dazustehen, wenn Sie ein schlechtes Projektergebnis berichten müssen. Denn das gehört mit zur Transparenz: Auch die schlechten Nachrichten werden transportiert. Ob es nun um miserable Testergebnisse oder negatives Kunden-Feedback aus der ersten Demo geht: Lösen Sie sich von der Idee, dass das sachliche Ergebnis etwas mit der Qualität Ihrer Projektführung zu tun hat. Wenn Sie den Sachstand offen darlegen, können Sie hinzufügen, welche Maßnahmen Sie und das Projektteam bereits ergriffen haben, was geplant ist und wofür Sie gegebenenfalls eine Bestätigung oder Freigabe vom Lenkungsausschuss benötigen. Damit zeigen Sie, dass Sie Ihr Projekt aktiv managen und nicht nur darauf warten, dass der Lenkungsausschuss tätig wird.

In jedem Fall sollten Sie sich mit Ihren Zweifeln aktiv auseinandersetzen und eine klare Entscheidung treffen. Sie legen damit Ihre Werthaltung fest, auf deren Grundlage Sie im Einzelfall nachjustieren können. Je nach Thema und Besetzung Ihres Lenkungsausschusses müssen Sie achtsamer mit Ihrer Wortwahl sein, wenn Sie das gleiche sachliche Ergebnis berichten, z.B. wenn Sie es mit aufbrausenden Teilnehmer:innen zu tun haben. Das gilt auch für die Überlegung, wie Sie die Diskussion aus dem Lenkungsausschuss wieder an Ihr Projektteam kommunizieren.

3. Klarheit schaffen in der Praxis

In der Praxis können Sie mit wenig Aufwand für Transparenz sorgen. Beispiel Status: Sprechen Sie im ersten Lenkungsausschuss oder schon in den Vorgesprächen über die Bedeutung der Symbole, Prozentsätze und anderen Merkmale im Status. Viele vermeintlich eindeutige Daten („80 % des Ergebnis ist erreicht“) basieren auf Schätzungen und Interpretationen. Klarer ist hier die Vereinbarung „Wenn die Prozess-Aufnahme stattgefunden hat, sind wir bei 20 %. Nach dem Design bei 40 %, nach Programmierung bei 60 %“, und so weiter.

Wenn Sie Entscheidungsvorlagen erstellen, nehmen Sie alle diskutierten Optionen mit in die Vorlage – auch die, die Sie im Team schon verworfen haben. Zeigen Sie auf, dass Sie an die anderen Optionen gedacht haben und begründen Sie, weshalb sie verworfen wurden. Dann haben Sie gute Chancen, dass Sie die Zeit im Lenkungsausschuss mit einer inhaltlichen Diskussion zu den verbleibenden Optionen verbringen und vielleicht direkt eine Entscheidung mitnehmen können. Ansonsten sind Sie mehr damit beschäftigt, die Frage „und haben Sie auch daran gedacht…?“ zu beantworten.

Unterschätzen Sie nicht, dass die Lenkungsausschuss-Mitglieder auch mitdenken wollen und gelegentlich frustriert sind, dass sie nicht auch operativ eingreifen können. Und nehmen Sie die Fragen nicht persönlich – es geht nicht immer darum, ob Sie auch kompetent sind, sondern um die Sorgfalt, rundum alle relevanten Faktoren für die Entscheidung im Projekt auf dem Radar zu haben.

Fazit

Wenn Sie sich für Transparenz entscheiden, können Sie offen kommunizieren – das allein ist schon ein Segen, denn Sie müssen viel weniger darüber nachdenken, wem Sie was wann wie verkauft haben. Vor allem aber zeigen Sie, dass Sie in der Lage sind, Probleme zu lösen und sprechen auf Augenhöhe mit den Teilnehmer:innen im Lenkungsausschuss. Damit haben Sie die besten Voraussetzungen dafür, dass Sie auch in kritischen Situationen im Projekt die Unterstützung erhalten, die Sie brauchen.

 

Hinweise:

Interessieren Sie sich für weitere nützliche Praktiken, mit denen Sie Ihren Zielen im Projekt näher kommen, dann sprechen Sie Angelika Collisi gerne an.

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Angelika Collisi hat im t2informatik Blog einen weiteren Beitrag veröffentlicht:

t2informatik Blog: Die spontane Rollenklärung

Die spontane Rollenklärung

Angelika Collisi
Angelika Collisi

Angelika Collisi coacht Führungskräfte, Projektleiter:innen und ihre Teams. Sie begleitet sie auf ihrem Weg zu erfolgreichen Projekten, guter Zusammenarbeit und glücklichen Kunden – ohne Dauerstress und Burnout. Sie ist Psychologin (M.A.) und hat eine Ausbildung im Holistischen Heilen absolviert. Sie ist zertifizierte Trainerin, Projektmanagerin sowie Business Analystin und hält einen Lehrauftrag für Sozialpsychologie an der Hamburger Fern-Hochschule.

Seit mehr als 15 Jahren unterstützt sie ihre Kund:innen bei ambitionierten Vorhaben von der SAP-Einführung bis zum globalen Pricing-Software-Rollout, vom schnell wachsenden Tech Start-up bis zum landesweiten Telemedizin-Projekt. Vor Beginn ihrer Selbständigkeit im Jahr 2008 war sie in verschiedenen Rollen im Projekt- und Change Management bei der TechData Corporation tätig. Seit 2016 ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der Pampiloxa GmbH.