Sprechen Sie über Bedürfnisse im Team?

Gastbeitrag von | 19.10.2023

Die Diskussion um die neue Generation und deren Bedürfnisse flacht nicht ab. Vielfach verurteilt, häufig missverstanden, oft falsch interpretiert. Ein Großteil der Unternehmen haben die Gen Z im Fokus, wenn es um das Thema Bedürfnisse geht. Sie versuchen sie mit allen möglichen Mitteln für sich zu gewinnen und vergessen dabei die anderen Generationen.

Ebenso versuchen viele krampfhaft mehr “New Work” in ihr Unternehmen zu bringen, zumindest oberflächlich. Wenn man nach dem Warum fragt, sind die Antwort meist die Gleichen: Fachkräftemangel, Unzufriedenheiten, Konflikte der Generationen.

Das Ganze gipfelt sich im Employer Branding und die Liste an Benefits wird so lange, dass niemand mehr schafft, sie zu Ende zu lesen. Doch sind die Mitarbeitenden erst einmal da, versagt dieses Pflasterkleben und für die bestehenden Mitarbeitenden ist dabei sowieso nichts drin.

Bedürfnisse in der Arbeitswelt

Unzufriedenheit, Fluktuation, Stress und Konflikte beruhen meist darauf, dass unsere Bedürfnisse nicht erfüllt sind.

Also um was geht es eigentlich?

Ziel ist es, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, dass Mitarbeitende dabei unterstützt, gut zu arbeiten und gute Ergebnisse und Erfolge für das Unternehmen zu erzielen. New Work und ebenso New Teamwork ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, zukunftsfähige Arbeitsorte zu gestalten, um als Unternehmen erfolgreich zu sein. Und dieser Erfolg ist von den Menschen und Teams im Unternehmen abhängig.

Warum sprechen wir anstatt über Benefits, nicht über die tiefergehenden Bedürfnisse? Denn dann würden wir langfristig etwas für die Mitarbeiterbindung, Zufriedenheit, Zusammenarbeit und somit auch für das Unternehmen und alle Generationen, die sich dort tummeln, tun.

Daher stellen sich die Fragen:

  • Was brauchen Sie, um gut zu arbeiten?
  • Was bewegt Menschen wirklich dazu, bei einem Unternehmen zu bleiben und all ihr Wissen und Können einzubringen?
  • Wie entsteht ein Arbeitsumfeld, das fernab von Benefits und schicken Büroräumen die Mitarbeitenden intrinsisch motiviert?
  • Wie entsteht ein wirklich gutes und leistungsfähiges Team?

Neu ist das nicht, dass unsere Bedürfnisse einen großen Einfluss haben, aber neu ist, dass dieses Thema Gehör findet. Was früher vielleicht ein paar Wirtschaftspsychologen und möglicherweise einige Coaches erzählt haben, findet endlich Anklang in den Unternehmen und seinen Platz in der Arbeitswelt.

Denn unseren intrinsischen Bedürfnissen sind die Gleichen, unabhängig von Generationen und der Anzahl von Benefits.

Intrinsische Bedürfnisse sind unser ureigener Antrieb, sie steuern unser Verhalten und bilden das Fundament zwischenmenschlicher Beziehungen. Außerdem haben sie einen direkten Einfluss auf die Leistung und das Wohlbefinden von Mitarbeitenden. Hierbei wird zwischen individuellen und kollektiven Bedürfnissen unterschieden.

Individuelle Bedürfnisse sind der Antrieb einer jeden einzelnen Person für ihre Motivation, ihr Handeln und ihre Entscheidungen.

Kollektive Bedürfnisse betreffen die Zusammenarbeit und haben einen direkten Einfluss auf den Erfolg eines Teams und somit des Unternehmens. Beispiele hierfür sind offene Kommunikation, klare Ziele, Vertrauen und ein Gefühl von Zugehörigkeit.

Die individuellen Bedürfnisse können sich von Person zu Person unterscheiden, und auch die kollektiven können in Teams variieren. Daher ist es notwendig Räume zu schaffen, um über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu sprechen.

Die Grundbedürfnisse in jedem Team

Es gibt drei psychologische Grundbedürfnisse, die in jeder Generation und in jedem Team bestand haben: Autonomie, Verbundenheit und Kompetenzerleben.

Die Autonomie bezieht sich im Arbeitskontext auf Selbstbestimmung. Es geht darum, selbst Entscheidungen zu treffen und unabhängig von anderen handeln zu können. Also die Kontrolle über den eigenen Arbeitsbereich zu haben.

Die Verbundenheit bezieht sich auf Nähe. Die Eingebundenheit im Team, die Beziehungen innerhalb des Teams, die Unterstützung und das Vertrauen.

Das Kompetenzerleben bezieht sich auf Wirksamkeit. Es geht um das Gefühl, die eigenen Fähigkeiten einbringen zu können, Aufgaben erfolgreich zu erledigen, abzuschließen und sich selbst weiterzuentwickeln.

Diese drei Grundbedürfnisse stammen aus der Selbstbestimmungstheorie von Edward Deci und Richard Ryan. Sie besagt, dass Menschen von Natur aus engagiert und auf Entwicklung ausgerichtet sind. Sie streben danach, sich in soziale Strukturen zu integrieren. Zudem besagt sie, dass Autonomie, Verbundenheit und Kompetenzerleben verantwortlich sind für die Motivation, das Wohlbefinden und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Sie bestimmen maßgeblich unser Verhalten. Sind diese Aspekte nicht gegeben, kann es zu negativen Folgen wie bspw. Antriebslosigkeit, Erschöpfung oder Gereiztheit kommen, und somit die Arbeitsmoral und Produktivität beeinflussen.

Bedürfnisorientierung im Team

Führungskräfte und Unternehmen, die darauf eingehen und sich Zeit für einen ernsthaften Austausch nehmen, können ein Arbeitsumfeld schaffen, dass wirklich motivierend ist und zur Potenzialentfaltung sowie zum Wohlbefinden beiträgt. Bedürfnisse haben einen zentralen Stellenwert, wenn es um die Dynamiken in der Zusammenarbeit geht.

Wenn Teammitglieder die individuellen Erwartungen und Wünsche untereinander kennen, entsteht eine Arbeitsumgebung, in der Mitarbeitende sich gesehen, geschätzt und auch motiviert fühlen. Bedürfnisse beeinflussen die Teamarbeit maßgeblich in ihrem Erfolg. Werden sie vernachlässigt, führt das zu Konflikten, Stress, Misstrauen, Antriebslosigkeit und Pessimismus. Was sich im Verhalten der Mitarbeitenden zeigt und tatsächlich nur auf der Ebene der Bedürfnisse wirklich gelöst werden kann.

Kurzum: Durch das gemeinsame Sprechen über Bedürfnisse entstehen tiefere Verbindungen, Vertrauen, gute Beziehungen und schlussendlich gute Arbeitsergebnisse.

Hacks für die Praxis – Bedürfnisorientierung in der Zusammenarbeit

Wenn Sie also anfangen wollen, ihr Team zu einem erfolgreichen, motivierten und zufriedenen Team zu entwickeln, fangen Sie an, über Bedürfnisse zu sprechen.

Natürlich gibt es neben Autonomie, Verbundenheit und Kompetenzerleben noch weitere intrinsische Aspekte wie bspw. Sinnerfüllung oder Anerkennung.

Sie könnten Ihre Teammitglieder z. B. fragen:

  • Was sind Ihre Wünsche und welchen Einfluss haben sie auf die Zusammenarbeit?
  • Welche Erwartungen haben die Teamkollegen und -kolleginnen?
  • Wie können wir unsere Anliegen kommunizieren?
  • Wie können wir Erwartungen gegenseitig erfüllen?

Nutzen Sie die Moving Motivators von Jurgen Appelo, um die unterschiedlichen Bedürfnisse im Team sichtbar zu machen, sich gegenseitig besser kennenzulernen und somit eine Grundlage für einen sinnvollen Austausch zu schaffen.

Lassen Sie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erst einmal im Stillen reflektieren, welche Erwartungen und Einstellungen sie haben. Lassen Sie diese in eine Reihenfolge bringen, von sehr wichtig bis weniger wichtig und tauschen Sie sich im Anschluss darüber aus, was passiert, wenn eines der drei wichtigsten Bedürfnisse verletzt wird.

Nicht selten höre ich nach so einer Übung sowas wie “Ach jetzt wird mir klar, warum wir in man-chen Themen immer wieder aneinandergeraten”.

Schauen Sie, wie sie die verschiedenen Erwartungen und Wünsche, die bestehen, in Einklang bringen können. Arbeiten Sie mit einem Marktplatz für Bedürfnisse, durch den sichtbar wird, was Ihre Bedürfnisse sind, welche die Mitarbeitenden haben und welche existieren gemeinsam.

Kulturbegegnungsmodell von Bernd Schmid
Es geht dabei nicht darum, alle Bedürfnisse zu 100 % in Einklang zu bringen. Allein das Gespräch darüber hilft, die Perspektive zu wechseln und andere Sichtweisen zu verstehen. So kann Verständnis füreinander entwickelt und ein gemeinsamer Weg gefunden werden.

 

Hinweise: 

Auch beim Thema Feedback, vor allem im Hinblick auch kritisches Feedback hilft es, Bedürfnisse zu kennen und zu formulieren. Hierfür bildet die Gewaltfreie Kommunikation von Rosenberg ein hilfreiches Framework, um angemessen zu kommunizieren.

Interessieren Sie sich für New Teamwork und die Entwicklung einer Vertrauenskultur und eines Wir-Gefühls? Wollen Sie mit externer Hilfe Verantwortlichkeiten, Erwartungen und Wünsche klären? Dann lohnt sich ein Blick auf die tolle Website von Rebecca Hartmann. Nehmen Sie gerne Kontakt auf, wenn Sie sich für Teamworkshops, Einzelcoachings, Trainings oder Impulsvorträge interessieren.

Quellen:

Motivation und Emotion von V. Brandstätter, J. Schüler, R. M. Puca und L. Lozo
Theorie U von Otto Scharmer
Bedürfnispyramide von Abraham Maslow
Selbstbestimmungstheorie von Edward Deci und Richard Ryan
Moving Motivators von Jurgen Appelo
Gewaltfreie Kommunikation von M. B. Rosenberg
Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation von Bernd Schmid

 

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Rebecca Hartmann
Rebecca Hartmann

Rebecca Hartmann ist als systemische Teamentwicklerin, Coach und New Work Facilitatorin im Einsatz. Sie ist studierte Wirtschaftspsychologin und begleitet Organisationen und Führungskräfte dabei, gesunde und leistungsstarke Teams aufzubauen und ihre Zusammenarbeit verantwortungsbewusst, gesund und effizient zu gestalten. Hierbei nutzt sie ihre mehrjährige Organisationserfahrung und verbindet ihre psychologischen Kenntnisse mit ihrer systemischen Expertise.