SAFe – Die nächste (R)Evolution unserer Arbeitswelt?

Gastbeitrag von | 03.01.2019

Durch die schnelle Entwicklung von Technologien und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind viele Unternehmen gezwungen, sich ständig anzupassen, um am Markt erfolgreich zu bestehen. Als Reaktion testen viele Unternehmen mit der Einführung von agilen Vorgehensmodellen wie Kanban oder Scrum, in der Hoffnung schneller auf kurzfristige Änderungen reagieren zu können und keinen kritischen Trend zu verpassen. Die Anpassungsfähigkeit wird zunehmend als eine Voraussetzung für langfristigen Erfolg eines Unternehmens angesehen.

Mit der Einführung von agilen Vorgehensmodellen wird jedoch häufig nicht das gewünschte Resultat für das vollständige Unternehmen erreicht. Agile Vorgehensmodelle reichen nicht aus, um ein agiles Unternehmen zu werden. Etablierte Strukturen und Prozesse behindern oft eine erfolgreiche Einführung. Daher ist es nicht zielführend, nur einzelne Projekte auf „agil“ umzustellen. Unternehmen müssen ganzheitlich auf ein agiles Produktportfolio ausgerichtet werden. Doch insbesondere eine konsequente Produktorientierung ist für siloorientierte Unternehmen eine neue Denkweise, die sich nicht von einem Tag auf den anderen etablieren lässt. Häufig versteckt sich hinter der Aussage „Wir arbeiten jetzt agil!“ der Versuch agile Vorgehensmodelle in bestehende Strukturen und Prozesse zu integrieren, wodurch deren Potenzial nicht voll ausgeschöpft wird und bestenfalls Projekte besser umgesetzt werden.

Das Scaled Agile Framework (SAFe) ist ein skalierbares und konfigurierbares Framework, das eine ganzheitliche agile Ausrichtung von Unternehmen ermöglicht, um neue Produkte, Services und Lösungen schnellstmöglich mit bestmöglicher Qualität und Kundennutzen an den Markt zu bringen und diese kontinuierliche weiterzuentwickeln. Das Framework beschreibt die hierfür notwendigen Rollen, Verantwortlichkeiten, Artefakte und Aktivitäten und kann an die individuellen Anforderungen eines Unternehmens angepasst werden.

Was unterscheidet SAFe von anderen agilen Vorgehensmodellen?

SAFe wurde für die Skalierung von Agilität in Unternehmen entwickelt. Es kombiniert agile Vorgehensmodelle mit systemischem Denken und den Prinzipien einer schlanken Produktentwicklung. Es ergänzt agile Vorgehensmodelle auf Teamebene, wie Scrum oder Kanban, mit einem übergreifenden Portfolio- und Programmmanagement, ersetzt diese jedoch nicht. Das Framework basiert auf Erfahrungen aus unterschiedlichen Branchen und wird stetig weiterentwickelt.

“As Scrum is to the Agile team, SAFe is to the Agile enterprise.” – Dean Leffingwell

Dabei sieht SAFe eine ganzheitliche Ausrichtung eines Unternehmens nach Produkten mit dedizierten Teams sowie einem zentralen Portfoliomanagement vor, in dem alle Kundenanforderungen integriert betrachtet werden (siehe Abbildung 1). Hierdurch eröffnen sich für Unternehmen viele neue Möglichkeiten, wie z.B. kurze Zyklen innerhalb des Portfoliomanagements und somit die direkte Fokussierung auf Kundenwünsche, das Ändern der Denkweise hin auf Produktebene (anstatt auf Funktionen oder Projekte) sowie vollen und direkten Bezug auf die Unternehmensziele bei allen Mitarbeitern. Ziel ist es einen gemeinsamen Ansatz für die Durchführung von Projekten zu schaffen, sowie die strikte Ausrichtung auf die Lieferergebnisse und somit das Produkt in den Mittelpunkt des Handels zu stellen. Dazu soll SAFe starre Strukturen, Silo-Denken oder Abteilungsdenken aufbrechen, um das bestmöglichste Produkt für den Kunden zu erschaffen.

SAFe im Überblick: Neue Arbeitsweisen, die in einem kontinuierlichen Prozess erlernt und erprobt werden müssen.

SAFe im Überblick: Neue Arbeitsweisen, die in einem kontinuierlichen Prozess erlernt und erprobt werden müssen.

Welche Herausforderungen soll SAFe lösen?

  • Stärkere Produktorientierung im gesamten Unternehmen
  • Agile Arbeitsweisen über Silos hinweg
  • Änderung des Mindsets

Sobald die ersten Teams beginnen agil zu arbeiten, ecken diese in der Regel innerhalb der Organisation mit der „klassischen Welt“ an. Dies ist leider eine ganz normale Entwicklung, sofern die Agilität nicht als Ganzes, sprich innerhalb des Konzerns eingeführt wird. Denn es prallen mindestens zwei Welten mit verschiedenen Vorgehensweisen aufeinander.

Ein Beispiel hierfür ist die Budgetierung samt dem Portfoliomanagement als Teil der „klassischen“ Welt, aber die Umsetzung einzelner Projekte agil. Innerhalb dieser agilen Projekte kann auf Änderungswünsche der Anforderer eingegangen werden, nicht jedoch auf alle Stakeholder.

Angenommen das Projekt erreicht innerhalb des definierten Budgets das Projektziel. Somit stehen der Organisation wieder Budget und Kapazität zur Verfügung, welche aber laut Prozess nicht neu vergeben werden können. Aus diesem Grund werden des Öfteren „goldene Henkel“ innerhalb des eigentlich abgeschlossenen Projektes realisiert, da das Restbudget noch verbraucht werden muss. Diese bieten dem Unternehmen als Ganzes nahezu keinen Mehrwert und somit verschwenden Unternehmen Ressourcen. Ein guter Lösungsansatz, um diesen Gegensatz und die Konflikte der verschiedenen Vorgehensweisen aufzulösen, ist die Einführung des agilen Ansatzes auf allen Organisationsebenen.

Was muss bei der Einführung von SAFe beachtet werden?

Das SAFe Framework beschreibt ein umfangreiches und komplexes System, welches weitreichende Änderungen im gesamten Unternehmen vorsieht. Ich habe schon mehrfach gehört, dass SAFe „ein Monster sei“ und ob „alle diese neuen Rollen und Artefakte wirklich nötig wären“. Aber dies liegt in der Natur der Sache. Ein komplexes Unternehmen und dessen Abläufe können nicht in wenigen Regeln beschrieben werden. Wichtig ist daher frühzeitig zu definieren, welche Ziele mit SAFe erreicht werden sollen und die Einführung entsprechend zu skalieren. Nicht alle Artefakte von SAFe sind für jedes Unternehmen zu Beginn sinnvoll. Die SAFe Konfigurationen bieten einen initialen Startpunkt, welcher individuell diskutiert und geprüft werden muss. Jeder Versuch SAFe unreflektiert und ohne jegliche Diskussion auf ein komplexes Unternehmen anzuwenden, kann aus der Erfahrung nur scheitern.

Um bei der Einführung nicht an bestehenden Strukturen und Prozessen zu scheitern, ist die Einbindung und Unterstützung des Top-Management zwingend erforderlich. Die Etablierung von SAFe ist eine langfristige Transformation, in der neue Arbeitsweisen in einem kontinuierlichen Prozess erlernt und erprobt werden müssen. Dabei ist bei einer erfolgreichen Einführung zu beachten, frühzeitig das Top-Management zu trainieren und darüber hinaus z.B. ein Lean-Agile Center of Excellence aufzusetzen, welches die Einführung aktiv unterstützt. Ohne disziplinarische und methodische Unterstützung kann eine Einführung aus meiner Erfahrung nicht gelingen!

Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus die Veränderung für die Mitarbeiter. SAFe hinterfragt erlernte Vorgehens- und Denkmuster, was Unsicherheit und Abwehrreaktionen hervorruft. Sorgen Sie dafür, dass ausreichend Kapazitäten vorhanden sind, um auf Fragen und Anregungen einzugehen, um das neu definierte Vorgehen zu optimieren und zu verhindern, dass sich Probleme potenzieren. Versuchen Sie darüber hinaus, die Mitarbeiter nicht durch unnötige Veränderungen abzuhängen.

Geben Sie beispielsweise gleichen Tätigkeiten keine neuen Namen, Ihre bisherige „Delivery Unit“ muss nicht in „Delivery Pipeline“ umbenannt werden, nur weil SAFe diesen Begriff verwendet. Um mit der Einführung von SAFe auch Effizienz und Transparenz in der Planung und Durchführung zu steigern, ist auch eine integrierte Softwareunterstützung notwendig.

Fazit

Beharren Sie nicht auf Vorgehensweisen ganz nach dem Motto „Das haben wir schon immer so gemacht!“. Dieser Denkansatz hat sogar Marktführer schon ihre Vorherrschaft gekostet.

Gerade für große Organisationen im deutschsprachigen Raum ist dieser Wechsel im Vorgehensmodell eine enorme Herausforderung, da die Organisation in diesen Unternehmen in der Regel sehr starr ist und auch komplexe Prozesse strikt eingehalten werden. Den Mitarbeitern durch den Change weitere Freiräume zu gewähren, ist für das Management eine Herausforderung – aber vor allem auch für Ihre Mitarbeiter. Versuchen Sie den Schritt in Richtung Agilität, SAFe ist ein gutes, ausgereiftes Framework. Holen Sie sich Unterstützung bei der Planung und Umsetzung, sofern Sie keine Experten in Ihrem Unternehmen vorfinden. Denken Sie aber auch daran, die richtige Softwareunterstützung auszuwählen, um alle Vorteile von SAFe optimal nutzen zu können – denn Planung ist das halbe Leben, Transparenz bei der Umsetzung ist essenziell.

 

Quellen:

https://www.scaledagileframework.com/

Hinweise:

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Lutz Vahl arbeitet für CONTEC-X, einem Unternehmen, das anspruchsvolle Lösungen auf Basis von CA PPM (Clarity) bietet.

Lutz Vahl
Lutz Vahl

Lutz Vahl ist als Manager Development bei Contec-X tätig. Als Principal Consultant und zertifizierter Projektmanager (IPMA) berät er Kunden bei Projektmanagement Prozessen von der Anforderungsaufnahme bis hin zur Inbetriebnahme der PPM Lösungen mit dem Schwerpunkt auf agile und hybride Methoden. Verantwortung trägt er für HyPE4PM und alle Zusatzentwicklungen für die PPM-Lösungen auf Basis der Standardsoftware CA PPM (Clarity). Vor seinem Wechsel zu Contec-X war Herr Vahl Projektmanager und Product Delivery Manager im Finanzsektor. Seine berufliche Laufbahn begann er 2006 parallel zu seinem Wirtschaftsinformatik-Studium in Karlsruhe als Gründer eines eCommerce Unternehmens.