Wenn Recruiting und Fachabteilung an einem Strang ziehen
Der gemeinsame Weg zum Recruiting-Erfolg – ein Erfahrungsbericht von Peter (Hiring Manager) und Johanna (Recruiterin)
Kennt Sie das? Eine wichtige Position muss besetzt werden, der Zeitdruck ist hoch und dann kommt noch die Urlaubszeit dazwischen. Eine echte Herausforderung!
Wir – Peter aus der Fachabteilung und Johanna aus dem Recruiting – haben genau dieses Szenario erlebt. Von Februar bis Oktober 2024 hatten wir die Aufgabe, gemeinsam eine anspruchsvolle Position zu besetzen, mit allen klassischen Herausforderungen: enge Zeitfenster, hohe Anforderungen an die Kandidatin oder den Kandidaten und zwischendurch noch Sommerurlaube auf beiden Seiten.
Was uns dabei überrascht hat: Statt des üblichen „Abteilungsgerangels“ haben wir eine Zusammenarbeit erlebt, die nicht nur erfolgreich war, sondern auch noch Spaß gemacht hat. In diesem Artikel teilen wir unsere Erfahrungen aus beiden Perspektiven – was hat funktioniert, was haben wir gelernt, und welche Erkenntnisse können auch für andere Teams wertvoll sein?
Peter (Fachabteilung):
Als Hiring Manager kenne ich die typischen Herausforderungen nur zu gut: Man braucht dringend Verstärkung im Team, hat aber selbst kaum Zeit, sich intensiv um den Recruiting-Prozess zu kümmern. Oft fühlt man sich dann zwischen den eigenen Anforderungen und den HR-Prozessen aufgerieben. Dieses Mal war es anders: meine Bedürfnisse wurden wirklich ernst genommen und ich konnte mich auf die Expertise des Recruiting-Teams verlassen.
Johanna (Recruiting):
Aus Recruiting-Sicht erleben wir oft, dass die Fachabteilungen zwar schnelle Ergebnisse wollen, aber nicht immer die nötige Zeit investieren können, um den Prozess optimal zu unterstützen. In diesem Fall hatten wir von Anfang an eine besonders positive Dynamik. Wir haben es geschafft, trotz Sommerurlaub und eines fliegenden Wechsels im Recruiting-Team einen kontinuierlichen Prozess zu gewährleisten. Die Grundlage dafür? Gegenseitiges Vertrauen und transparente Kommunikation.
Was uns beide überrascht hat: Es geht also doch – ein Recruiting-Prozess, der nicht als notwendiges Übel, sondern als gemeinsame Mission verstanden wird. Im Laufe der Zusammenarbeit haben wir einige zentrale Erfolgsfaktoren identifiziert, die wir hier teilen möchten. Spoiler: Es beginnt mit Vertrauen, braucht klare Strukturen mit Flexibilität und lebt von offener Kommunikation auf Augenhöhe.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Grundlage
Wenn wir die Erfolgsfaktoren unserer Zusammenarbeit analysieren, steht eines ganz klar an erster Stelle: gegenseitiges Vertrauen. Was banal klingt, ist in der Praxis oft die größte Hürde zwischen Fachabteilungen und Recruiting-Teams. Doch wie entsteht dieses Vertrauen, und warum macht es den entscheidenden Unterschied?
Peter:
Ich habe mich in diesem Recruiting-Prozess mit meinen Bedürfnissen als Hiring Manager ernst genommen gefühlt – das ist keine Selbstverständlichkeit. In meiner Position bin ich ständig im Spannungsfeld: Einerseits suche ich dringend Verstärkung für mein Team, andererseits fehlt mir oft die Zeit, um mich intensiv in den Recruiting-Prozess einzubringen.
Was in unserer Zusammenarbeit anders war: Ich konnte darauf vertrauen, dass Johanna meine Anforderungen wirklich verstanden hat. Das zeigte sich besonders in der Qualität der vorgestellten Kandidat:innen. Ich musste nicht jedes Detail vorgeben oder ständig nachsteuern.
Dieses Vertrauen ermöglichte es mir auch, sensible Aspekte offen anzusprechen: „Dieser Kandidat hat fachlich überzeugt, aber ich bin unsicher, ob er ins Team passt.“ Solche Bedenken zu äußern, braucht ein Umfeld, in dem man nicht fürchten muss, als voreingenommen oder unkooperativ zu gelten. Johanna hat diese Offenheit nicht nur akzeptiert, sondern aktiv gefördert, und dadurch wurden unsere Entscheidungen besser.
Johanna:
Aus meiner Perspektive beginnt Vertrauen mit einer grundlegenden Haltung: Ich gehe davon aus, dass der Hiring Manager sein Team und dessen Bedürfnisse am besten kennt. Gleichzeitig bringe ich meine Expertise im Recruiting-Prozess ein. Diese Kombination macht uns stark, aber nur, wenn wir uns gegenseitig als Experten:innen respektieren.
Bei Peter habe ich von Anfang an gespürt, dass er meine Kompetenz wertschätzt. Das zeigte sich in kleinen Dingen: Er nahm sich Zeit für eine gründliche Auftragsklärung, reagierte schnell auf Rückfragen und vertraute meinen Einschätzungen zu Kandidat:innen. Das motiviert ungemein und schafft Raum für echte Zusammenarbeit statt Dienst nach Vorschrift.
Besonders wertvoll war für mich auch Peters Offenheit bezüglich seiner eigenen Präferenzen und möglicher Bias. Er hat nicht versucht, den „perfekten Hiring Manager“ zu spielen, sondern war authentisch. So konnten wir gemeinsam reflektieren und bessere Entscheidungen treffen.
Ein weiterer Aspekt des Vertrauens war das „respektvolle Pushen“: Wenn Fristen drängten oder Entscheidungen anstanden, konnten wir uns gegenseitig höflich, aber bestimmt erinnern, ohne dass es als Kritik oder Misstrauen wahrgenommen wurde.
Was wir beide über Vertrauen gelernt haben:
Vertrauen entsteht nicht durch große Worte, sondern durch konsistentes Handeln und echtes Interesse am Erfolg des gemeinsamen Projekts. Es braucht:
- Die Bereitschaft, die Expertise des anderen anzuerkennen und zu respektieren.
- Offene Kommunikation über Erwartungen, Bedenken und auch persönliche Präferenzen.
- Zuverlässigkeit in den kleinen, alltäglichen Interaktionen.
- Die Fähigkeit, respektvoll nachzuhaken, ohne das gegenseitige Vertrauen zu beschädigen.
Besonders wertvoll war für uns die Erkenntnis, dass Vertrauen keine endlose Ressource ist, die man einmal aufbaut und dann hat, sondern etwas, das in jeder Interaktion neu bestätigt wird. Jede schnelle Antwort, jede erfüllte Zusage, jedes ehrliche Feedback stärkt das Fundament für die nächste gemeinsame Herausforderung.
Der Prozess: Struktur mit menschlichem Spielraum
Ein erfolgreicher Recruiting-Prozess lebt von der richtigen Balance: Einerseits braucht es klare Strukturen und definierte Abläufe, andererseits genug Flexibilität, um auf die Realitäten des Arbeitsalltags reagieren zu können. Unser Projekt hat uns gezeigt, wie wichtig diese Balance ist, besonders wenn Ereignisse wie Urlaubszeiten oder besonders dringende Besetzungen hinzukommen.
Johanna:
Als Recruiterin weiß ich: Klare Prozesse sind unser Rettungsanker. Sie sorgen dafür, dass nichts vergessen wird, alle Beteiligten wissen, was zu tun ist, und – besonders wichtig – dass der Prozess auch bei personellen Wechseln nicht ins Stocken gerät.
Die Basis unseres erfolgreichen Prozesses war eine gründliche Auftragsklärung zu Beginn. Wir haben ein strukturiertes Formular genutzt, das alle wichtigen Aspekte abdeckt: von den fachlichen Anforderungen bis hin zum Team-Fit. Das mag zunächst aufwändig erscheinen, hat uns aber später enorm viel Zeit gespart. Mit diesem detaillierten Verständnis der Position konnten wir gezielter suchen und vorselektieren.
Gleichzeitig haben wir bewusst Flexibilität eingebaut: Wir hielten Rücksprache, wann Interviews am besten passen, richteten den Prozess nach den Verfügbarkeit von Peter aus und reagierten schnell, wenn sich Prioritäten verschoben.
Peter:
Als Hiring Manager schätze ich klare Prozesse, aber ich liebe Flexibilität. In der Vergangenheit habe ich Recruiting-Prozesse manchmal als starr und bürokratisch erlebt, bei denen meine operativen Realitäten kaum Berücksichtigung fanden.
Dieses Mal war es erfrischend anders: Ja, es gab eine klare Struktur, aber sie wurde nicht um ihrer selbst willen durchgezogen. Wenn ich wegen dringender Projekte einen Tag später Feedback geben konnte, war das kein Drama. Wenn eine vielversprechende Kandidat:in kurzfristig nur zu einem bestimmten Termin verfügbar war, fanden wir gemeinsam eine Lösung.
Besonders wichtig war für mich die gemeinsame Priorisierung in kritischen Phasen. Als wir eine sehr gute Kandidatin im Prozess hatten, hat mein Team verstanden, dass Recruiting-Gespräche jetzt Vorrang haben müssen. Diese kurzzeitige Fokussierung hat sich ausgezahlt; wir konnten zügig entscheiden und die Kandidatin für uns gewinnen.
Gemeinsames Praxisbeispiel: Kein Stillstand im Sommerurlaub
Die Urlaubszeit im Sommer stellt für viele Recruiting-Prozesse eine echte Herausforderung dar. Oft bedeutet sie einen faktischen Stillstand . doch nicht so bei uns.
Johanna:
Ein wichtiger Erfolgsfaktor in unserem Recruiting-Team ist, dass wir konsequent auf eine angemessene Arbeitsbelastung achten. Wir lassen nur so viele parallele Prozesse zu, wie wir qualitativ hochwertig betreuen können. Das ermöglicht uns, bei jedem Prozess wirklich präsent zu sein und auf unvorhergesehene Ereignisse schnell zu reagieren. Für Hiring Manager kann es manchmal verständlicherweise schwer zu akzeptieren sein, dass sie warten müssen, bis sie an der Reihe sind. Aber diese bewusste Kapazitätsplanung ist entscheidend für die Qualität.
Peter:
Anfangs war ich tatsächlich ungeduldig – daher das intern liebevoll genannte „Peter pushy“. Aber die Transparenz im Prozess hat mir sehr geholfen: Ich konnte sehen, wann meine Position ungefähr an der Reihe sein würde. Als ich erkannte, dass der Prozessbeginn genau in meinen geplanten Sommerurlaub fallen würde, habe ich bei Johanna aktiv eingefordert, alle notwendigen Vorarbeiten zu treffen, damit das Recruiting auch in meiner Abwesenheit starten kann.
Johanna:
Diese Vorausplanung war Gold wert. Wir konnten alle Informationen und das Anforderungsprofil so detailliert aufbereiten, dass der Prozess tatsächlich während Peters Abwesenheit im August starten konnte. Das erste Screening und sogar Telefoninterviews fanden statt, während er im Urlaub war.
Peter:
Als ich zurückkam, gab es bereits eine qualifizierte Vorauswahl von Kandidat:innen und die nächsten Schritte waren geplant. Wir haben buchstäblich keine Zeit verloren; ein echter Unterschied zu früheren Erfahrungen, wo Urlaubszeiten oft zu wochenlangen Verzögerungen führten.
Auch als später eine Kollegin aus dem Recruiting-Team kurzfristig für Johanna einspringen musste, funktionierte der Übergang dank der klaren Prozesse und der detaillierten Dokumentation nahtlos.
Dieses Beispiel hat uns gezeigt: Die Kombination aus durchdachter Kapazitätsplanung, transparenter Kommunikation und vorausschauender Vorbereitung ermöglicht Recruiting-Erfolge selbst unter herausfordernden Bedingungen. Das gegenseitige Vertrauen – Johannas Bestehen auf angemessener Arbeitsbelastung und mein Einlassen darauf – war dabei ein entscheidender Faktor.
Kommunikation: Offen, transparent und auf Augenhöhe
Die besten Prozesse und das größte Vertrauen nützen wenig, wenn die Kommunikation nicht stimmt. In unserem Recruiting-Projekt war die Art und Weise, wie wir miteinander kommuniziert haben, ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dabei ging es nicht nur um das „Was“, sondern vor allem um das „Wie“.
Peter:
In früheren Recruiting-Prozessen war es für mich als Hiring Manager manchmal herausfordernd, jederzeit den vollen Überblick zu behalten – einfach, weil viele Dinge parallel liefen und Informationen nicht immer sofort zur Verfügung standen. Dieses Mal war das anders: Die Kommunikation war durchgängig klar und proaktiv. Ich wurde regelmäßig auf dem Laufenden gehalten, ohne nachfragen zu müssen. Als eine Kandidat:in kurzfristig absagte, erhielt ich direkt eine Rückmeldung samt kurzer Einordnung. Diese Transparenz hat mir enorm geholfen, meine Planung anzupassen und realistische Erwartungen zu setzen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war für mich die offene Kommunikation über eigene Präferenzen. In vielen Situationen neigen wir dazu, unsere persönlichen Eindrücke zu „objektivieren“, um professionell zu wirken. In diesem Fall habe ich mir erlaubt, auch subjektive Eindrücke zu teilen: „Bei dieser Kandidat:in hatte ich das Gefühl, dass…“ Das mag unprofessionell klingen, war aber tatsächlich wertvoll, weil wir so auch über die nicht messbaren Qualitäten ehrlich sprechen konnten.
Besonders wichtig war für mich auch die transparente Kommunikation bei schwierigen Entscheidungen. Als wir uns zwischen zwei guten Kandidat:innen entscheiden mussten, haben wir offen die Vor- und Nachteile ohne politische Spielchen oder versteckte Agenden abgewogen.
Johanna:
Aus meiner Perspektive ist kontinuierliche Information die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Ich habe bewusst darauf geachtet, Peter regelmäßig zu updaten, auch wenn es keine großen Neuigkeiten gab. Ein kurzes „Wir haben drei neue Bewerbungen erhalten, die ich bis Mittwoch gesichtet haben werde“ schafft Vertrauen und gibt dem Hiring Manager das Gefühl, eingebunden zu sein. Zusätzlich haben wir uns wöchentlich für etwa zehn Minuten getroffen, um uns kurz persönlich auszutauschen und eventuelle Fragen oder nächste Schritte direkt zu besprechen.
Ein Schlüssel zu unserer guten Kommunikation war für mich die einfache Frage: „Was brauchst du von mir?“ Diese Frage habe ich immer wieder gestellt und sie auch von Peter gehört. Sie signalisiert: Ich bin hier, um zu unterstützen, nicht um Prozesse durchzudrücken. Sie öffnet den Raum für Bedürfnisse, die vielleicht nicht im Standardprozess vorgesehen sind.
In der Kommunikation mit Peter habe ich auch gemerkt, wie wichtig eine gemeinsame Sprache ist. Wir haben uns Zeit genommen, Begriffe zu klären und sicherzustellen, dass wir dasselbe meinen, wenn wir von „Seniorität“, „Kulturfit“ oder „technischer Expertise“ sprechen. Diese gemeinsame Sprache hat viele Missverständnisse verhindert.
Nicht zuletzt war es für mich befreiend, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Weder musste ich als „die Expertin“ alle Antworten haben, noch war ich eine reine Dienstleisterin für die Fachabteilung. Wir waren Partner im Prozess, mit unterschiedlichen Perspektiven und Expertisen, die sich ergänzten.
Gemeinsame Erkenntnisse zur Kommunikation:
In unserem Rückblick haben wir einige zentrale Faktoren identifiziert, die unsere Kommunikation besonders effektiv gemacht haben:
- Proaktives Informieren statt reaktives Nachfragen: Regelmäßige Updates ersparen Zeit und Frustration auf beiden Seiten.
- Authentizität vor Perfektion: Die Erlaubnis, auch subjektive Eindrücke und Bedenken zu teilen, hat unsere Entscheidungsfindung verbessert.
- Die magische Frage „Was brauchst du?“ öffnet den Raum für echte Unterstützung und verhindert Annahmen über die Bedürfnisse des anderen.
- Gemeinsame Sprache entwickeln: Zeit in ein gemeinsames Verständnis von Schlüsselbegriffen zu investieren, zahlt sich in der gesamten Zusammenarbeit aus.
- Augenhöhe wahren: Weder dominieren noch unterordnen, die Balance aus Respekt für die jeweilige Expertise und gemeinsamem Ziel machte unsere Kommunikation besonders wertvoll.
Rückblickend war es besonders diese Art der Kommunikation, die aus einem standardmäßigen Recruiting-Prozess eine erfolgreiche und sogar bereichernde Zusammenarbeit gemacht hat. Die Offenheit und Transparenz hat nicht nur zu einer besseren Kandidat:innenauswahl geführt, sondern auch das gegenseitige Verständnis für die Herausforderungen der jeweils anderen Rolle deutlich verbessert.
Konkrete Erfolgsfaktoren aus der Recruiting-Praxis
Neben den großen Themen wie Vertrauen, Prozessgestaltung und Kommunikation gab es in unserer Zusammenarbeit einige sehr konkrete Praktiken und Vorgehensweisen, die zum Erfolg beigetragen haben. Diese pragmatischen Erfolgsfaktoren möchten wir im Folgenden teilen, vielleicht sind sie auch für andere Teams hilfreich.
Johanna:
Eine Praktik, die sich besonders bewährt hat, war unsere Art der Dokumentation. Bei jedem Bewerbenden haben wir nicht nur die objektiven Fakten festgehalten, sondern auch persönliche Eindrücke und Begeisterungsfaktoren notiert. Ein Kommentar wie ‚Der Kandidat hat nicht nur technisches Know-how, sondern hat auch begeistert von seiner Erfahrung im agilen Umfeld berichtet‘ vermittelt ein viel lebendigeres Bild als eine reine Checkliste von Skills.
Häufig halte ich auch fest, welche Wirkung der Bewerbende im Gespräch auf mich hatte, zum Beispiel, ob das Gespräch locker und auf Augenhöhe verlief, ob wir gemeinsam lachen konnten oder wie offen und reflektiert jemand auf Rückfragen reagierte. So entsteht ein viel ganzheitlicherer Eindruck, der später bei Entscheidungen wirklich weiterhilft.
Diese detaillierten Dokumentationen waren besonders wertvoll, als Nakissa krankheitsbedingt einspringen musste. Sie konnte nicht nur die Faktenlage erfassen, sondern bekam ein echtes Gefühl für die Kandidat:innen und ihre Passung.
Ein weiterer Erfolgsfaktor war unsere Empathie für die Situation der Fachabteilung. Recruiting-Prozesse sind für Hiring Manager eine zusätzliche Belastung neben dem Tagesgeschäft. Ich habe bewusst versucht, Peter zu entlasten: „Das Schlimmste ist bald vorbei“ war mehr als ein Scherz – es war ein Ausdruck von Verständnis für den Druck, unter dem er stand.
Nicht zuletzt hat uns die klare zeitliche Planung geholfen. Wir haben von Anfang an realistische Zeitfenster definiert und kommuniziert. Das verhinderte falsche Erwartungen und half allen Beteiligten bei ihrer Planung.
Peter:
Aus meiner Sicht war ein entscheidender Erfolgsfaktor die Priorisierung des Recruitings im Team. Ich habe meinem Team klar vermittelt, dass Vorstellungsgespräche und Feedback zu Kandidat:innen in bestimmten Phasen absolute Priorität haben. Diese klare Ansage hat geholfen, Terminkonflikte zu minimieren und schnelle Entscheidungen zu ermöglichen.
Ein weiterer praktischer Aspekt war das klare Anforderungsprofil, das wir zu Beginn erstellt haben. Ich habe mir Zeit genommen, nicht nur die technischen Skills, sondern auch die Soft Skills und den gewünschten Team-Fit detailliert zu beschreiben. Diese Investition zu Beginn hat sich später vielfach in der Qualität der vorgestellten Kandidat:innen und im gemeinsamen Verständnis dessen, wonach wir suchen, ausgezahlt.
Gemeinsame Erfolgsmomente:
Der Moment, als wir uns endgültig für eine Kandidatin entschieden hatten, war für uns beide ein echter Erfolg. Wir spürten, dass wir nicht nur eine qualifizierte Mitarbeiterin gefunden hatten, sondern dass auch unser gemeinsamer Prozess funktioniert hatte.
Der vielleicht größte Erfolg lag aber in der Art unserer Zusammenarbeit selbst: Wir haben nicht nur eine Position besetzt, sondern ein Modell entwickelt, wie Fachabteilung und Recruiting konstruktiv und respektvoll zusammenarbeiten können. Dieses Modell werden wir selbstverständlich auch in zukünftigen Projekten anwenden.
Die Kandidatin, für die wir uns entschieden haben, ist inzwischen ein wertvolles Mitglied des Teams. Ihre Einarbeitung verlief reibungslos, auch weil wir durch den gemeinsamen Recruiting-Prozess bereits ein sehr gutes Verständnis ihrer Stärken und Entwicklungsfelder hatten. Die Zeit und Energie, die wir in den Prozess investiert haben, zahlen sich nun täglich aus.
Lessons Learned: Was wir beim nächsten Mal wieder so machen würden
Nach Abschluss unseres gemeinsamen Recruiting-Projekts haben wir uns zusammengesetzt und reflektiert: Was waren die wichtigsten Erkenntnisse? Was würden wir anderen Teams empfehlen? Und was nehmen wir selbst für zukünftige Zusammenarbeit mit?
Die wichtigsten Erkenntnisse aus unserer Zusammenarbeit
Gegenseitiges Vertrauen ist die Basis allen Erfolgs. Wir haben erlebt, wie Vertrauen in die Kompetenzen des Gegenübers den gesamten Prozess erleichtert. Dieses Vertrauen muss aktiv durch zuverlässiges Handeln, offene Kommunikation und die Bereitschaft, die Expertise des anderen anzuerkennen, gepflegt werden.
Klare Prozesse ermöglichen erst echte Flexibilität. Paradoxerweise haben uns gerade die klaren Strukturen und definierten Abläufe die nötige Flexibilität gegeben, um auf Urlaube, Krankheiten und unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren. Ein gut dokumentierter Prozess ist kein Selbstzweck, sondern ein Sicherheitsnetz, das Freiraum schafft.
Die richtigen Fragen sind wichtiger als die perfekten Antworten. „Was brauchst du von mir?“ und ähnliche Fragen haben uns geholfen, wirklich auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen, statt in Annahmen zu verharren. Diese Haltung der Neugier und des Dienstleistungsgedankens hat auf beiden Seiten zu mehr Zufriedenheit geführt.
Zeit in die Vorbereitung investieren zahlt sich mehrfach aus. Die gründliche Auftragsklärung zu Beginn, das detaillierte Anforderungsprofil und die gemeinsame Definition von Erfolgsmetriken haben uns später viel Zeit und Frustration erspart. Gutes Recruiting beginnt lange vor der Veröffentlichung der Stellenausschreibung. Bei uns werden die Stellenausschreibungen von den Fachbereichen erstellt. Das Recruiting Team berät und stellt sicher, dass das Ergebnis zum Gesamtbild passt. Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Bei dieser konkreten Ausschreibung erwähnten etliche Kandidat:innen von sich aus, dass sich die Ausschreibung für sie deutlich von Ausschreibungen anderer Unternehmen abhebt und ein Grund war, sich zu bewerben.
Recruiting ist ein gemeinsames Projekt, keine Abteilungsaufgabe. Der Erfolg unseres Prozesses beruhte wesentlich darauf, dass wir die Besetzung nicht als „HR-Aufgabe mit Unterstützung der Fachabteilung“ oder umgekehrt betrachtet haben, sondern als echtes gemeinsames Projekt mit geteilter Verantwortung.
Tipps für andere Recruiting-Teams und Fachabteilungen
Basierend auf unseren Erfahrungen möchten wir folgende konkrete Tipps weitergeben:
Für Recruiting-Teams:
- Investieren Sie Zeit in das wirkliche Verständnis der Position und des Teams und gehen Sie über die formale Stellenbeschreibung hinaus.
- Kommunizieren Sie proaktiv und regelmäßig, auch wenn es keine großen Neuigkeiten gibt.
- Planen Sie bewusst Kapazitäten ein und kommunizieren Sie transparent, wann ein Prozess starten kann.
- Dokumentieren Sie nicht nur Fakten, sondern auch Eindrücke und Begeisterungspotenziale.
- Fragen Sie aktiv: „Was brauchen Sie von mir?“ statt Anforderungen zu vermuten.
Für Hiring Manager:
- Nehmen Sie sich Zeit für eine gründliche Auftragsklärung zu Beginn, denn diese Investition zahlt sich später aus.
- Kommunizieren Sie offen über Ihre Präferenzen und möglichen Bias, denn diese beeinflussen Ihre Entscheidungen ohnehin.
- Priorisieren Sie Recruiting-Aktivitäten im Team und schaffen Sie Raum für zeitnahe Interviews und Feedback.
- Vertrauen Sie der Expertise des Recruiting-Teams, besonders bei der Vorauswahl.
- Seien Sie bereit, auch in Abwesenheitszeiten den Prozess durch gute Vorbereitung und klare Vertretungsregelungen fortzuführen.
Für beide Seiten:
- Treffen Sie sich persönlich für die Auftragsklärung, nichts ersetzt das direkte Gespräch zum Projektstart.
- Entwickeln Sie eine gemeinsame Sprache für wichtige Begriffe und Konzepte.
- Feiern Sie gemeinsame Erfolge und reflektieren Sie regelmäßig den Prozess.
- Pflegen Sie eine Kultur des respektvollen „Pushens“, freundlich nachzuhaken ist kein Misstrauen.
- Dokumentieren Sie Ihre Lessons Learned für zukünftige Projekte.
Unser persönliches Fazit
Recruiting muss kein Kampf zwischen Abteilungen sein, kein notwendiges Übel und kein bürokratischer Marathon. Es kann eine bereichernde, erfolgreiche Zusammenarbeit sein, die nicht nur zur Besetzung einer Position führt, sondern auch das gegenseitige Verständnis fördert und neue Arbeitsmodelle etabliert. Unsere Erfahrung zeigt: Es lohnt sich, in diese Zusammenarbeit für bessere Ergebnisse, angenehmere Prozesse und letztlich für den Erfolg des gesamten Unternehmens durch die Einstellung des perfekten Talentes zu investieren.
Johanna:
Dieser Recruiting-Prozess hat mir gezeigt, dass wir als Recruiting-Team am wirkungsvollsten sind, wenn wir echte Partner:innen der Fachabteilungen sind, nicht nur Dienstleister:innen oder Prozesshüter:innen. Die Erfahrung hat mich bestärkt, weiterhin auf klare Strukturen und gleichzeitig auf offene, empathische Kommunikation zu setzen. Die Freude, als wir die perfekte Kandidatin gefunden hatten, war ein gemeinsamer Erfolg und so sollte Recruiting immer sein: ein gemeinsamer Erfolg für alle Beteiligten und das komplette Unternehmen.
Peter:
Als Hiring Manager habe ich durch diese Zusammenarbeit eine neue Perspektive auf den Recruiting-Prozess gewonnen. Statt ihn als notwendigen administrativen Overhead zu betrachten, sehe ich ihn nun als strategischen Erfolgsfaktor für mein Team. Die Zeit, die ich in die Zusammenarbeit mit Johanna investiert habe, war eine der besten Investitionen für die Zukunft meiner Abteilung. Was ich besonders mitnehme: Transparenz, Vertrauen und eine gemeinsame Mission machen nicht nur den Prozess erfolgreicher, sondern auch deutlich angenehmer für alle Beteiligten.
Hinweise:
Dies ist ein gemeinsamer Artikel von Johanna Siepmann und Peter Rubarth.
Peter Rubarth freut sich sehr über jeden Gedankenaustausch. Gerne können Sie sich auch mit ihm darüber unterhalten, wie er Sie beim Thema „Agile Potentialentfaltung“ oder „Selbstorganisation“ unterstützen kann. Sprechen Sie ihn dazu einfach auf LinkedIn an. Und auch Johanna Siepmann finden Sie auf LinkedIn. Bestimmt freut Sie sich über einen Austausch über Recruiting oder künstliche Intelligenz im HR-Bereich.
Wenn Ihnen der Beitrag gefällt oder Sie darüber diskutieren wollen, teilen Sie ihn gerne in Ihrem Netzwerk.
Peter Rubarth hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u. a.:

Peter Rubarth
Peter Rubarth ist als Lead Agile Coach für die Europace AG tätig. Organisationale Effektivität jenseits von Frameworks ist seine Mission. Seit vielen Jahren unterstützt er Teams und Organisationen dabei, sich zu finden, Hindernisse zu beseitigen, ihr Potenzial zu realisieren.

Johanna Siepmann
Johanna Siepmann ist seit Mai 2022 als Talent Acquisition Managerin bei der Europace AG tätig. Schon während ihres Bachelorstudiums in Interkultureller Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Hamm-Lippstadt in Hamm begann sie damit, wertvolle Praxiserfahrungen im Inhouse Recruiting zu sammeln.
In ihrer beruflichen Tätigkeit legt Johanna großen Wert auf eine enge und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Fachabteilung und Recruiting. Sie ist überzeugt, dass offene Kommunikation, vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe und eine partnerschaftliche Herangehensweise die wesentlichen Erfolgsfaktoren im Recruiting sind. Ein besonderer Schwerpunkt von Johanna ist die Integration von Künstlicher Intelligenz im Recruiting.
Im t2informatik Blog veröffentlichen wir Beträge für Menschen in Organisationen. Für diese Menschen entwickeln und modernisieren wir Software. Pragmatisch. ✔️ Persönlich. ✔️ Professionell. ✔️ Ein Klick hier und Sie erfahren mehr.