Mentoring wirksam gestalten
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Mentoring ist eine bewährte Methode zur individuellen Förderung und Entwicklung von Menschen in unterschiedlichen Phasen ihrer Karriere. Es verbindet eine erfahrene Person (Mentor:in) mit einer weniger erfahrenen Person (Mentee), um Wissen, Erfahrungen und Perspektiven auszutauschen. In vielen Branchen hat sich Mentoring als eine der wirkungsvollsten Maßnahmen zur Förderung von Talenten und zum Aufbau nachhaltiger Karrierewege etabliert. Doch was macht Mentoring erfolgreich? Und welche Faktoren sind entscheidend, damit beide Seiten davon profitieren?
Was ist Mentoring?
Mentoring ist eine strukturierte, vertrauensvolle Beziehung zwischen einer erfahrenen und einer weniger erfahrenen Person. Der Schwerpunkt liegt auf der persönlichen und beruflichen Entwicklung des Mentees. Im Gegensatz zu Coaching oder Training basiert Mentoring oft auf einem freiwilligen Engagement und fokussiert sich stärker auf langfristige Unterstützung.
Es gibt verschiedene Formen des Mentorings:
- Klassisches Mentoring: Eine erfahrene Person unterstützt eine Nachwuchskraft oder einen Quereinsteiger in ihrer beruflichen Entwicklung.
- Reverse Mentoring: Jüngere oder weniger erfahrene Mitarbeitende teilen ihr Wissen und ihre Perspektiven mit Führungskräften oder älteren Kolleg:innen, häufig in Bezug auf digitale Kompetenzen oder neue Arbeitsweisen.
- Peer Mentoring: Personen auf ähnlicher Hierarchieebene tauschen sich aus und begleiten sich gegenseitig.
- Cross-Mentoring: Mentoring findet über Unternehmens- oder Branchengrenzen hinweg statt, um den Austausch zu erweitern.
In unserer Unternehmenspraxis haben wir schon mehrere Mentoringprogramme begleitet und aus erster Hand erlebt, wie stark solche Programme die persönliche und berufliche Entwicklung sowohl für die Mentees als auch für die Mentor:innen fördern können. Werfen wir einen Blick auf ein Beispiel aus der Praxis.
Beispiel: Mentoring für Frauen im Krankenhaus
Als Beispiel berichte ich aus meinem Projekt, in dem Mentoring gezielt zur Frauenförderung im Krankenhaus eingesetzt wird. Hierbei werden drei zentrale Säulen kombiniert:
- Tandembeziehung: Regelmäßige Gespräche zwischen Mentee und Mentor:in.
- Begleitende Seminare: Vermittlung von Schlüsselkompetenzen.
- Netzwerken: Aufbau und Stärkung beruflicher Kontakte.
Netzwerken haben wir bewusst als Säule in unserem Mentoringprogramm gewählt, da es schon seit Jahren als Megatrend vom Zukunftsinstitut genannt wird. [1] Frauen haben seltener Zugang zu informellen Förderbeziehungen, die für Karrierewege entscheidend sind. Das Programm setzt genau hier an, indem es Frauen gezielt mit Mentor:innen vernetzt und ihnen den Zugang zu relevanten Netzwerken ermöglicht. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wird jede dritte Stelle über das Netzwerk besetzt, bei Führungspositionen sind es sogar bis zu 80 %. [2] Netzwerken ist also eine Schlüsselkompetenz, die wir in unserem Mentoringprogramm auf jeden Fall stärken wollen. Das tun wir zum einen durch die regelmäßigen Netzwerktreffen für die Mentees, wo diese sich austauschen und vernetzen können, aber auch in der Mentor:in und Mentee Beziehung spielt Netzwerken eine wichtige Rolle.
Ein:e gute:r Mentor:in unterstützt ihre/seine Mentee aktiv beim Netzwerken. Das kann bedeuten, die Mentee zu wichtigen Veranstaltungen mitzunehmen, sie mit relevanten Kontakten bekannt zu machen oder sie bei der Formulierung ihres/seines Elevator Pitches zu unterstützen. Der/Die Mentor:in fungiert hier als Türöffner:in und Vermittler:in, der/die der Mentee hilft, sich in der beruflichen Welt zu orientieren und Fuß zu fassen. Er oder sie kann auch wertvolle Einblicke geben, welche Netzwerke für die Karriereziele des Mentees besonders relevant sind. Indem der/die Mentor:in sein/ihr eigenes Netzwerk teilt, ermöglicht er/sie der Mentee einen beschleunigten Zugang zu Informationen und Chancen, die sonst möglicherweise verborgen geblieben wären.
Die gläserne Decke in deutschen Krankenhäusern
Im Krankenhaus gibt es keine gläserne Decke, sondern eine aus Beton! Allerdings bringt der Begriff die Situation gut auf den Punkt. Frauen sind im Karriereverlauf mit nicht sichtbaren Barrieren konfrontiert, die sich oft an der Schwelle zu oberen Führungspositionen bemerkbar machen und denen Männer mit vergleichbarer Qualifikation nicht in der Weise ausgesetzt sind. Im ärztlichen Dienst zieht sich die gläserne Decke beispielsweise an der Stufe zur Oberärztin, und auch in der Pflege ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Verhältnis zu den Beschäftigten geringer. Deshalb gilt es, unsichtbare Hindernisse sichtbar zu machen und mit vereinten Kräften – also von unten und von oben – Löcher ins Glas zu bohren und Durchgangsmöglichkeiten für alle zu schaffen.
Warum ist Chancengleichheit für Krankenhäuser wichtig?
Drei zentrale Aspekte spielen hier eine Rolle:
- Krankenhäuser stehen unter wachsendem Druck, Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten. Niemand kann es sich leisten, auf qualifizierte Frauen als Arbeitskräfte zu verzichten.
- Der Anteil weiblicher Fachkräfte ist in vielen medizinischen Berufen höher als der männliche. Die Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet sein, dass sie für Frauen attraktiv sind.
- Verbesserungen für Frauen kommen allen zugute. Bessere Strukturen und gerechtere Karrierechancen stärken das gesamte System.
Geht es beim Mentoring für Frauen nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Ganz im Gegenteil! Vereinbarkeit ist ein wichtiges, aber nicht das einzige Thema. Viele Frauen beschäftigen sich mit Fragen zur Karriereplanung, dem Wechsel ins Management oder wissenschaftlicher Arbeit. Das Mentoring-Programm bietet eine Plattform, um genau diese Themen anzugehen.
Häufig ist es sogar so, dass der erste Gedanke ist, dass es darum gehen müsste, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Wir sehen Karriereentwicklung allerdings breiter. Jede Teilnehmerin darf sich überlegen, wie sie ihren beruflichen Weg weiter entwickeln möchte. Das darf neben einer Führungsaufgabe auch eine Fachexpertinnenrolle sein oder eine Ausdehnung des Tätigkeitsfeld, z.B. neben der Arbeit in der Klinik mit Patient:innen auch wissenschaftlich zu arbeiten.
Mit welcher Haltung kommen Frauen ins Mentoring-Programm?
Von Neugier bis Frust – die Motivation ist unterschiedlich. Gemeinsam ist allen Mentees die Bereitschaft, ihre Karriere selbst in die Hand zu nehmen und aktiv an ihrer Entwicklung zu arbeiten. Dabei spielen natürlich auch die Persönlichkeiten der Teilnehmenden eine Rolle. Manche haben vielleicht zunächst die Idee, dass sie entwickelt „werden“, während andere von Anfang an viel aktiver gestalten. Aber auch das ist ein Thema, welches wir aktiv ansprechen. Wir versuchen jede dabei zu unterstützen, die eigene Komfortzone etwas auszudehnen und sich zu erlauben, einen mutigen nächsten, manchmal auch kleinen Schritt zu machen. Dabei dürfen sie sich darauf verlassen, dass sie begleitet und unterstützt werden!
Welche Resonanz gibt es nach dem Mentoring-Programm?
Viele Teilnehmende berichten, dass sie durch das Mentoring einen Perspektivwechsel erleben.
- Mentees gewinnen Einblicke in die Denkweise von Führungskräften und verstehen deren Herausforderungen besser.
- Mentor:innen reflektieren durch den Austausch ihr eigenes Führungsverhalten und erkennen, wie ihre Entscheidungen bei Mitarbeitenden ankommen.
- Mentees untereinander erkennen gemeinsame Herausforderungen und unterstützen sich gegenseitig.
- Der Blick auf das Krankenhaus verändert sich: Die Teilnehmenden nehmen die Organisation als Ganzes wahr und entwickeln ein tieferes Verständnis für andere Fachbereiche.
Welche Rückschlüsse lassen sich daraus für andere Branchen ableiten?
Während dieses Beispiel aus dem Krankenhausbereich stammt, lassen sich viele Parallelen auf andere Branchen übertragen. Auch in anderen Bereichen gibt es gläserne Decken, die Frauen und andere unterrepräsentierte Gruppen in ihrer Karriereentwicklung ausbremsen. Mentoring kann in jeder Branche eine entscheidende Rolle spielen, um:
- Chancengleichheit zu fördern, indem systematische Barrieren sichtbar gemacht und angegangen werden.
- Karrierewege zugänglicher zu machen, indem Frauen und andere benachteiligte Gruppen gezielt mit Entscheidungsträger:innen vernetzt werden.
- Fachkräftemangel zu bekämpfen, indem Unternehmen ihre Talent-Pipeline diversifizieren und Mitarbeitende langfristig an sich binden.
- Kulturellen Wandel zu ermöglichen, indem Führungskräfte für Herausforderungen und Potenziale vielfältiger Teams sensibilisiert werden.
Branchenübergreifend zeigt sich: Mentoring ist nicht nur ein individuelles Karrieretool, sondern auch ein Instrument zur strukturellen Veränderung.
Wie misst man den Erfolg von Mentoring?
Wir sehen Mentoring nicht als losgelöst von der Unternehmensstrategie, sondern empfehlen, die Durchführung immer mit einem Unternehmensziel zu verknüpfen. Das kann im Rahmen des Talentmanagements sein, um interne Potenziale zu entwickeln oder auch für Chancengleichheit, weil erkannt wurde, dass es in Zeiten des Fachkräftemangels unternehmerisch klug ist, die Strukturen so anzupassen, dass auch Frauen Karriere machen können. Um bewerten zu können, ob ein Mentoringprogramm die richtige Maßnahme ist und es auch nachhaltig erfolgreich zu machen, sollten entsprechende Evaluationen vorgenommen werden.
Die folgenden Kennzahlen und Methoden helfen dabei, die Zielgerichtetheit und den Erfolg eines Programms zu messen:
Vorher-Nachher-Erhebung:
- Karrierefortschritt der Mentees (Beförderungen, Funktionswechsel, Übernahme neuer Aufgaben).
- Veränderung im Selbstbewusstsein und der Eigeninitiative der Mentees (z. B. durch Selbsteinschätzung).
- Zufriedenheit der Mentor:innen und Mentees mit dem Programm (Feedbackbögen, Interviews).
- Netzwerkbildung und interner Austausch (Anzahl neuer Kontakte und Kooperationsmöglichkeiten).
Erfolgsziele von Mentoring:
- Individuelle Entwicklung: Verbesserung von Führungskompetenzen, Karriereplanung, Wissenstransfer.
- Organisatorische Effekte: Stärkung der Talentförderung, Mitarbeiterbindung, Diversity-Förderung.
- Langfristige Wirkung: Verankerung von Mentoring als feste Entwicklungsmaßnahme.
Anpassung und Optimierung:
- Regelmäßige Feedbackschleifen zwischen Teilnehmenden und Programmverantwortlichen.
- Analyse von Abbruchraten: Warum steigen Mentees oder Mentor:innen aus dem Programm aus?
- Anpassung der inhaltlichen Schwerpunkte: Welche Themen sind besonders gefragt?
- Erhebung der Hürden und Herausforderungen: Welche strukturellen Barrieren zeigen sich?
Durch eine kontinuierliche Evaluation können Unternehmen sicherstellen, dass das Mentoring-Programm nicht nur gut gemeint, sondern auch wirkungsvoll gestaltet ist. So bleibt es ein lebendiges, weiterentwickeltes Instrument zur Förderung von Talenten.
Mentoring nützt wenig, wenn das System bleibt wie es ist
Mentoring als Mittel zur Frauenförderung muss auch kritisch reflektiert werden: Es darf nicht dazu führen, dass nur Einzelne „fit gemacht“ werden, während die Strukturen der Arbeitswelt unverändert bleiben. Häufig fühlen sich Frauen in Kontexten unwohl, die für Männer ganz selbstverständlich sind. Dazu gehört u.a. die Selbstpräsentation, dass sie sich nicht ins Wort fallen lassen oder für sich einstehen und sich durchsetzen.
Häufig wird den Frauen Impostor Syndrom nachgesagt. Dabei sind es oft die Umstände, die einfach nicht passen. Die Arbeitswelt wurde nämlich für Männer gemacht. Eine kleine Anekdote dazu: als das Fahrrad erfunden wurde und Frauen dadurch von einem Moment zum anderen mobiler und somit unabhängiger wurden, wurde behauptet, dass Frauen, die viel Fahrrad fuhren, ein sogenanntes Biclycle Face-Syndrom hätten. Das Bicycle Face-Syndrom beschreibt die Veränderung von Gesichtszügen durch den Fahrtwind beim Fahrradfahren. [3] Es ist also durchaus üblich bei neuen gesellschaftlichen Entwicklungen, dass sich eine Gegenbewegung Narrativen bedient, die diese verhindern sollen.
Fazit: Mentoring als Schlüssel zur individuellen Entwicklung und strukturellen Veränderung
Mentoring ist weit mehr als ein Karrieretool! Es ist eine nachhaltige Strategie zur Förderung von Talenten, zur Weiterentwicklung von Organisationen und zur Schaffung chancengerechter Strukturen. Die Praxis zeigt, dass gut durchdachte Mentoringprogramme nicht nur Einzelpersonen stärken, sondern auch Unternehmen dabei helfen, sich zukunftsfähig aufzustellen.
Besonders im Krankenhausbereich, aber auch branchenübergreifend, zeigt sich, dass die gläserne Decke weiterhin existiert, oft sogar in besonders harter Form. Mentoring allein wird diese Barrieren nicht beseitigen, aber es kann dazu beitragen, dass Frauen sich ihrer Möglichkeiten bewusster werden, Unterstützung finden und aktiv Veränderungen in ihren Organisationen anstoßen. Entscheidend ist, dass Unternehmen nicht nur einzelne Frauen „fit für Führung“ machen, sondern auch ihre Strukturen kritisch hinterfragen und anpassen.
Der Erfolg von Mentoring sollte daher nicht nur an individuellen Karrierefortschritten gemessen werden, sondern auch an organisatorischen Veränderungen. Durch gezielte Evaluationen kann festgestellt werden, ob das Programm wirklich dazu beiträgt, Diversität zu fördern, Chancengleichheit zu verbessern und langfristig talentierte Mitarbeitende zu binden. Unternehmen, die Mentoring strategisch einsetzen, investieren nicht nur in ihre Mitarbeiter:innen, sondern gestalten aktiv eine zukunftsfähige, inklusive Unternehmenskultur.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Mentoring ist ein wirkungsvolles Werkzeug, aber es muss klug eingesetzt und mit strukturellen Veränderungen verknüpft werden. Nur so kann es seinen vollen Nutzen entfalten und dazu beitragen, echte Chancengleichheit und langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern.
Hinweise:
Suchen Sie Unterstützung beim Thema strategisches Netzwerken oder Mentoring? Dann nehmen Sie Kontakt mit Katharina Nolden auf.
[1] Zukunftsinstitut: Megatrend-Map zum Herunterladen
[2] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Stellen werden häufig über persönliche Kontakte besetzt
[3] Bicycle Face-Syndrom
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Katharina Nolden hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u. a.:

Katharina Nolden
Katharina Nolden ist Diplom-Pädagogin, Coach der Wirtschaft (IHK) und Scrum Master (scrum.org). Sie bringt mehrjährige Erfahrung aus der Unternehmensberatung und Bildungs-, Energie-, Dienstleistungs- und Gesundheitsbranche mit. Zurzeit ist sie als Organisationsberaterin und Coachin bei QUBIC Beratung und Coaching GmbH & Co. KG angestellt. Sie berät zu den Themen: Personalauswahl – zielgerichtet und professionell, vielfältige und diverse Karriereentwicklung und neues Lernen mit innovativen Formaten.
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