Hallo, Service?!
Inhaltsverzeichnis
Was ist guter Service?
Die falsche Perspektive
Was wünschen sich Kunden?
Fazit
„Unser Service ist ein Witz!“ „Wir versprechen einfach das Blaue vom Himmel herunter, das merkt der Kunde nie!“ Oder: „Wenn wir einen Kunden gewonnen haben, dann ist der Service gar nicht mehr so wichtig!“ – Haben Sie solche Aussagen schon einmal von einem Unternehmen gehört? Natürlich nicht. Kein Unternehmen wird öffentlich zugegeben, dass der eigene Service schlecht ist. Im Gegenteil: meist versprechen Unternehmen nicht nur einen guten, zuverlässigen, zügigen Service, sondern deklarieren absolut beeindruckende, fantastische Leistungen: „Kundenservice ist für uns kein zusätzliches Angebot. Kundenservice ist das, worum sich alles dreht.“ Oder: „Wir leben Service – egal ob am Telefon, via Mail oder persönlich bei Ihnen vor Ort.“ Sehr viele Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass sie sich bei ähnlichen Produkten durch einen guten Service von Wettbewerben abheben können. Oder sollte es heißen: die Marketing-Abteilungen haben das erkannt und die Unternehmen haben Schwierigkeiten, die vollmundigen Versprechungen in die Tat umzusetzen?
Was ist guter Service?
Wenn ich Sie frage, wann Sie das letzte Mal richtig guten Service erlebt haben, müssen Sie dann nachdenken? Wenn ich Sie alternativ nach einer schlechten Serviceleistung frage, können Sie dann wie ich gleich zwischen mehreren aussuchen? Ich habe bspw. vor kurzem „Die magische Welt der Kartentricks für Erwachsene“ bei Amazon als Geschenk für einen Freund gekauft. Dieses Päckchen wurde an einem Donnerstag bei dem Nachbarn Truckenbrodt abgegeben. Nun, im gesamten Haus gibt es niemanden mit dem Namen. Die Hotline konnte mir zwar nicht sagen, warum das Paket nicht bei mir abgegeben wurde, da ich doch den gesamten Tag vor Ort war, aber immerhin initiierte sie eine erneute Auslieferung am darauffolgenden Montag. Dieses Mal an den Nachbarn Jackopsen. Jackopsen? Sollte das vielleicht Jacobsen oder Jacobson heißen? So oder so, hier im Gebäude gibt es niemanden mit diesen Namen. Auch nicht in den anliegenden Gebäuden. Dass die Ware bei Hausnummer V abgegeben wurde, macht die Sache auch nicht direkt besser. V wie 5 oder Vorderhaus oder einem Wohnkomplex in Rom? Warum das Paket nicht einfach mal bei mir direkt abgeben wird, konnte die Hotline zwar wieder nicht beantworten, aber immerhin bot sie mir eine Gutschrift meines Betrags an. Ergo: Kein Geschenk, Problem nicht gelöst, aber eine Gutschrift. Weltklasse!
3 Wochen später wurde mir übrigens persönlich eine andere Amazon-Bestellung übergeben. Fast könnte man annehmen, dass Amazon dazulernen würde. Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt einige Tausend Kilometer entfernt im Urlaub. Bis heute ist unklar, wer das Paket entgegennahm. Immerhin kann ich inzwischen einfach auf Wahlwiederholung drücken und muss nicht mehr nach der Rufnummer der Hotline suchen … Es gibt sehr viele Service-Beispiele, bei denen etwas schiefgeht. Häufig ist man als Kunde bereits froh, wenn es eine Hotline gibt, die sich um zügige Klärung bemüht. Manchmal erhält man auch einen Hinweis, dass die Überprüfung innerhalb der nächsten 45 Werktage erfolgt:
Bestimmt können Sie die Liste um zahlreiche persönliche Beispiele ergänzen. Jeder der in den letzten Wochen einen Ventilator einkaufen wollte, sich in einen Postfiliale in eine 20 Meter lange Schlange stellen musste, im Supermarkt warten durfte, weil 6 von 8 Kassen geschlossen waren, oder mal wieder den Namen der Hotline-Mitarbeiterin oder des Hotline-Mitarbeiters nicht verstanden hat, weiß, wie selten guter Service wirklich ist.
Die falsche Perspektive
- „Derzeit sind alle unsere Berater im Gespräch. Der nächste freie Berater ist für Sie reserviert.“
- „Zu Trainingszwecken zeichnen wir das Gespräch auf. Sagen Sie bitte ’nein‘, wenn Sie dem widersprechen.“
- „Wenn Sie mit einem Berater sprechen wollen, drücken Sie bitte die 5!“
- „Bitte geben Sie zunächst ihre 12-stellige Gerätenummer über die Tastatur Ihres Telefons ein oder sprechen Sie die Ziffern nach dem Signalton. Piep.“
Stellen Sie sich vor, Sie rufen mit einem Anliegen bei einem Unternehmen an und erhalten eine solche Ansage. Wie sehr freuen Sie sich darüber auf einer Skala von 0-10? Vermutlich freuen Sie sich nicht darüber. Warum auch, Sie wollen ja ein Anliegen loswerden und ein Problem lösen. Können Sie sich vorstellen, dass sich auch nur ein einziger Anrufer über automatisierte Ansagen freut? Spätestens seit die Telekom ihren traditionellen Dienst der Zeitansage („Beim nächsten Ton ist es …) im März 2005 eingestellt hat, ist es schwer vorstellbar, dass es auch nur einen einzigen Anrufer gibt, der auf der Skala mehr als 3 Punkte vergibt. Dieser eine Anrufer dürfte in einem größeren Unternehmen arbeiten, das ein ähnliches System mit automatisierten Ansagen verwendet. Und falls er nicht in einem solchen Unternehmen arbeitet, so fällt es ihm leicht, sich in Herausforderungen und Abläufe von Organisationen hineinzudenken.
Natürlich könnten Sie zu Recht einwenden, dass vor allem mittelständige und große Unternehmen aufgrund der Vielzahl täglicher Anrufe solche Systeme verwenden. Die Beantwortung von Fragen per Tastatur soll Zeit sparen. Das Abfragen von Daten und die frühzeitige Selektion des Anliegens sind Grundlage für das anschließende Gespräch mit einem geeigneten Ansprechpartner. Und was denkt der Kunde? Freut er sich darüber, ist es ihm egal oder nervt es ihn eher? Was würden Sie denken? Sie haben ein Problem, entscheiden sich gegen das Schreiben einer Mail und für einen persönlichen Anruf. Sie suchen eine passende Telefonnummer und fragen sich, warum diese auf der Website nicht direkt angezeigt wird. Sie rufen an, landen in der Warteschleife und bekommen zwischen 3 und 9 Optionen angeboten. Entdecken Sie einen Vorteil für sich? In manchen Organisationen wird in vergleichbaren Situationen behauptet, der Kunde wisse gar nicht, was für ihn gut sei. Und wissen Sie, was daran nicht gut ist? Das Unternehmen denkt aus seiner Perspektive über Probleme der Kunden nach. Aus der Perspektive des Kunden denkt es aber nicht.
Was wünschen sich Kunden?
In der eben beschriebenen Situation mit der automatisierten Ansage ist es fast unmöglich, als Kunde den impliziten Vorteil einer zügigen Klassifizierung seines Anliegen zu erkennen. Die strukturierte Erfassung von Daten, Informationen, Einsatzszenarien ergibt Sinn – aber warum kann das nicht von einem Menschen am anderen Ende der Leitung durchgeführt werden? Ist es wirklich günstiger, mit einer Maschine Probleme zu selektieren als mit einem Kunden von Mensch zu Mensch zu kommunizieren?
Kunden, die ein Problem haben und sich dann beim Lieferanten oder Hersteller melden, werden oftmals als besonders wertvolle und treue Kunden erachtet. Ein Kunde, der sich bei einem Problem nicht meldet, könnte bald zu einem Ex-Kunden werden. Er könnte seine negativen Erfahrungen in seinem Bekanntenkreis oder gar weit darüber hinaus per Twitter & Co verbreiten. Um so wichtiger ist es, wenn er sich mit einem Anliegen meldet, ab der ersten Sekunde seines Anrufs persönlich zu unterstützen. Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Aspekte, die sich unter dem Begriff „Service“ subsumieren lassen und entsprechend variieren die Wünsche der Kunden:
- Ein Kunde, der einen Update-Service für eine Software abgeschlossen hat, möchte wissen, wann die nächste Version kommt, was sie kann und wie er sie möglichst leicht in Betrieb nimmt, ohne vorhandene Daten zu gefährden. Er möchte also Sicherheit und Verlässlichkeit.
- Ein Kunde, der zwei Gardinenstangen bei einem Lieferanten bestellt und nur eine geliefert bekommt, möchte nicht von der Hotline hören, dass er doch nochmals in die Verpackung gucken sollte. Im Gegenteil: er möchte schlicht die bestellte Ware im vollen Umfang erhalten. Er möchte also Kommunikation auf Augenhöhe und keine Belehrungen.
- Ein Kunde, der auf eine Lösung wartet, möchte eine schnelle Antwort. Geschwindigkeit ist ihm besonders wichtig.
- Ein Kunde, der sich für einen Lieferanten entscheidet, möchte das dieser seine Versprechungen und Zusagen einhält. Wer bspw. einen Wartungsvertrag bei einem Unternehmen mit einer branchenüblichen telefonischen Erreichbarkeit von 9.00 – 17.00 Uhr abschließt, möchte nicht erst um 9.30 Uhr einen Ansprechpartner erreichen. Den wenigsten Kunden beschweren sich übrigens über gleichbleibende Ansprechpartner, denn mit ihnen lässt sich tatsächlich Zeit sparen und doppelte Kommunikation vermeiden. (Warum tun sich eigentlich Firmen so schwer damit, die Durchwahl konkreter Ansprechpartner im direkten Gespräch zu veröffentlichen?)
- Dinge können schief gehen – das wissen sogar Kunden. Dennoch erwarten sie vom Gegenüber ein gewisses Maß an Verständnis für die Konsequenzen, die sich für sie ergeben.
Fazit
In den allermeisten Fällen wünschen sich Kunden gar nicht so viel: Haben Sie ein Problem, dann wollen Sie es lösen. Von Herstellern und Lieferanten erwarten Sie Sicherheit und Zuverlässigkeit, Kommunikation auf Augenhöhe und die Einhaltung von Zusagen und Versprechungen. Geschwindigkeit schadet auch selten. Natürlich dürfen Menschen auch freundlich und verständnisvoll sein. Und ansonsten hoffen Kunden schlicht darauf, dass Pakete zukünftig einfach bei ihnen direkt abgegeben werden.
Hinweise:
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Michael Schenkel hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u. a.
Michael Schenkel
Leiter Marketing, t2informatik GmbH