Die Kunst Dinge wegzulassen

Gastbeitrag by | 20.04.2023

“Darf es noch ein bisschen mehr sein?”

Vielleicht kennen Sie diese Frage aus dem Fleischfachhandel? Sie wird oftmals von Verkäuferinnen oder Verkäufern gestellt, um Kund:innen zu animieren, weitere Waren oder größere Menge zu kaufen. Diese Situation kommt mir in den Sinn, wenn ich an Veränderungen in Unternehmen und den im besten Fall damit verbundenen Fortschritt denke. Häufig wird mehr geboten, mehr verkauft und mehr gekauft als nötig. Warum dies nicht der richtige Weg ist und was es mit der Kunst, Dinge wegzulassen auf sich hat, erfahren Sie jetzt.

Trendsau - Darf es noch ein bisschen mehr sein?

Warum es wichtig ist, Dinge wegzulassen

Neben dem tatsächlichen Abschließen von Aufgaben und Projekten, ist das gezielte Weglassen jener ein absoluter “Game Changer”, dem häufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Insbesondere in Veränderungsprozessen und Transformationen geht es darum, alte Verhaltensmuster und Arbeitsweisen wegzulassen, um überhaupt den Raum für Neues zu schaffen. Dies wird häufig mit der bekannten Veränderung des Mindsets gleichgesetzt.

Wenn wir uns hingegen tatsächlich auf das Tagesgeschäft konzentrieren, ergibt sich unter anderem nachstehende Liste mit Gründen für das Weglassen:

  • Konzentration auf das Wesentliche
  • Steigerung der Effizienz und Produktivität
  • Verbesserung der Qualität
  • Vermeidung von Verschwendung (Ressourcen – Menschen, Kosten)
  • Weniger Überforderung und Stress
  • Gesteigerte Zufriedenheit
  • Erhöhung der Flexibilität

Zusammenfassung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten: Geld, Qualität, Kund:innen- sowie Mitarbeiter:innen-Zufriedenheit nehmen zu!

Das gleichzeitige Verfolgen zu vieler Projekte kann zu einer Überlastung der Ressourcen und mangelnder Fokussierung führen. Das gezielte Weglassen von Projekten oder Aktivitäten in Projekten kann hingegen dazu beitragen, dass sich die beteiligten Mitarbeiter:innen auf die wichtigsten Aufgaben bzw. Projekte konzentrieren können, was häufig eine Effizienzsteigerung zur Folge hat. Und auch wenn ein gern zitierter Gedanke “done is better than perfect” lautet, bedeutet dies nicht, dass Qualität hinten angestellt wird; dies passiert jedoch oft, wenn viel, dabei aber wenig richtig gemacht wird.

Dinge wegzulassen, ermöglicht es, sich flexibler an Veränderungen der Geschäftsumgebung anzupassen und entsprechend agiler zu agieren. Es scheint fast schon paradox, dies nochmals erwähnen zu müssen, da das übergeordnete Ziel doch oftmals genau diese angestrebte Flexibilität ist.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass gezieltes Weglassen – durch die Konzentration auf Wesentliches und die effektive und effiziente Nutzung von Ressourcen – dabei hilft, Erfolg langfristig sicherzustellen.

Herausforderungen beim Weglassen

Zum einen sprechen wir davon, innovativ und zukunftsstark zu werden. Zum anderen kann die Vielzahl an Möglichkeiten erschlagend wirken. Die Offenheit für Veränderung gepaart mit der Notwendigkeit, gezielt wertstiftende Entscheidungen zu treffen, kann herausfordernd sein. Klar ist schon jetzt, dass das in Zukunft nicht einfacher werden wird.

Neben der Differenzierung zwischen Notwendigkeit und Nice-to-have liegt die Herausforderung hierbei auch darin, dass das Festhalten an alten Gewohnheiten die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt.

Was meine ich in diesem Kontext mit einer Gewohnheit, wenn doch das eigentliche Thema darauf ausgerichtet ist, mit dem stetigen Starten neuer Projekte zwar viel, aber nichts richtigzumachen?

Die Gewohnheit bringt uns zwar dazu, Vorhaben anzufangen, versetzt uns jedoch auch häufig wieder in die Position, dass wenn es unangenehm wird, oder zügige Ergebnisse ausbleiben, der Fokus schnell auf neue Ideen gerichtet wird.

Gewohnheit ist an dieser Stelle stark von einzelnen Individuen geprägt. Das, was jede:r Mitarbeiter:in und Entscheider:in im Tagesgeschäft und der operativen Umsetzung beiträgt.

Des Weiteren leben wir in einer Welt, in der wir durch verschiedene mediale und technische Möglichkeiten Transparenz fördern. Was zum einen natürlich zwischenmenschlich, insbesondere mit dem Fokus auf Werte, erstrebenswert ist. Andererseits führt diese Transparenz jedoch auch dazu, eine Angriffsfläche für soziale Erwartungen und den darauf bezogenen Umgang mit Druck zu bieten.

Alte Gewohnheiten und Verhaltensmuster, wie das Festhalten an einem falschen, bereits beschlossenen Weg und dem Drang, danach nichts zu verpassen, stehen hier also in einem klaren Konflikt zueinander. Offenheit und Bereitschaft zu experimentieren, bietet jedoch die Chance, diese beiden Fronten zusammenzuführen. Vorausgesetzt man überwindet vorhandene Ängste und Unsicherheiten, die einen auch von diesen Schritten zurückhalten.

An dieser Stelle schließt sich der Kreis, denn in einem Veränderungsprozess ist das Weglassen von Dingen oft der erste Schritt. Wenn wir eine neue Gewohnheit etablieren wollen, müssen wir oft alte Gewohnheiten loslassen.

Wie lässt sich das Weglassen nun umsetzen?

Das Warum haben wir geklärt, der nächste und vor allem praktische Schritt ist jetzt das Wie zu verstehen. Ich werde Ihnen nachstehend einige Möglichkeiten aufzählen, verzichte jedoch bewusst an dieser Stelle auf eine Vertiefung, da Sie letztendlich für sich selbst herausfinden müssen, welche “Wies” Sie beim gezielten Weglassen am besten unterstützen können.

  • Permanente Ausrichtung an übergeordnete Ziele und Herausforderungen (Kulturwandel, Kundenzufriedenheit, Wirtschaftlichkeit)
    + Wird das, was ich vorhabe zu starten, dazu beitragen, das übergeordnete Ziel zu erreichen oder wird es dieses eher ausbremsen?
  • Überprüfung der eigenen Aktivitäten und Ziele
    + Trägt das, was ich gerade mache, dazu bei, dass ich mein übergeordnetes Ziel erreiche?
    + Ist mein Ziel noch aktuell oder macht es Sinn, dieses ebenso anzupassen?
  • Verzicht auf unwichtige Aktivitäten und Gegenstände
    + Was ist nun eigentlich wichtig? Was ist dringend? Wie sehe ich schnelle Ergebnisse, um zeitnah nächste Schritte abzuleiten? Benutze ich die richtigen Werkzeuge?
  • Vermeidung von Multitasking
    + Die richtigen Dinge tun UND die Dinge richtig tun.
  • Eselsbrücken der agilen Bubble
    +”Simplicity – The Art of maximizing the work not done – is essential.” (Das hier wohl passendste Prinzip, der zwölf agilen Prinzipien.)
    + Oder wie es aus der Kanban-Welt so schön heißt: Stop starting, start finishing.

Der Abschnitt mit den Lösungen scheint sehr kurz, wenn man betrachtet, wie groß die Herausforderungen und die Notwendigkeit des Weglassens erscheinen. Zurecht, denn wie bereits erwähnt, bin ich der Auffassung, dass nicht jeder Ansatz eine obligatorische Lösung für jeden bietet.

Fazit

Lassen Sie mich ganz offen sein, ich spreche mich nicht davon frei, ein großes Interesse an Innovationen und Trends zu haben. Insbesondere, wenn es darum geht, Neues zu lernen, fühle ich mich teilweise von Informationen, Möglichkeiten und mittlerweile Unmengen an zur Verfügung stehendem Wissen erschlagen. Dennoch muss ich mir und vielleicht auch Sie sich eingestehen, dass Optimierungen und Anpassungen auch nur dann funktionieren, wenn wir bewusste Entscheidungen treffen und manche Wege gezielt und qualitativ hochwertig zu Ende bringen.

Wenn man den vollen Umfang betrachtet, daraus lernt und zukünftige Entscheidungen ableitet, (und nein, das bedeutet nicht, Wege zu gehen, bei denen man früh erkennt, dass sie falsch sind) dann kann das zu Ende bringen auch bedeuten, ein Projekt zu streichen und neue Wege einzuschlagen.

Nehmen Sie sich genug Zeit zum Reflektieren. Auch wenn diese erst einmal als wenig produktiv erscheint, dient die Reflexion langfristig vor allem dazu, bessere Entscheidungen zu treffen. Manchmal kann ein bewusstes Nein gegen etwas auch ein Ja für etwas anderes bedeuten.

Darf es noch ein bisschen mehr sein? – Nein, heute nicht. Danke.

 

Hinweise: 

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Vanessa Steffen möchte Sie ermutigen, Ihre Best Practices zu teilen:

  • Was hat beim Weglassen gut für Sie funktioniert?
  • Was können Sie mit uns teilen?
  • Welche Fehler haben Sie gemacht und was können wir daraus lernen?

Sicherlich freut sich Frau Steffen auf einen interaktiven Austausch. Denn gemeinsam stärker zu sein, kommt nie aus der Mode!

Vanessa Steffen hat zwei weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht:

t2informatik Blog: Agilität als Buzzword? Ja, bitte!

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t2informatik Blog: Der Weg zurück ins Büro

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Vanessa Steffen
Vanessa Steffen

Eine Welt, in der Mitarbeiter:innen ihr volles Potential entfallen und Unternehmen einen echten Einfluss haben. Das ist die Motivation von Vanessa Steffen, die sich in den letzten Jahren auf agile Organisationsentwicklung und Unternehmensführung spezialisiert hat. Mit Truelutions bietet Vanessa Steffen ein interdisziplinäres Netzwerk, welches für jede Herausforderung die richtigen Expert:innen hat.