8 Gründe für professionelle Anforderungsmanagement-Tools

Gastbeitrag von | 08.05.2023

Als Hersteller technischer Produkte ist es unerlässlich, alle Anforderungen im Blick zu behalten und sicherzustellen, dass sie erfüllt werden. Oftmals werden dafür noch immer Office-Tools, Wikis oder Ticket-Systeme genutzt. Doch diese Tools haben ihre Grenzen, wenn es darum geht, komplexe Anforderungen zu verwalten, Änderungen nachzuvollziehen und mit mehreren Stakeholdern zusammenzuarbeiten.

Spezialisierte Anforderungsmanagement-Tools können diese Aufgaben erheblich erleichtern und verbessern. Trotzdem zögern viele Unternehmen noch immer, solche Lösungen einzuführen. Einige sind der Meinung, dass sie bereits über ausreichende Prozesse und Werkzeuge verfügen, um ihre Anforderungen zu verwalten. Andere erkennen den Bedarf nicht und glauben, dass die Verwendung eines zusätzlichen Tools keine signifikante Vorteile bietet.

Anforderungsmanagement-Tools bieten jedoch spezialisierte Funktionen, die es Unternehmen ermöglichen, Anforderungen effektiver zu verwalten, zu verfolgen und zu kommunizieren. Diese Funktionen können dazu beitragen,

  • die Fehlerquote zu verringern,
  • die Effizienz zu steigern und
  • die Zusammenarbeit zwischen Teams zu verbessern.

Im Folgenden möchte ich daher die wichtigsten Gründe nennen, warum es fahrlässig wäre, weiterhin das Anforderungsmanagement ohne spezialisierte Tools durchzuführen.

Bessere Organisation und Nachverfolgung

Wenn Anforderungen in Office-Produkten oder Wikis verwaltet werden, kann es schwierig sein, den Überblick zu behalten. Es kann nicht nur unübersichtlich werden, welche Anforderungen bereits umgesetzt wurden und welche noch offen sind, sondern auch welche Querabhängigkeiten zwischen Anforderungen bestehen.

Mit einem Anforderungsmanagement-Tool wird dies deutlich einfacher. Die Software ermöglicht eine strukturierte und organisierte Verwaltung der Anforderungen und sorgt dafür, dass nichts verloren geht oder übersehen wird. Der entsprechende Fachbegriff lautet Traceability. Unterscheiden lassen sich verschiedene Arten:

  • Die Pre-Requirements Traceability bezeichnet die Nachvollziehbarkeit zwischen Anforderungen und ihrer Quelle. Beispiel: Welcher Stakeholder interessiert sich für welche Anforderung?
  • Die Post-Requirements Traceability bezieht sich auf Anforderungen und ihre Beziehungen zu anderen Artefakten wie Entwurf, Code, Testfälle etc. Beispiel: Welcher Testfall testet welche Anforderung?
  • Die Inner Traceability bezieht sich auf die Beziehung von Anforderungen wie Business-, Stakeholder- oder Solution-Requirements untereinander sowie zu ihrer Dokumentation bspw. im Lastenheft.
  • Die Requirements-to-Task Traceability beschreibt die Verbindung von Anforderungen zu Aufgaben im Projektmanagement. Beispiel: Welcher Entwickler hat die Anforderung X mit welchem Aufwand realisiert?

Kurzum: Mit einem professionellen Anforderungsmanagement-Tool lassen sich Anforderungen leichter überwachen, sodass Probleme schneller erkannt werden und sich idealerweise schneller beheben lassen.

Bessere Kommunikation und Zusammenarbeit

Anforderungsmanagement ist nicht nur eine Frage der Organisation, sondern insbesondere auch der Kommunikation. Wenn Anforderungen nur in Dokumenten festgehalten werden, kann es jedoch schwierig sein, Informationen mit anderen zu teilen.

Anforderungsmanagement-Tools ermöglichen es, dass alle Beteiligten auf einen Blick sehen können, welche Anforderungen es gibt, in welchen Bearbeitungszustand sie sich befinden und wer was tun muss. Die Möglichkeit, Diskussionen direkt in der Software zu einzelnen Anforderungen zu führen, Kommentare zu hinterlassen oder Freigaben zu dokumentieren, erleichtert zudem die Zusammenarbeit aller Beteiligten.

Höhere Effizienz und Qualität im Anforderungsmanagement

Das Hauptziel des Anforderungsmanagements ist es, sicherzustellen, dass die richtigen Anforderungen richtig verstanden und richtig umgesetzt werden.

Durch den Einsatz von Anforderungsmanagement-Tools wird dieser Prozess deutlich effizienter. Anforderungen können nicht nur an zentraler Stelle dokumentiert, sondern insbesondere auch auf sprachliche Genauigkeit und Vollständigkeit hin überprüft werden. Dies führt dazu, dass  Nacharbeiten auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. “Übliche” Klärungsrunden zum Inhalt oder Status von Anforderungen entfallen meist gänzlich.

Verbesserte Skalierbarkeit

Wenn ein Produkt wächst und sich weiterentwickelt, steigt auch die Anzahl der Anforderungen, zugehörigen Lösungsideen und Testfällen. Was vielleicht zu einem gewissen Zeitpunkt noch in Office-Dokumenten funktionierte, stößt irgendwann unweigerlich an Grenzen. Vermutlich scrollt niemand gerne in einem Excel-Dokument mit 5.000 Zeilen oder in einem Word-Dokument mit mehreren 100 Seiten, oder?

Eine spezialisierte Anforderungsmanagement-Lösung kann hingegen problemlos mit einer zunehmenden Anzahl an Artefakten skalieren, ohne dass die Funktionalität oder Bedienbarkeit darunter leidet. Dies ist besonders wichtig, wenn ein Unternehmen neue Produkte auf den Markt bringt, Produktvarianten entwickelt oder Bestehendes effizient wiederverwenden möchte.

Unterstützung bei der Einhaltung von Standards und Vorschriften

Viele Branchen haben spezifische Standards und Vorschriften, die bei der Entwicklung von Produkten eingehalten werden müssen.

Ein Anforderungsmanagement-Tool kann dabei helfen, diese Vorgaben zu erfüllen, indem es sicherstellt, dass die regulatorischen Anforderungen erfasst, berücksichtigt und nachgewiesen werden. Zudem kann es bspw. bestimmte Funktionen oder Tests vorschlagen, die für die Einhaltung von Standards erforderlich sind, Dokumente und Reports auf Knopfdruck erzeugen oder den Lebenszyklus einzelner Anforderungen lückenlos dokumentieren.

Schnelle und nahtlose Integration in die vorhandene Toollandschaft

Die (technisch) führenden Anforderungsmanagement-Tools sind heute so gestaltet, dass sie nahtlos in bestehende Arbeitsabläufe und Toolketten integriert werden können, ohne signifikante Änderungen an Prozessen oder Abläufen zu erfordern. Rollouts, die bei früheren Anforderungsmanagement-Tools oft Monate bis Jahre dauerten, können heute in wenigen Tagen bis Wochen bewältigt werden. Viele Hersteller veröffentlichen und vermarkten daher entsprechende Schnittstellen-Informationen oder bieten die Anbindung an vorhandene Lösungen an.

Intuitive Bedienbarkeit aktueller Anforderungsmanagement-Tools

Professionelle Anforderungsmanagement-Tools gibt es bereits seit den 1980er Jahren, als der Fokus auf softwarebasierte Systeme immer stärker wurde und die Komplexität und Umfang von Anforderungen zunahmen. Die frühen Anforderungsmanagement-Tools waren jedoch oft sehr einfache Texteditoren oder Tabellenkalkulationen, die nur begrenzte Funktionalitäten und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit boten.

In den 1990er Jahren entwickelte sich das Anforderungsmanagement dann zu einem eigenständigen Bereich innerhalb der Softwareentwicklung und es entstanden erste spezialisierte Anforderungsmanagement-Tools. Diese Tools boten erweiterte Funktionen wie die Verwaltung von Anforderungen, Traceability, Versionierung und die Möglichkeit zur Zusammenarbeit. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass frühe Generationen von Anforderungsmanagement-Tools äußerst komplex und kompliziert wirkten bzw. waren. Dieser Ruf haftet vielen Lösungen leider auch heute noch unberechtigterweise an.

Die meisten aktuellen Anforderungsmanagement-Tools bieten inzwischen eine gute User Experience. Sie sind sehr einfach zu bedienen und haben intuitive Benutzeroberflächen. Darüber hinaus bieten zahlreiche Anbieter engmaschige Unterstützung bei der Einführung entsprechender Software an.

Schnelle Amortisation

Die Vorteile der Verwendung eines Anforderungsmanagement-Tools wie bspw. eine verbesserte Effizienz und Produktivität, Transparenz und Kommunikation führt trotz der notwendigen Anschaffungs- und Einführungskosten schnell zu einer Amortisation. Werden zudem mögliche Fehler und Unklarheiten im Kontext von Anforderungen frühzeitig erkannt und behoben, lassen sich teure Korrekturen im späteren Projektverlauf vermeiden. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Kosten.

In der Regel führt bereits eine Einsparung von nur wenigen Arbeitsstunden pro Nutzer und Monat zu einem positiven ROI von über 1; ein Wert der bei typischen Produktherstellern erfahrungsgemäß mehr als übertroffen wird.

Fazit

Die Verwendung von Anforderungsmanagement-Tools ist für Hersteller von technischen Produkten inzwischen unerlässlich, um den Überblick zu behalten, wichtige Anforderungen nicht zu übersehen und die Qualität ihrer Produkte zu verbessern.

Diese Tools steigern die Effizienz und Qualität des Anforderungsmanagements erheblich: sowohl im unmittelbaren Erarbeiten und Pflegen von Anforderungen als auch in der Nutzung der Anforderungen während der eigentlichen Entwicklung. Zusätzlich bieten sie eine verbesserte Skalierbarkeit und unterstützen Unternehmen dabei, regulatorische Standards einzuhalten und nachzuweisen.

Aufgrund der intuitiven Bedienbarkeit, nahtlosen Integration und schnelle Amortisation heutiger Anforderungsmanagement-Tools gibt es faktisch keine Gründe mehr, auf den Einsatz solcher Tools zu verzichten.

Vielmehr ist es im Hinblick auf die zunehmende Komplexität technischer Produkte geradezu fahrlässig in erfolgskritischen Entwicklungsprojekten weiterhin auf eine “stiefmütterliche” Tool-Unterstützung des Anforderungsmanagements zu setzen.

 

Hinweise:

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Dr. Sebastian Adam hat einen weiteren Beitrag im t2informatik Blog veröffentlicht:

t2informatik Blog: Smart Requirements Engineering

Smart Requirements Engineering

Dr. Sebastian Adam
Dr. Sebastian Adam

Dr. Sebastian Adam ist Geschäftsführer der OSSENO Software GmbH und operativ für die Bereiche Produktinnovation und Marketing verantwortlich. Vor seiner Zeit bei OSSENO arbeitete er mehr als 10 Jahre lang als Berater, Wissenschaftler und Teamleiter für Requirements Engineering am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE). Dr. Adam hat bereits mehrere Duzend Unternehmen begleitet und verfügt über branchenübergreifende Best Practices bezüglich der Einführung und Durchführung von Requirements Engineering.