Kano-Modell
Inhaltsverzeichnis: Definition – Ursprung – Visualisierung – Merkmale im Detail – Beispiele – Erkenntnisse – Analyse von Produktmerkmalen – Wettbewerb – Download – Hinweise
Wissen kompakt: Das Kano-Modell beschreibt den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und der Erfüllung von Kundenanforderungen, indem es Produktmerkmale definiert, auf die Anwender unterschiedlich reagieren.
Kano-Modell Definition
Das Kano-Modell beschreibt den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und der Erfüllung von Kundenanforderungen. Es wird daher auch als Modell der Kundenzufriedenheit bezeichnet.
Den Namen hat das Modell von Noriaki Kano, einem ehemaligen Professor der Tokyo University of Science. Er erkannte bereits 1978, dass Kundenanforderungen fünf verschiedene Merkmale besitzen können, die unterschiedliche Auswirkungen auf die Zufriedenheit des Kunden haben:
- Basismerkmale
- Leistungsmerkmale
- Begeisterungsmerkmale
- Unerhebliche Merkmale
- Rückweisungsmerkmale
Jedes Merkmals kann sich sowohl auf Produkte als auch auf Dienstleistungen beziehen und jedes Merkmals kann Einfluss auf die individuelle Kundenzufriedenheit haben.
Der Ursprung des Kano-Modells
Das Kano-Modell geht auf die Zwei-Faktoren-Theorie – auch als Motivation-Hygiene-Theorie bezeichnet – von Frederick Herzberg aus dem Jahre 1959 zurück. Der amerikanische Professor der Arbeitswissenschaft definierte Motivatoren und Hygienefaktoren und beschrieb Zufriedenheit und Unzufriedenheit nicht als Gegensätze, sondern als zwei unabhängige Eigenschaften. Herzberg hatte beobachtet, dass Zufriedenheit nicht automatisch entsteht, nur weil es keine Gründe für Unzufriedenheit gibt.
Das Kano-Modell ist eine Übertragung aus der Arbeitswissenschaft in die Analyse der Kundenwünsche. Die Basismerkmale des Kano-Modells entsprechen den Hygienefaktoren der Zwei-Faktoren-Theorie. Leistungsmerkmale und Begeisterungsmerkmale sind vergleichbar mit den Motivatoren.
Die Visualisierung des Kano-Modells
Aus der Visualisierung des Kano-Modells lassen sich einige Erkenntnisse ableiten:
- Da keine konkreten Messpunkte angezeigt werden, lassen sich lediglich qualitative und keine quantitativen Aussagen treffen. Ein Leistungsmerkmal hat bspw. Auswirkung auf die Kundenzufriedenheit, welches Leistungsmerkmal im Vergleich mit einem anderen Leistungsmerkmal wichtiger ist, lässt sich aber nicht ablesen.
- In der Mitte der Abbildung befindet sich die sogenannte Indifferenzzone. Hier verhalten sich die Zufriedenheitswerte moderat. Außerhalb der Indifferenzzone steigen bzw. sinken die Zufriedenheitswerte der Basis- und Begeisterungsmerkmale „überproportional“, während sich die Leistungsmerkmale „linear“ entwickeln.
- Im Laufe der Zeit verschieben sich häufig Merkmale. Aus Begeisterungsmerkmalen können im Laufe der Zeit Basismerkmale werden (Beispiel: „Wischen“ auf Smartphones) und Verschiebungen in „entgegengesetzter“ Richtung gibt es auch (Beispiel: Extrakosten für Sitzplätze, Gepäck oder Essen an Bord bei Flugreisen).
Merkmale im Modell der Kundenzufriedenheit im Detail
Noriaki Kano definiert in seinem Modell fünf Kriterien, die Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben:
Basismerkmale
Basismerkmale auch Basisfaktoren oder expected requirements genannt – sind für Kunden selbstverständlich und werden vorausgesetzt. Sie gelten als Muss-Kriterien.
Fehlende Basismerkmale sorgen für unzufriedene Kunden, vorhandene Basismerkmale erzeugen jedoch keine Zufriedenheit.
Selbst mit einer sehr guten Qualität einzelner Basisfaktoren lässt sich die Zufriedenheit von Kunden nicht steigern.
Beispiel: Ein Motorrad hat zwei Räder. Hätte es weniger als zwei Räder, wären potentielle Motorradfahrer bestimmt sehr unzufrieden. Hätten die Räder ein besonderes Reifenprofil, wäre es den meisten Motorradfahrern vermutlich egal.
Leistungsmerkmale
Leistungsmerkmale – auch Leistungsfaktoren, Qualitätsmerkmale oder normal requirements genannt – werden von Kunden explizit erwartet. Sie haben direkten Einfluss auf die Zufriedenheit. Oftmals vergleichen Kunden verschiedene Produkte anhand der Leistungsmerkmale.
Fehlen Leistungsmerkmale, entsteht Unzufriedenheit, werden sie übertroffen, steigt die Zufriedenheit.
Gerade auf Märkten mit viel Wettbewerb sind sie wichtig für den Markterfolg. Per Interviews und/oder Marktbeobachtung lassen sich Leistungsmerkmale ermitteln.
Beispiel: Online-Marketing-Tools bieten die Möglichkeit an, eigene Keyword-Sets zu hinterlegen, um das Goolge-Ranking der entsprechenden Begriffe im Blick zu behalten. Lassen sich keine eigenen Sets hinterlegen oder ist die Anzahl der Keywords limitiert, führt das zu Unzufriedenheit, lassen sich aber unendliche viele Keywords beobachten, steigert dies die Zufriedenheit.
Begeisterungsmerkmale
Begeisterungsmerkmale – auch Begeisterungsfaktoren oder delightful requirements genannt – begeistern Kunden. Sie werden von Kunden nicht erwartet und das Fehlen entsprechender Merkmale erzeugt auch keine Unzufriedenheit.
Existiert ein Begeisterungsmerkmal, dann führt dies zu einem überproportionalen Nutzen und Vorteil.
Begeisterungsmerkmale machen Kunden zu freiwilligen Markenbotschaftern. Da viele Produkte häufig eine „Me-Too-Strategie“ verfolgen und sich so nicht von der Konkurrenz abheben können, versuchen Unternehmen manchmal mit zusätzlichen Aufmerksamkeiten Begeisterung zu erzeugen.
Beispiel: Ein Glas Sekt beim Friseur, ein zusätzliches Bobby Car beim Autokauf etc.
Hinweis: In zahlreichen Publikationen werden die folgenden beiden Merkmale nicht genannt, sie runden die Betrachtung der Einflussfaktoren auf die Kundenzufriedenheit aber ab.
Unerhebliche Merkmale
Unerhebliche Merkmale bzw. Faktoren – auch indifferent qualities genannt – führen weder zu Zufriedenheit noch zu Unzufriedenheit bei Kunden. Oder in anderen Worten:
Die Existenz bzw. Nichtexistenz der unerheblichen Merkmale hat keinen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit.
Sie sind im wahrsten Sinne des Ausdrucks unerheblich.
Beispiel: Das Abspielen von Radiosendern auf dem TV-Gerät. Die wenigsten Menschen nutzen ihr TV-Gerät, um Musik zu hören. Ergo: die wenigsten Menschen interessieren sich für die Existenz der entsprechenden Möglichkeit. Das Feature ist unerheblich.
Rückweisungsmerkmale
Rückweisungsmerkmale bzw. -faktoren – auch reverse qualities oder dissatisfiers genannt – führen durch bloße Existenz zu Unzufriedenheit.
Sind Rückweisungsmerkmale vorhanden, führt dies zu Unzufriedenheit, sind keine vorhanden, erzeugt dies jedoch keine Zufriedenheit.
Hersteller oder Dienstleister sollten also darauf achten, dass es keine Faktoren gibt, die dazu führen, dass Kunden unzufrieden sind und von der Verwendung des Produkts oder der Dienstleistung absehen.
Beispiel: Online-Formulare mit vielen Pflichtangaben, die mit dem eigentlichen Gegenstand der Anfrage/Eingabe nichts zu tun haben.
Weitere Kano-Modell Beispiele
Hier finden Sie einige Kano-Modell Beispiele für die verschiedenen Merkmale:
Basismerkmale: Farbfernseher, automatischer Sendersuchlauf im TV-Gerät, Speichern von TV-Sendern in einer gewünschten Reihenfolge, Anschlüsse für Spielkonsolen am TV, individuell einstellbare Klingeltöne im Handy, Freisprecheinrichtung, höhenverstellbares Lenkrad und Sitzheizung im Auto
Leistungsmerkmale: Auflösung des Monitors, Benzinverbrauch des Autos, kostenloser Lieferservice des Supermarkts, Haltbarkeit der Milch, Sitzheizung auf der Rücksitzbank im Auto, automatisch versenkbares Cabrio-Verdeck, Höhe des Versicherungsschutzes, Rücktransport bei Krankheit/Unfall im Ausland, kostenloser Batteriewechselservice bei Uhren in allen Filialen weltweit
Begeisterungsmerkmale: Bargeldloses Bezahlen mit dem Handy, Paketlieferungen direkt in den Kofferraum des Autos, Telefonieren mit der Armbanduhr, automatisch vorgeheiztes Auto
Unerhebliche Merkmale: Positionsanzeige des Tankdeckels im Tacho, Beleuchtung des Schminkspiegels für Autobeifahrer
Rückweisungsmerkmale: Umweltzonen in Innenstädten, Schlangen an Supermarktkassen, Rost auf nicht rostenden Schrauben, Paketlieferungen, die nicht beim Empfänger sondern irgendwo in der Nachbarschaft abgegeben werden
Hätten Sie andere Beispiele gewählt? Beurteilen Sie Merkmale unterschiedlich? Das ist verständlich, denn die Einordnung von Merkmalen bzw. entsprechender Beispiele ist stets subjektiv. Auch bei Dienstleistungen gibt es in Bezug auf Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Sorgfalt, Freundlichkeit, Sauberkeit, Reaktionszeit, Kulanz, Erreichbarkeit etc. viele Merkmale, die Kunden begeistern können oder die für sie unerheblich sind.
Erkenntnisse durch das Kano-Modell
Das Kano-Modell zeigt, dass Kunden (Anwender, Benutzer etc.) unterschiedlich auf Produktmerkmale reagieren. Daraus ergeben sich verschiedene Erkenntnisse:
- Einzelne Produktmerkmale sind für die Kundenzufriedenheit unterschiedlich wichtig.
- Fehlen Basismerkmale, dann sind Kunden unzufrieden. Produkte sollten also Basismerkmale abdecken, um den Wettbewerb um Kunden nicht frühzeitig zu verlieren. Gleichzeitig werden Sie durch Basismerkmale keine Kunden gewinnen können. Eine reine Me-Too-Strategie ist somit meist nicht zielführend.
- Leistungsmerkmale sind für Kunden sehr wichtig, denn anhand der dieser Merkmale werden Produkte und Dienstleistungen miteinander verglichen. Hier könnten Sie sich von der Konkurrenz bei gleicher Anzahl von Leistungsfaktoren mit besserer Leistung oder mit mehr Leistungsfaktoren abheben.
- Begeisterungsmerkmale führen zu überproportionaler Kundenzufriedenheit. Sie sind die Königsmerkmale von Produkten. Sie zu finden ist allerdings schwierig, denn sie lassen sich durch Interviews oder Marktbeobachtung nicht ermitteln. Hier sind einerseits Innovationen gefragt, andererseits ist auch der Zeitpunkt ein wichtiger Aspekt: bereits gegen 1997/98 gab es erste Tablet-PCs, erfolgreich vermarktet werden konnte die Idee aber erst ab 2010.
- Leistungsmerkmale und Begeisterungsmerkmale sorgen im Idealfall nicht nur für zufriedene oder gar begeisterte Kunden, sondern – je nach Branche und Geschäftsmodell – auch für Folgeaufträge, Empfehlungen, positive Bewertungen, einer sinkenden Zahl von Stornierungen, einer höheren Zahlungsmoral etc.
- Investitionen in unerhebliche Merkmale sollten Unternehmen vermeiden, denn sie haben keinen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und helfen auch nicht bei der Produktdifferenzierung.
- Die Bedeutung von Produktmerkmalen und damit die Kundenzufriedenheit ändern sich mit der Zeit. Häufig werden aus Begeisterungsmerkmalen (bspw. der Wischtechnik auf einem Smartphone) Basismerkmale. Es tritt ein Gewöhnungseffekt ein. Manchmal wird ein Basismerkmal zu einem Leistungsmerkmal (bspw. kostenlose Sitzplatzauswahl in einem Flugzeug, kostenfreie Verpflegung an Bord), die dann bei einer Differenzierung helfen.
- Rückweisungsmerkmale sollten unbedingt vermieden werden. Oft führen sie nicht nur zur Ablehnung durch einzelne Kunden, sondern „sprechen sich herum“ und das Image eines Produkts und/oder eines Herstellers leidet.
Die Analyse von Produktmerkmalen mit dem Kano-Modell
Wie können Unternehmen Produktmerkmale als Basis,- Leistungs- oder Begeisterungsmerkmale einordnen, um so die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zu erhöhen?
Hier kann eine bipolare Befragung mit positiv und negativ formulierten Fragestellungen helfen, die sich Noriaki Kano ausgedacht hat:
- Funktional – also positiv formulierte – Frage: Was würden Sie sagen, wenn das Produkt über „xyz“ verfügt?
- Dysfunktional – also negativ formulierte – Frage: Was würden Sie sagen, wenn das Produkt NICHT über „xyz“ verfügt?
Als Antwortmöglichkeiten für beide Fragen definierte Noriaki Kano:
- „Das würde mich sehr freuen“,
- „Das setze ich voraus“,
- „Das ist mir egal“,
- „Das akzeptiere ich noch“ sowie
- „Das würde mich sehr stören“.
Aus der Kombination der Antworten auf die funktionalen und dysfunktionalen Fragen ergibt sich die Einstufung der Merkmale:
Die beiden roten Felder zeigen widersprüchliche Aussagen.
Die beiden grauen Felder zeigen alternative Interpretationen (ein unwesentliches Merkmal oder eine zu hinterfragende und ggf. zu ignorierende Antwort).
Wettbewerb mit Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren
Was passiert nach der Analyse der Produktmerkmale mit Hilfe der funktionalen und dysfunktionalen Fragen? Welche Merkmale sollten als erstes realisiert werden? Stellen Unternehmen sich solche Fragen, befinden sie sich – zumindest theoretisch – bereits auf einem guten Weg. Sie stellen die Bedürfnisse der Kunden und Stakeholder in den Mittelpunkt.
Natürlich müssen Produkte und Dienstleistungen über Eigenschaften verfügen, die bei möglichen Konkurrenten ebenfalls vorhanden sind. Auf Dauer ist es unwahrscheinlich, dass Hersteller und Dienstleister auf Basismerkmale verzichten können, temporär und mit einer offenen und ehrlichen Kommunikation könnten Anwender dies möglicherweise aber akzeptieren. Der eigentliche Wettbewerb findet im Bereich der Leistungs- und Begeisterungsfaktoren statt.
Begeisterungsmerkmale sind einerseits nicht nur schwer zu identifizieren und anderseits meist auch nur von vorübergehender Dauer. Beispiel: die Wischtechnik bei Smartphones; bevor sie „erfunden“ wurde, kannte sie niemand, so dass vermutlich auch nur wenige Menschen eine entsprechende Idee äußern konnten. Heute kann jeder Anwender auf seinem Smartphone „wischen“ – die Begeisterung ist weg. Vermutlich handelt es sich nicht einmal mehr um ein Leistungsfaktor, sondern lediglich um ein Basismerkmal.
Hersteller und Dienstleister erkennen dies natürlich und versuchen daher, Produkte und Dienstleistungen extern zu ergänzen. Beispiel: Fußmatten im Auto. Früher war es üblich, dass Autos ohne Fußmatten verkauft wurden. Was tat ein Verkäufer, um potentielle Kunden zu begeistern und vom Kauf zu überzeugen? Er „schenkte“ ihnen Fußmatten. Diese waren mit einem Preis ausgezeichnet, so dass der Kunde den Eindruck gewinnen konnte, dass sich der Verkäufer besonders um ihn kümmern würde. Heutzutage ist das den allermeisten Autokäufern klar. Sie lassen sich von solchen Basismerkmalen nicht begeistern. Autohersteller bieten daher kostenfreie Garantieverlängerungen, Inspektionen und Reparaturen an. Im Sinne des Kano-Modells sind dies vermutlich keine Begeisterungsfaktoren, sondern lediglich Leistungsfaktoren. Oder sehen Sie das anders?
Ist das Kano-Modell eher ein Instrument für die Marketing-Kommunikation oder die Produktentwicklung?
Hinweise:
Wenn Ihnen der Beitrag gefällt, teilen Sie ihn gerne in Ihrem Netzwerk. Und falls Sie sich für Tipps aus der Praxis interessieren, dann testen Sie unseren beliebten Newsletter mit neuen Beiträgen, Downloads, Empfehlungen und aktuellem Wissen. Vielleicht wird er auch Ihr Lieblings-Newsletter.
Manche Dienstleister bieten Excel-Vorlagen zur Visualisierung von Merkmalen nach dem Kano-Modell an. Da Produkte leicht mehrere 100 Funktionen, Software häufig auch mehrere 1.000 Funktionen besitzen, sind die meisten Vorlagen für den praktischen Einsatz bei Produktherstellern nur bedingt geeignet.
Hier finden Sie ein Video zum Kano-Modell.
Hier finden Sie eine Anwendung des Modells im Zeitmanagement und der Überlegung, wie sich damit die persönliche Produktivität steigern lässt.
Hier finden Sie ergänzende Informationen aus unserem t2informatik Blog: