Meister Konfus – der stille Stratege im Hintergrund

Gastbeitrag von | 05.05.2025

In modernen Management-Lehrbüchern sucht man ihn vergeblich. Sein Name fällt selten auf Konferenzen. Und doch ist er im Arbeitsalltag allgegenwärtig. Überall. In fast allen Organisationen. Meister Konfus, der stille Stratege im Hintergrund, der mit seinen Lehren seit Jahrhunderten heimlich dafür sorgt, dass uns die Arbeit nie ausgeht.

Leider ist über diesen Philosophen und Denker wenig bekannt. Zu seinen Lebzeiten hatte er es sich zum Ziel gesetzt, die Verwirrung zu maximieren und damit zur Vermehrung der nicht wertschöpfenden Arbeit beizutragen. Seine Lehren wurden vor allem von seinen Schülerinnen und Schülern in Form von Lehrsätzen weitergegeben.

Statt auf Klarheit und Transparenz setzt er auf vage Informationen, überladene Prozesse, bewährte Verwirrungstaktiken, lückenhafte Kommunikation und die Untergrabung jeglichen Engagements der Beteiligten. Alles mit dem Ziel, die Menge an nicht wertschöpfender Arbeit zu erhöhen und die Verwirrung in den Organisationen zu vergrößern. Dieser stille Held der Verwirrung hat unsere Arbeitswelt mehr geprägt als jeder andere Vordenker vor ihm. Die Wirkungskraft seiner Lehren ist legendär, und man könnte sogar meinen, er erlebe eine stille Wiederauferstehung. Allenthalben ist von ineffizienten und unflexiblen Prozessen die Rede, von überbordendem Regelwerk, von Zeit-, Ressourcen- und Kapazitätsüberlastung. Sein Siegeszug durch die Konzernzentralen scheint ungebrochen.

Erst kürzlich wurde ein unbekanntes Archiv mit Lehrsätzen des großen Meisters der Verwirrung wiederentdeckt. Die vollständige Auswertung des Archivs wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Daher können an dieser Stelle nur einige Auszüge von Meiser Konfus zitiert werden.

Halte sie unmündig – alles andere führt zu Verbesserungen

Legendär ist seine Empfehlung an alle Führungskräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unmündig zu halten, da sie sonst auf die Idee kommen könnten, Dinge zu vereinfachen und zu verbessern. Stattdessen empfiehlt er:

Meister Konfus sagt, willst Du verhindern, dass Deine Organisation effektiv und effizient arbeitet, trage Sorge, dass die Mitarbeitenden in Unmündigkeit gehalten werden. Vertraue niemals in ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und ihr Können.

Die Bedürfnisse der Beteiligten ignorieren

Vielen bekannt vorkommen dürfte folgende Empfehlung des Großmeisters der Konfusion:

Meister Konfus sagt, wähle zuerst das Werkzeug und definiere dann den Prozess. Nicht umgekehrt. So stellst du sicher, dass alle damit beschäftigt sind, mit dem Werkzeug zurechtzukommen, anstatt die Qualität der Ergebnisse zu verbessern.

Gerade die Digitalisierung hat diese These befeuert. Statt sich zunächst auf die Prozesse der Zusammenarbeit zu konzentrieren und auf dieser Basis die Entscheidung für digitale Werkzeuge zu treffen, wird häufig in die Diskussion über digitale Werkzeuge eingestiegen, um dann irgendwann festzustellen, dass die gelebten Prozesse gar nicht zu den Werkzeugen passen und sich diese gefälligst an den Vorgaben der digitalen Werkzeuge auszurichten haben. Die perfekte Voraussetzung, um unnötige Arbeit entstehen zu lassen. Genau was wir für unsere moderne Arbeitswelt benötigen.

Entscheidungen unmöglich machen

Für alle, die sicherstellen wollen, dass in Besprechungen und Gremien definitiv keine Entscheidungen getroffen werden, ist der folgende Lehrsatz sehr zu empfehlen:

Meister Konfus sagt, willst Du, das am Ende nichts herauskommt und nichts passiert, erweitere den Kreis der Mitwirkenden maximal (über 10) hinaus. Je mehr, desto besser.

Die Maximierung der Teilnehmerzahl garantiert die Steigerung der Ineffizienz jedes Gremiums und wir können davon ausgehen, dass kaum Entscheidungen getroffen werden. Das ist ideal, um die Menge an nicht wertschöpfender Arbeit zu erhöhen und die Unübersichtlichkeit und Transparenz in der Organisation zu erhöhen.

In Bezug auf Entscheidungen wird übrigens folgendes vom Meister Konfusion immer wieder in ähnlicher Form empfohlen:

Meister Konfus sagt, willst Du sicherstellen, dass die Qualität der Entscheidungen schlecht ist, sorge dafür, dass niemand vor Ort ist und dass nur nach Aktenlage entschieden wird.

Der Meister war sich offensichtlich bewusst, wie wichtig es ist, Entscheidungen nicht an denjenigen vorbei zu treffen, die die eigentliche Arbeit machen und die Details der Arbeit kennen. Es ist daher wichtig zu vermeiden, dass dieses Wissen in die Entscheidungen einfließt, da sonst die Gefahr besteht, dass echte Verbesserungen entstehen.

Fokus zielgerichtet verhindern

Begrenzung der Parallelarbeit? Konzentration? Ganz gefährliches Teufelszeug. Wer Effektivität und Effizienz gezielt untergraben will, sollte sich auch hier dringend eine Lehre des Vordenkers zu Herzen nehmen:

Meister Konfus sagt, ignoriere den Fluss der Arbeit. Unterbreche ihn so oft Du kannst. Sorge dafür, dass nichts fertig gemacht werden kann. Das erhöht die Unzufriedenheit aller maximal.

Darüber hinaus dringend zu empfehlen:

Meister Konfus sagt, willst Du den Arbeitsfluss möglichst überlasten, sorge dafür, dass nicht der Engpass der Taktgeber ist.

Zudem hat er schon früh erkannt, dass man auf diese Weise an mehreren Stellschrauben drehen kann, ohne die Verschwendung in der Organisation deutlich zu reduzieren:

Meister Konfus sagt, je mehr sinnlose Tätigkeiten man ausführt, die nicht zum Ergebnis beitragen, desto geringer die Effektivität. Deshalb niemals hinterfragen, ob etwas zum Ergebnis beiträgt, da sonst die Verschwendung sinken könnte.

Den Schein wahren, um die Verschwendung richtig voranzutreiben

Um den Schein zu wahren, empfiehlt er insbesondere den Managern folgenden wirksamen Ratschlag:

Nach Meister Konfus fördert Dauerstress die Maximierung der Verschwendung durch Verschleiß und reduziert das Risiko kreativer Problemlösungen. Die Effizienzneurose ist daher ein wirksames Mittel zur Steigerung der Verschwendung. Fördere sie beständig.

Wer unter Dauerstress im Hamsterrad reagiert, hat keine Energie und Zeit, Probleme proaktiv zu lösen, bevor sie entstehen. So ist eine hundertprozentige Planerfüllung ein sicherer Garant dafür, dass alle Verbesserungsansätze bereits im Keim erstickt werden. Insbesondere dann, wenn man sich ausschließlich auf die Finanzkennzahlen konzentriert und alles andere ausblendet.

Gute Führung verhindern

Da sich unter den Führungskräften hin und wieder sogenannte Servant Leader einschleichen, die auch auf die Idee kommen könnten, Mitarbeitende mit Problemlösungskompetenzen zu fördern, hat sich Meister Konfus folgenden Trick ausgedacht, um solche Bestrebungen abzuwehren:

Meister Konfus sagt, dass gute Führung der Verschwendung entgegenwirkt. Eine kleine Leitungsspanne fördert gute Führung. Daher sollte die Leitungsspanne deutlich über 7 Mitarbeitende liegen, damit gute Führung nicht entstehen kann.

Möglichst viele Veränderungen gleichzeitig anstoßen

Grundsätzlich lehnt Meister Konfus jede positive Form der Veränderung in der Organisation ab, insbesondere wenn es um die Verbesserung von Prozessen und Ergebnissen geht. Seine Empfehlung lautet daher:

Meister Konfus sagt, wenn Du jede Verbesserung vermeiden willst, definiere nie den Zustand, den Du erreichen willst. So kannst Du sicher sein, dass Du keine Vergleiche anstellen kannst, bei denen Du eine Lücke entdeckst, die geschlossen werden kann.

Dies ist in der Tat ein hervorragendes Mittel, um zu verhindern, dass Verbesserungsmöglichkeiten erkannt und schließlich umgesetzt werden. Eine solche Ungeheuerlichkeit sollte vermieden werden, da sie direkt zu einer Verringerung der Verschwendung in der Organisation führen könnte.

Da es immer wieder zu Situationen kommen kann, in denen Veränderungen von außen gefordert werden und man sich diesen Forderungen nicht immer entziehen kann, gibt es eine weitere taktische Empfehlung, um einerseits das Gesicht zu wahren und andererseits den Versuch ins Leere laufen zu lassen:

Meister Konfus sagt, wenn Du wirkungsvolle Veränderung in Deiner Organisation auf jeden Fall verhindern willst, dann musst Du möglichst viele Veränderungen gleichzeitig anstoßen. Je mehr Initiativen, desto besser. Möglichst noch konkurrierend. So trägst Du erfolgreich zur Verschwendung bei.

Sehr gut geeignet, um jede Veränderungsinitiative schnellstmöglich zu untergraben und die Effizienz durch Maximierung von Verschwendung und Verwirrung deutlich zu steigern.

Fazit: Die Verdienste von Meister Konfus

Haben Sie an der einen oder anderen Stelle den einen oder anderen Lehrsatz wiedererkannt? Erstaunlich, nicht wahr, wie prägend die Lehren des vergessenen Meisters der Konfusion sind. Längst wird vermutet, dass seine Schülerinnen und Schüler bis in höchste Managementpositionen wirken. Sein Erbe ist jedenfalls in fast allen Organisationen auf allen Ebenen präsent. Die Verdienste des Managementtheoretikers um die Stärkung der Verschwendung und Konfusion in der Arbeitswelt sind unbestritten und haben es verdient, regelmäßig gewürdigt zu werden.

 

Hinweise:

Thomas Michl veröffentlicht in seinem Gedankenblog regelmäßig neueste Erkenntnisse von Meister Konfus. Definitiv ein Besuch wert!

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Thomas Michl
Thomas Michl

Thomas Michl ist Dipl.-Verw.Wiss. und MBA. Zehn Jahre lang war er im öffentlichen Dienst tägig, bevor er 2018 für borisgloger consulting GmbH und im Anschluss für die Exxeta AG arbeitete.  Heute ist der leidenschaftliche Agilist für die FourEnergy GmbH als Senior Business Consultant aktiv.

Thomas Michl zählt zu den Gründungsmitgliedern des Forums Agile Verwaltung und ist Vorstandsmitglied des Trägervereins. Das Forum Agile Verwaltung wird ehrenamtlich getragen und hat sich zum Ziel gesetzt, die Idee des Agilen Manifests in die öffentliche Verwaltung zu tragen, in dem es eine Plattform für den Austausch und die kollegiale Beratung bietet.

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