Wissen kompakt: Ungewissheit ist die Summe aller unerwartbaren Ereignisse. Unerwartbar sind Ereignisse, wenn sie trotz professioneller Planung nicht vorhersehbar sind.

Der Unterschied zwischen unerwarteten oder unerwartbaren Ereignissen

Sie reisen mit dem Auto von A nach B und haben auf dem Weg eine Reifenpanne. Obwohl die Reifenpanne unerwartet passiert, sind Sie darauf vorbereitet: sie haben einen Ersatzreifen an Bord. Schnell haben Sie die Reifen getauscht und die Reise nach B kann weitergehen.

Sie reisen mit dem Auto von C nach D. Auf dem Weg haben sie plötzlich zwei defekte Reifen. Gleichzeitig löst sich ein Teil Ihres Autodaches und fliegt im hohen Bogen in den Graben neben der Straße. Auf dieses Ereignis waren Sie nicht vorbereitet. Selbst bei bester Planung hätte es keine Möglichkeit gegeben, sich auf dieses Ereignis vorzubereiten, denn es war unerwartbar. Sie können Ihre Reise nicht unmittelbar fortsetzen.

Ungewissheit Definition

Ungewissheit ist die Summe aller unerwartbaren Ereignisse. Unerwartbar sind Ereignisse dann, wenn sie nicht trotz professioneller Planung nicht vorhersehbar sind. Das unterscheidet sie von unerwarteten Ereignissen, die auch eintreten können, wenn nicht ausreichend geplant oder vorbereitet wurde. In Projekten und bei der Entwicklung von Produkten tauchen sie bspw. in Form von

  • neue Kundenanforderungen,
  • veränderten Produktspezifikationen,
  • Änderungen im Planungsablauf,
  • Entwicklungsverzögerungen,
  • Qualitätsmängel im Zuliefernetzwerk,
  • Lieferausfällen,
  • personelle Wechsel oder
  • geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen

auf.

Ungewissheit - die Summe aller unerwartbaren Ereignisse

Neben einem angemessenen Projektplan sind Erwartungsmanagement und Risikomanagement wichtige Maßnahmen, um die Menge an unerwarteten Ereignissen in Richtung unerwartbarer Ereignisse zu reduzieren.

Welche Haltungen gibt es zum Begriff Ungewissheit?

Beim Umgang mit Ungewissheit treffen zwei grundsätzlich verschiedene Haltungen aufeinander:

  • Die einen sind der Meinung, dass Ungewissheit ein integrales, bestimmendes Phänomen unseres Lebens und damit nicht beherrschbar ist.
  • Die anderen betrachten Ungewissheit als ein Phänomen, dass durch ein Mehr an Wissen reduzierbar ist – bis hin zur Beseitigung; damit entsteht der Eindruck von (potentieller) Beherrschbarkeit.

Letztendlich spielt es für einen fruchtbaren Umgang mit Ungewissheit keine entscheidende Rolle, welcher Haltung man sich eher zugehörig fühlt, denn auch die scheinbare Beherrschbarkeit durch Wissen ist eine weit in der Zukunft liegende Vision.

Handeln und Entscheiden in Ungewissheit

Um in Ungewissheit entscheidungs- und handlungsfähig zu sein bzw. zu bleiben, braucht es eine gefühlte Sicherheit. Diese gefühlte Sicherheit lässt sich durch Anwendung unterschiedlichster Ansätze zu Ungewissheit erzeugen, die strukturelle Aspekte von Ungewissheit modellartig abbilden, oder aber durch das Bewusstsein um die eigenen Kompetenzen zum fruchtbaren Umgang mit Ungewissheit führen. Die notwendigen Kompetenzen sind im Vorfeld von unerwartbaren Ereignisse erlern- und trainierbar. Das verfügbare Angebot aus Wissenschaft und Praxis ist weitreichend, einen Überblick gibt eine Studie der GPM.¹

Eine hilfreiche Beschreibung für Handeln und Entscheiden in Ungewissheit stammt von Prof. Fritz Böhle, einem Sozialwissenschaftler aus München. Danach ist das Subjektivierende Handeln – umgangssprachlich könnte man hier auch von Intuition sprechen – die angemessene Form für Handeln in Ungewissheit. Subjektivierendes Handeln setzt Objektivierendes Handeln, z.B. in Form von Planung, voraus.

 

Objektivierendes Handeln Subjektivierendes Handeln
Vorgehen Planmäßig, planungsgeleitet; Trennung von Planung und Ausführung Experimentell, dialogisch-explorativ und -iterativ
Denken Formalisierbares, kategoriales (Fach-)Wissen; logisch-formales, analytisches Denken Assoziativ, wahrnehmungsgeleitet, bildhaft, verhaltens- und erlebnisbezogen, nachvollziehbar
Wahrnehmung Exaktes, objektives Registrieren Komplexe sinnliche Wahrnehmung, Sinneserfahrung und -empfindungen
Beziehung Distanziert, sachlich, affektiv-neutral Persönlich, Nähe, Einheit (Empathie)

 

Prof. Böhle hat ebenfalls erforscht, dass sich Handeln und Entscheiden in Ungewissheit miteinander verzahnen, im Gegensatz zu gewissen Situationen, in denen zunächst geplant, dann entschieden und dann gehandelt wird.

Fragen im Zuge von Ungewissheit

Es gibt eine Reihe von Fragen im Kontext von Ungewissheit. Auf einige der Fragen finden Sie Antworten in unserem Blog:

  • Planung unter Vorbehalt: Ungewissheit ist ein Merkmal in Projekten und Technologie ist ein wesentlicher Faktor für Ungewissheit. Wie können Organisationen dennoch sinnvoll planen?
  • Wie kann ich Ungewissheit vermeiden? Mit Ungewissheit verbinden viele Menschen einen Kontrollverlust, den sie vermeiden wollen. Das ist nachvollziehbar, aber nicht zielführend. Was ist die Alternative?
  • Führung in ungewissen Zeiten: Wie funktioniert Führung in einer globalen Krise? Wie entsteht Sicherheit in Zeiten der Ungewissheit und was sind Do’s und Don’ts der Führung?
  • PMO und Ungewissheit: Auf den ersten Blick widersprechen sich Project Management Offices (PMOs) und Ungewissheit. Wie könnte das Zusammenwirken beider Themen funktionieren?
  • Das Prinzip Effectuation: Wie gehen erfolgreiche Unternehmer mit Ungewissheit um? Wie können Sie dauerhaft erfolgreich am Markt agieren? Die Antwort lautet: Effectuation.
  • Wird die Welt komplexer? Gefühlt nimmt die Komplexität in vielen Bereichen zu. Welche Auswirkungen hat das beim Treffen von Entscheidungen, bei der Planung von Projekten und der Verwendung von Modellen?
  • VUKA, na und?!  Wir leben in einer volatilen, ungewissen, komplexen und ambigen Welt. Was bedeutet VUKA für Unternehmen und wie lassen sich die Herausforderungen der VUKA-Welt meistern?
  • Was wir von Raumschiff Enterprise lernen können: Die TV-Serie Raumschiff Enterprise stellt Wissen aus der Ungewissheitsforschung dar, das selbst heute noch wenig verbreitet ist. Was können wir daraus lernen?

Sicherlich fallen Ihnen noch weitere Fragen ein. Melden Sie sich gerne bei uns und wir versuchen Ihre Fragen zu beantworten oder entsprechende Beiträge zu publizieren.

Impuls zum Diskutieren:

Ungewissheit und Unsicherheit sind keine Synonyme.

Hinweise:

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Ungewissheit wird in unserem Kulturkreis tendenziell defizitär betrachtet. Ungewissheit “stört” unsere guten Pläne. Handeln und Entscheiden in Ungewissheit wird im Nachhinein gerne als “richtig” oder “falsch” eingestuft statt als konstruktives Erproben von neuen Lösungsideen. Diese defizitäre Betrachtungsweise liegt in unserer rationalen geprägten Kultur und der zunehmenden Maschinisierung seit Beginn der industriellen Revolution begründet. Sie wird von der Wissenschaft, insbesondere durch Erkenntnisse aus Sozial- und Neurowisssenschaftlern, zunehmend in Frage gestellt. Gleichzeitig ändert sich ganz allmählich auch in der Wirtschafts-Praxis die Perspektive auf Ungewissheit dergestalt, dass Ungewissheit als Chance mit ökonomischen Potential wahrgenommen wird.

[1] Hier finden Sie eine Studie der GPM zum Thema Ungewissheit.

Hier finden Sie einen Podcast zum Umgang mit Ungewissheit und Unsicherheit.

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