Werte in Organisationen

Gastbeitrag von | 07.02.2022

Jeder Mensch hat seine eigenen, persönlichen Werte. Es sind tief verwurzelte, bedeutsame Überzeugungen, Haltungen, Ideale und Bedürfnisse. Manche sind nur versteckt anzutreffen, dennoch sind sie da. Geprägt werden sie durch das Umfeld, durch Familie, Kindheit, Schule und Gesellschaft, aber auch durch die individuelle Veranlagung des Menschen. Sie bieten persönliche Orientierung und sind unser moralischer Kompass.

Werte haben Einfluss darauf, wie wir entscheiden, wie wir mit anderen Menschen umgehen, wie wir uns nach außen geben und verhalten. Hier einige Beispiele für persönliche Überzeugungen, Haltungen und Ideale:

  • Dankbarkeit
  • Disziplin
  • Ehrlichkeit
  • Friedfertigkeit
  • Harmonie
  • Mut

Nach diesen Werten richtet sich das individuelle Leben aus. Werden sie verletzt, kommt es zu Konflikten. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Mensch wider seinen Überzeugungen handelt, oder die Verletzung durch andere Menschen entstehen. Dieses Verständnis ist im beruflichen Kontext, bei der Arbeit in Organisationen oder Unternehmen so wichtig, dass ich darauf gerne etwas detaillierter eingehen möchte.

Die Wertegemeinschaft

Eine Gemeinschaft von Menschen, die gemeinsame Wertvorstellungen besitzt und diese bewusst oder teils auch unbewusst zum Ausdruck bringen, ist eine Wertegemeinschaft.¹ Solche Gemeinschaften finden sich im Freundeskreis, im Sport, in Vereinen, in Verbänden oder in Unternehmen. Stoßen Menschen zu einer bestehenden Wertegemeinschaft dazu, werden Vorstellungen (meist unbewusst) abgeglichen. Passen sie zusammen, dann wächst die Gemeinschaft. Natürlich können auch neue Werte ihren Weg in die Gemeinschaft finden und vorhandene Haltungen und Überzeugungen sich im Laufe der Zeit verändern.

Oftmals lässt sich beobachten, dass neue Werte der Gemeinschaft die persönlichen Einstellungen ergänzen. Herausfordernd wird es jedoch für die Beteiligten, wenn das “Neue” im Widerspruch zu den Gemeinschaftswerten steht, diese nachhaltig negativ beeinflussen oder sogar zerstören. In diesem Zusammenhang spricht man von toxischen Werten.

Unternehmens- und Organisationswerte

Kennen Sie die Werte des Unternehmens oder der Organisation, in der Sie aktiv sind? Wie werden diese kommuniziert? Wie werden sie gelebt? Bieten Sie Orientierung, selbst wenn sie nie besprochen oder dokumentiert wurden?

Alleine mit diesen Fragen können wir uns lange beschäftigen, denn Werte sind die Grundlage für die allermeisten Arbeitsgemeinschaften! Idealerweise sollten sie in einem Unternehmen oder einer Organisation festgehalten und transparent kommuniziert werden. Denn es geht um Gemeinsamkeiten aller Mitwirkenden, es geht um etwas, dass alle miteinander verbindet.

Beispiel: Eine Unterhaltung in einem Vorstellungsgespräch

Eine Bekannte erzählte mir von ihrem Vorstellungsgespräch bei einem Personaldienstleistungsunternehmen. “Die Werte Ihres Unternehmens finde ich gut”, sagte sie zum Geschäftsführer. Daraufhin erläuterte dieser, dass es sich um “externe” Werte handelte, die internen wären andere, die nicht auf der Website stünden und auch nicht den “externen” entsprächen. Überrascht erkundigte sich der Personaleiter beim Geschäftsführer, welche internen Werte er denn meinte, denn davon hatte er noch nie gehört.

Natürlich entschied sich meine Bekannte nicht für das Unternehmen. Werte sind für viele Menschen mehr als nur Content für hübsche Webseiten.

Da sich Haltungen und Überzeugungen auch immer in der Unternehmenskultur widerspiegeln, ist in dem Beispiel davon auszugehen, dass auch die Kultur in der Organisation  widersprüchlich ist. Der Einfluss der Werte auf die Kultur, in jeweils beide Richtungen, ist immens. Und so wird ersichtlich, warum es manchmal zu Differenzen und Konflikten kommt: Werten werden verletzt und dies macht auf Dauer krank.

Faktoren, die auf Werte einwirken - Blog - t2informatik

Einfluss von Werten auf die Kultur und letzten Endes auf die gesamte Organisation bzw. das Unternehmen

Wie bereits beschrieben: Werte verändern sich im Laufe der Zeit, insbesondere wenn Mitarbeitende eine Organisation verlassen oder neue hinzukommen. Der jeweilige Einfluss auf die Organisation hängt dabei unter anderem auch von der Größe der Organisation ab: bei kleineren Unternehmen wirkt sich jede Veränderung auf die Unternehmenswerte aus, bei mittleren und größeren ist die nur bedingt der Fall – bspw. wenn sich Geschäftsleitung verändert, hohe Fluktuation herrscht oder es zu Mergers & Acquisitions kommt.

Kurzum: Es ist individuell, wie sich Unternehmenswerte verändern. Genau hier kommen wir zu den individuellen Werten der mitwirkenden Menschen.

Werte von Menschen und Organisationen

Wenn wir Unternehmens- oder Organisationswerte in Verbindung mit den individuellen Werten eines Menschen anschauen, dann gibt es oft eine Diskrepanz. Auf den ersten Blick mag das verwundern, lässt sich aber relativ einfach erklären: Wenn sich ein Mensch dazu entschlossen hat, in einem Unternehmen zu arbeiten, dann werden die Unternehmenswerte den individuellen persönlichen  Werten vermutlich nicht gänzlich widersprechen. Sie müssen aber eben auch nicht zu 100 % adaptiert werden. Beispiel: “Nachhaltigkeit” ist für eine Person wichtig. Das Unternehmen, in dem die Person arbeitet, interessiert sich für “langfristige Kundenbeziehungen”. Diese Werte sind nicht 100 % deckungsgleich, liegen aber nah beieinander.

Genau hier liegt ein Dilemma: persönliche und unternehmerische Werte können sich unterscheiden und manchmal auf den ersten Blick sogar nicht viel miteinander gemein haben. Das ist an sich normal, denn jeder arbeitende Mensch hat persönliche und persönliche berufliche Werte:

Persönliche Werte

Die persönlichen Werte leiten jeden Menschen, geben eine Richtung und einen moralischen Kompass. In der Arbeitswelt können jedoch Hindernisse auftauchen. Beispiel: “Friedfertigkeit” ist für eine Person wichtig. Für einen Rüstungskonzern zu arbeiten, dürfte daher dem moralischen Kompass der Person widersprechen. Wenn allerdings die persönlichen beruflichen Werte genau hier eine Verbindung herstellen, kann eine Zusammenarbeit dennoch funktionieren.

Persönliche berufliche Werte

Die persönlichen Werte sind immer mit den beruflichen verbunden. Sie können komplett deckungsgleich sein (selten), müssen es aber nicht. Die beruflichen Werte sind als Adaption in die unternehmerische Welt zu verstehen.

Nehmen wir das Beispiel mit “Friedfertigkeit”: Legt das Unternehmen Wert (!) darauf, dass mit den eigenen Produkten Menschen geschützt werden, gibt es eine Überschneidung mit den persönlichen Werten, wobei der persönliche berufliche Wert nicht “Friedfertigkeit” sondern bspw. “Schutz” oder “Sicherheit” wäre.

In anderen Worten: Die persönlichen beruflichen Werte werden oft von der Aufgabe, dem Umfeld und den Inhalten geprägt.

Die Werte zusammenbringen

Nun haben wir also festgestellt, dass Unternehmen und Organisationen Werte haben (egal ob diese bewusst oder unbewusst festgeschrieben wurden), dass Menschen immer ihre eigenen persönlichen und im beruflichen Umfeld ihre persönlichen beruflichen Werte haben. Jetzt gilt es, diese im beruflichen Umfeld zusammenzubringen.

Wie zuvor beschrieben, ist dies bei kleineren Unternehmen relativ einfach: die Unternehmens- bzw. Organisationswerte haben meist Parallelen zu den persönlichen beruflichen Werten. Bei mittleren und größeren Unternehmen wird dies aufgrund der Größe schwieriger, insbesondere wenn Unternehmenswerte global, manchmal auch abstrakt, häufig frei interpretierbar oder beliebig gehandhabt werden. Da Wertegemeinschaften aber entstehen, wenn Menschen – bspw. in Teams – miteinander arbeiten, liegt genau hier der Schlüssel, um die Werte zusammenzubringen: Teams haben ihre eigenen Werte. Sie leben und arbeiten danach. Wenn neue Menschen in ein Team kommen, sind nicht nur die unternehmerischen, sondern auch die Werte im Team relevant. Leicht lässt sich dies bei Teams beobachten, in denen Werte missverstanden werden und die Zusammenarbeit nicht funktioniert; in solchen Fällen kann auch kein adäquates Ergebnis im unternehmerischen Kontext entstehen.

Aufbau von Werten

Aufbau von Werten

Fazit

Es lohnt sich, ein Bewusstsein über Werte zu entwickeln, da sich darüber die Unternehmens- bzw. Organisationskultur beeinflussen lässt. Werden die persönlichen Werte der Menschen im Unternehmen respektiert und akzeptiert, und decken sie sich mit den jeweiligen Team- oder Unternehmenswerten, entsteht oft ein wünschenswertes “Wir”-Gefühl. Es entsteht eine Gemeinschaft!

Es gibt also gute Gründe, sich mit den persönlichen, den persönlichen beruflichen, den Team- und den Unternehmens- bzw. Organisationswerten auseinanderzusetzen. Fangen Sie am besten gleich damit an.

 

Hinweise:

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[1] Werte Lexikon: Wertegemeinschaften

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen bzw. Ihrer Organisation Veränderungen starten wollen, dann lohnt sich auf jeden Fall ein Blick in den großartigen Blog von Stefan Wickenhäuser.

Stefan Wickenhäuser
Stefan Wickenhäuser

Stefan Wickenhäuser beschäftigt sich mit Veränderungen in Unternehmen. Er ist KEIN Trainer, Speaker oder Berater. Er ist ein Helfer im hier und jetzt. Für die Zukunft und die Veränderung von Menschen in Unternehmen.