Der Weg zurück ins Büro: Gründe und Lösungen
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In den letzten Jahren hat die COVID-19-Pandemie zu einer beispiellosen Verschiebung hin zur Fernarbeit geführt. Viele Unternehmen und ihre Mitarbeitenden haben sich an die neue Normalität des Homeoffice gewöhnt. Doch nun fordern immer mehr Organisationen ihre Angestellten auf, wieder regelmäßig ins Büro zu kommen. Diese Entscheidung hat vielfältige Gründe, die für Mitarbeitende nicht unbedingt immer nachvollziehbar sind.
Es ist oft schwierig, Menschen Privilegien zu entziehen, an die sie sich gewöhnt haben und deren Vorteile sie zu schätzen wissen. Dies lässt sich gut mit dem Beispiel von Kindern und Schokolade vergleichen: Kinder, die noch nie Schokolade gekostet haben, können sie auch nicht vermissen. Doch haben sie einmal die Süße erlebt und man nimmt sie wieder weg, führt das unweigerlich zu Unmut. Ähnlich verhält es sich mit dem Homeoffice – einmal gewährt und als vorteilhaft erlebt, fällt es schwer, darauf wieder zu verzichten.
Gründe für die Rückkehr ins Büro
Was veranlasst Unternehmen dazu, eine Rückkehr zum traditionellen Arbeitsmodell vor Ort zu fordern? Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist der Auslöser für die Rückkehr ins Büro unklar. Um hier für mehr Transparenz zu sorgen und das gegenseitige Verständnis zu fördern, habe ich die fünf häufigsten, mir bekannten Gründe zusammengefasst:
1. Unternehmenskultur und Teamdynamik
Die physische Anwesenheit im Büro wird oft als essentiell für die Pflege der Unternehmenskultur und zwischenmenschlichen Beziehungen angesehen.
- Kollaborative Projekte,
- spontaner Austausch und
- das Gefühl der Zugehörigkeit
können in einer gemeinsamen Arbeitsumgebung gefördert werden. Die sozialen Interaktionen, die im Büro stattfinden, sind entscheidend für die Schaffung eines gemeinsamen Sinns und Zwecks, der über die individuellen Arbeitsaufgaben hinausgeht. Unternehmen befürchten, dass diese Aspekte schwieriger zu reproduzieren sind, wenn Teams verteilt arbeiten.
2. Fehlendes Vertrauen in die Mitarbeitenden
Ein weiterer Grund für die Rückkehr ins Büro scheint das fehlende Vertrauen in die Produktivität der Mitarbeitenden im Homeoffice zu sein. Trotz zahlreicher Studien¹, die zeigen, dass die Produktivität im Homeoffice gleichbleibend oder sogar höher sein kann, bleiben Vorbehalte bestehen.
Einige Führungskräfte sind der Ansicht, dass ohne direkte Aufsicht die Arbeitsmoral sinken könnte oder dass Mitarbeitende die ihnen zur Verfügung stehende Flexibilität ausnutzen könnten. Diese Haltung offenbart häufig eine tief verwurzelte „Misstrauenskultur“ innerhalb einer Organisation, die sich schwer damit tut, Ergebnisorientierung vor Anwesenheit zu stellen.
3. Organisatorische Effizienz und Kommunikation
Einige Unternehmen beobachten, dass bestimmte Prozesse und die interne Kommunikation im Homeoffice langsamer oder weniger effektiv sind als vor Ort. Insbesondere in Branchen, die schnelle Entscheidungsfindung und enge Zusammenarbeit erfordern, kann die Rückkehr ins Büro als notwendig erachtet werden, um die organisatorische Effizienz zu steigern. Tägliche Standup-Meetings, spontane Diskussionen und die Möglichkeit, schnell auf Veränderungen reagieren zu können, sind einige der Vorteile, die das Büroumfeld bietet. Wobei man sich hier fairerweise eingestehen muss, dass ein Anruf via Teams, je nach Eskalationsstufe, häufig schneller erledigt ist, als notwendige Ansprechpartner im Büro zusammenzusuchen.
4. Umkehrung von Macht: Reaktion auf den Arbeitnehmermarkt
Eine These, die ich insbesondere im Austausch mit Angestellten in Erfahrung bringen konnte, ist die Umkehrung von Macht. Die Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt haben sich in den letzten Jahren deutlich verschoben. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels stärkte sich die Position der Arbeitnehmenden gegenüber den Arbeitgebenden. Während der Pandemie hatten viele Arbeitnehmende die Freiheit, von zu Hause aus zu arbeiten, was ihnen ermöglichte, ihre Arbeit flexibler zu gestalten und oft auch eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen. Durch die Forderung, ins Büro zurückzukehren, könnten Unternehmen versuchen, diese Machtverhältnisse zu ihren Gunsten zu rejustieren. Die physische Anwesenheit im Büro ermöglicht es den Führungskräften, mehr Kontrolle über die Arbeitsprozesse und -routinen zu haben und damit potenziell die Machtverhältnisse wieder zu ihren Gunsten zu verschieben.
5. Rechtliche und operationelle Überlegungen
In einigen Fällen können rechtliche und operationelle Überlegungen eine Rolle spielen.² Datenschutzbestimmungen, Sicherheitsanforderungen und die Notwendigkeit, spezielle Hardware oder Software zu nutzen, die nur im Büro verfügbar ist, können Unternehmen dazu veranlassen, eine Rückkehr zu fordern. Wobei darauf in den letzten Jahren ja nicht verzichtet wurde. Ganz im Gegenteil, es wurde viel Geld, Zeit und Expertise aufgebracht, um eine solche Sicherheit zu gewährleisten.
Trotz der zahlreichen Gründe für eine Rückkehr ins Büro bleibt eine wesentliche Frage offen:
Was können Organisationen tun, um Mitarbeitende effektiv zurück ins Büro zu holen?
Eine Rückkehr ins Büro ohne klar definierten Zweck ist möglich, stellt jedoch selten die beste Lösung dar. Stattdessen sollten Unternehmen folgende Strategien erwägen:
Das ‚Warum‘ klar kommunizieren
Erklären Sie den tieferen Sinn hinter der Rückkehr ins Büro und schaffen Sie einen erkennbaren Mehrwert für die Mitarbeitenden. Dazu gehört klare Kommunikation, was Sie sich als Unternehmen von den Präsenztagen erwarten. Also welches Ziel wird angestrebt oder soll durch das Vor-Ort-Sein unterstützt werden.
Mitarbeitende in die Rückkehr einbeziehen
Insbesondere im Rahmen des agilen Arbeitens wurde in den letzten Jahren immer wieder die Selbstorganisation betont. Warum sollte dies nicht auch berücksichtigt werden, wenn es darum geht, Mitarbeitende zurück ins Büro zu holen? Es könnte die Erwartung bestehen, dass Mitarbeitende an X Tagen im Büro sind – jedoch so, dass es sinnvoll ist. Das Wann und Wie sollte den Individuen und Teams selbst überlassen werden.
Gestaltung von Teamtagen
Fördern Sie den persönlichen Austausch und die Zusammenarbeit durch speziell dafür vorgesehene Tage. Erweitern lassen sich diese durch Erlebnisse, wie ein gemeinsames Frühstück oder auch einen regulären Termin für „den Kaffee“ mit den Kollegen.
Optimierung von Plätzen und Räumlichkeiten
Schaffen Sie eine Umgebung, die echte Teamarbeit unterstützt. Mitarbeitende, die physisch zusammen sind, sollten auch aktiv zusammenarbeiten. Andernfalls könnten sie genauso gut von zu Hause aus arbeiten, da dies keinen positiven Einfluss hätte. Auch die Erreichbarkeit der Räumlichkeiten, sowie gegebenenfalls Parkmöglichkeiten gilt es zu berücksichtigen.
Ernstnehmen der Bedenken der Mitarbeitenden
Hören Sie zu, wenn Mitarbeitende Vorbehalte äußern oder deutlich machen, dass sie die Gründe für die Rückkehr ins Büro verstehen wollen. Prüfen Sie, ob persönliche Umstände oder Verbesserungspotenziale in den Räumlichkeiten eine Rolle spielen.
Personalisierung des Büros
Ermutigen Sie Mitarbeitende, das Büro als ihren eigenen Arbeitsraum zu gestalten und sich dort wohlzufühlen. In Zeiten von Shared-Desk-Modellen stellt dies natürlich eine zusätzliche Herausforderung dar. Zögern Sie jedoch nicht, Kreativität zu fördern und neue Ideen zu begrüßen. Sicherlich gibt es Mitarbeitende, die leidenschaftlich gerne an solchen Themen arbeiten und gemeinsam in Workshops oder ähnlichen Formaten Lösungen entwickeln möchten. Dies muss nicht ausschließlich durch das Management oder die Abteilungen für Unternehmens- und Personalentwicklung initiiert werden.
Durch diese Ansätze können Organisationen nicht nur die physische Präsenz im Büro erhöhen, sondern auch eine positivere und produktivere Arbeitsumgebung schaffen.
Schlussfolgerung
Es stellt eine erhebliche Herausforderung dar, Menschen Privilegien oder Gewohnheiten wegzunehmen, besonders wenn sie deutliche Vorteile darin sehen. Unternehmen stehen somit vor der Aufgabe, das „Warum“ hinter der Rückkehr ins Büro klar und transparent zu kommunizieren. Eine Rückkehr, die lediglich um ihrer selbst willen erfolgt, kann zwar umsetzbar sein, führt jedoch oft zu Frustration unter den Mitarbeitenden und hat auch damit einen fundamentalen Einfluss auf die Unternehmenskultur.
Um die Akzeptanz und das Engagement der Teams zu fördern, ist es sinnvoll, ihnen Entscheidungen zu überlassen. Fragen wie
- „Wann wollen wir uns treffen?“,
- „Was wollen wir gemeinsam erreichen?“ und
- „Was können wir im Büro besser machen als zu Hause?“
sollten im Kollektiv erörtert werden. Dies fördert nicht nur die Eigenverantwortung, sondern auch die Verbundenheit mit dem Unternehmen.
Natürlich besteht das Risiko, dass einige Mitarbeitende, insbesondere diejenigen mit seltenen Qualifikationen oder einer starken Verhandlungsposition, die Rückkehr ins Büro ablehnen könnten. Hier müssen Unternehmen entscheiden, ob sie ein Machtspiel eingehen oder ob sie auf echte Ergebnisse und Kooperation setzen.
Die Entscheidung zur Rückkehr ins Büro ist vielschichtig und reflektiert eine Mischung aus organisatorischen, kulturellen und strategischen Überlegungen. Unternehmen müssen diese Entscheidungen sorgfältig abwägen, um sicherzustellen, dass sie die Produktivität und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden nicht beeinträchtigen. Ein ausgewogener Ansatz, der Flexibilität bietet und gleichzeitig die Vorteile des Büroumfelds nutzt, ist dabei von zentraler Bedeutung.
Aus meiner Sicht bleibt eine hybride Arbeitsweise eine klare Empfehlung. Das Ziel sollte es sein, miteinander und nicht gegeneinander zu arbeiten, was dem Wesen des Begriffs MITarbeitende gerecht wird.
Hinweise:
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[1] Beispielhaft PwC: Home sweet Homeoffice
[2] Es gibt zudem – insbesondere in den USA – die „Sorge“ um den Wert von Gewerbeimmobilien
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Vanessa Steffen
Eine Welt, in der Mitarbeiter:innen ihr volles Potential entfallen und Unternehmen einen echten Einfluss haben. Das ist die Motivation von Vanessa Steffen, die sich in den letzten Jahren auf agile Organisationsentwicklung und Unternehmensführung spezialisiert hat. Mit Truelutions bietet Vanessa Steffen ein interdisziplinäres Netzwerk, welches für jede Herausforderung die richtigen Expert:innen hat.