Vergessene Touchpoints der Candidate Journey
„Der wichtigste Touchpoint ist doch bestimmt die Karriereseite oder die Stellenausschreibung?“
Wenn Sie das denken, arbeiten Sie wahrscheinlich im HR-Bereich oder sitzen in der Geschäftsleitung. Doch so klar die Antwort auch scheint, sie liegt oft daneben.
Viele Unternehmen analysieren ihre Wirkung nach innen und verwenden dabei die interne Brille. Sie sprechen von Kultur, Benefits und Vision. Dabei übersehen sie das Wesentliche: Wie sie tatsächlich wahrgenommen werden. Von außen. Von Bewerbenden. Von Mitarbeitenden. Von Ehemaligen. Von Menschen, die sich ein Bild machen, lange bevor Sie überhaupt die Möglichkeit haben, aktiv zu kommunizieren.
Wir alle leben in Bubbles. Und die sind bequem, aber gefährlich.
Ob in Berlin, Kapstadt oder Bangkok: Menschen neigen dazu, ihr Umfeld als „Normalität“ zu empfinden. Was wir gewohnt sind, erscheint logisch, stimmig und richtig. Doch wer zu lange aus der gleichen Ecke schaut, vergisst schnell, dass es da draußen weit mehr gibt als die eigene Business-Bubble.
Reisen verändert diesen Blick. Es zwingt uns, Gewohnheiten zu hinterfragen. Plötzlich erscheint das, was vorher normal war, eng, starr und überholt. In anderen Kulturen gelten andere Regeln, andere Werte und andere Kommunikationsformen. Genau dieser Perspektivenwechsel fehlt oft in der Arbeitswelt.
Was das mit Employer Branding zu tun hat? Sehr viel.
Employer Branding beginnt nicht bei der Markenbotschaft. Es beginnt bei der Wahrnehmung. Und diese entsteht an unzähligen kleinen Stellen, über die wir selten nachdenken.
- Das Verhalten von Führungskräften auf LinkedIn, also was sie teilen, kommentieren oder eben nicht.
- Der Tonfall im Bewerbungsgespräch.
- Das Verhalten beim Offboarding.
- Die Authentizität der Karriereseite.
- Die Realität hinter dem Obstkorb.
Jeder dieser Touchpoints ist ein Puzzleteil. Zusammen ergeben sie das Bild, das andere von Ihnen haben. Und die große Frage lautet: Entspricht dieses Bild dem, was Sie selbst sehen, oder leben Sie in einer Illusion?
Die Candidate & Employee Journey ist mehr als ein Prozess
Wenn Sie Employer Branding strategisch denken, kommen Sie an der Candidate & Employee Journey nicht vorbei. Sie ist nicht einfach ein Prozessdiagramm auf einem Flipchart. Auch kein isoliertes HR-Projekt. Und schon gar keine Maßnahme, die man „mal eben“ umsetzt. Sie ist der rote Faden, der alles miteinander verbindet, von der ersten Wahrnehmung bis zur letzten Erinnerung.
Was viele unterschätzen: Diese Journey beginnt nicht erst mit dem Bewerbungseingang. Sie beginnt mit dem allerersten Kontakt. Vielleicht war es ein Social Media Post, eine Google Rezension, ein Auftritt auf einer Messe oder ein Gespräch im Bekanntenkreis. Die Journey startet leise, oft beiläufig, aber sie wirkt sofort.
Und genau deshalb ist sie das wirkungsvollste Instrument, das Ihnen zur Verfügung steht. Nicht durch Inszenierung, sondern durch Authentizität.
Es ist leicht, eine Journey zu entwerfen. Es ist jedoch schwer, sie glaubwürdig zu leben. Denn echte Journey-Arbeit bedeutet:
- Führung mitzudenken, nicht nur operativ, sondern auch kulturell.
- Kommunikation ganzheitlich zu betrachten, von HR über Marketing bis zur Geschäftsleitung.
- Touchpoints zu synchronisieren, statt sie nebeneinanderher laufen zu lassen.
- Fehler zu analysieren, nicht nur zu rechtfertigen.
Und vor allem: Journey-Arbeit braucht Konsequenz.
- Ein ehrliches Onboarding verpufft, wenn der Alltag später durch Kontrolle und Silodenken geprägt ist.
- Eine starke Karriereseite verliert ihre Wirkung, wenn Kandidatinnen und Kandidaten im Bewerbungsprozess keine Antwort erhalten.
- Ein inspirierender LinkedIn-Auftritt von Führungskräften bringt nichts, wenn intern kein Vertrauen gelebt wird. Wirkung entsteht immer. Die Frage ist nur: Welche?
Deshalb ist es so entscheidend, die Candidate & Employee Journey bewusst zu gestalten. Sie sollte nicht dem Zufall oder alten Mustern überlassen werden.
Übrigens: Wer heute Bewerbende ignoriert, signalisiert nicht nur Desinteresse. Er kommuniziert aktiv Desorganisation und Respektlosigkeit. Kommunikation ist ein Touchpoint. Und Ghosting ist ein negativer. Dasselbe gilt für generische LinkedIn-Posts, die fünfmal abgestimmt wurden, bis der letzte kreative Funke herausoptimiert ist. Oder für Firmen, die auf Karriereseiten von Sinn und Entwicklung sprechen, während intern Mikromanagement herrscht und Mitarbeitende regelmässig ausbrennen.
Employer Branding endet nicht beim Slogan. Es beginnt mit Ehrlichkeit.
Wie Sie aus der Bubble aussteigen mit zwei konkreten Ansätzen
1. Perspektivenwechsel durch externe Analyse
Sie brauchen nicht direkt eine aufwändige Studie, sondern einen ehrlichen Spiegel. Eine Person, die sich Ihre Touchpoints ansieht, ohne die internen Abkürzungen und gewohnten Rechtfertigungen. Jemand, der Ihre Wirkung durch die Brille der Zielgruppe betrachtet als Bewerberin, Mitarbeiter oder Beobachterin.
Das bedeutet:
- Analyse der gesamten Candidate & Employee Journey – von erster Wahrnehmung bis zum Offboarding.
- Bewertung der Kommunikation – was gesagt wird, wie es gesagt wird, was zwischen den Zeilen spürbar ist.
- Identifikation von Inkonsistenzen zwischen Anspruch und Realität.
2. Mut zur echten Begegnung
Employer Branding funktioniert nicht als Einbahnstraße. Es lebt vom Dialog. Unternehmen, die aktiv zuhören, gezielt Feedback einholen und ernsthaft reflektieren, wie sie wirken, schaffen Vertrauen.
Das können Sie konkret tun:
- Führen Sie qualitative Interviews mit Bewerbenden – auch mit jenen, denen Sie abgesagt haben.
- Fragen Sie Mitarbeitende nach Momenten, die sie begeistert oder irritiert haben und das bitte nicht nur in jährlichen Umfragen.
- Beobachten Sie, wie Ex-Mitarbeitende über Sie sprechen auf Kununu, LinkedIn oder im persönlichen Umfeld.
Denn überall dort, wo echte Begegnungen möglich werden, entsteht auch eine echte Marke.
Fazit: Vergessene Touchpoints sabotieren Ihre Candidate Journey
Sie wirken immer. Die Frage ist: Gestalten Sie diese Wirkung bewusst, oder überlassen Sie sie dem Zufall?
Wer Employer Branding ernst meint, darf sich nicht auf schöne Slogans, glänzende Karriereseiten oder perfekt inszenierte LinkedIn-Posts verlassen. Denn genau dazwischen, in den oft übersehenen, alltäglichen und vermeintlich kleinen Situationen, entscheidet sich, wie Ihre Marke tatsächlich wahrgenommen wird.
Ein nicht beantworteter Bewerbungsprozess. Ein herablassender Kommentar im Exit-Gespräch. Ein missglückter erster Arbeitstag. Das sind keine Randnotizen. Das sind Touchpoints. Und vergessene Touchpoints sabotieren Ihre Candidate Journey. Leise. Unbemerkt. Aber nachhaltig.
Und die Touchpoints? Bitte bis zum Offboarding denken. Viele Candidate Journey Konzepte hören beim Onboarding auf. Doch genau dort beginnt oft die emotionale Reise eines Mitarbeitenden. Wer sich willkommen fühlt, bleibt. Wer sich klein gemacht fühlt, sucht den Absprung. Wer mit Respekt geht, wird zur Markenbotschafterin oder zum Markenbotschafter. Wer mit Enttäuschung geht, warnt andere. Und das dauerhaft.
Die Lösung liegt nicht in mehr Marketing. Sie liegt in mehr Bewusstsein. In einem echten Perspektivenwechsel. Weg von der Innensicht, hin zur gelebten Erfahrung. Weg vom Hochglanz, hin zur Substanz.
Denn am Ende prägt nicht Ihre Botschaft das Bild. Es ist Ihr Verhalten. Und nur wer bereit ist, die eigene Bubble zu verlassen, kann anfangen, eine Arbeitgebermarke zu bauen, die trägt. Nach innen genauso wie nach außen.
Hinweise:
Sie wollen raus aus der Bubble und echte Wirkung entfalten? Dann starten Sie mit einer sauberen Analyse Ihrer Candidate Journey. Belinda Weibel unterstützt Sie mit einem ehrlichen Blick von aussen, fundierter Methodik und praxisnahen Impulsen. Damit Ihre Arbeitgebermarke nicht nur nach etwas aussieht, sondern auch etwas bewirkt. Nehmen Sie einfach mit ihr auf LinkedIn Kontakt auf.
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Belinda Weibel
Als selbstständige Beraterin bringt Belinda Weibel HR und Marketing zusammen – strategisch, digital und mit viel Gefühl für das, was Unternehmen wirklich bewegt. Sie unterstützt Organisationen dabei, starke Arbeitgebermarken aufzubauen und die gesamte Employee Experience neu zu denken.
Ihre Beratung geht dabei über die klassische HR-Sicht hinaus: Mit ihrer Erfahrung aus der Social-Media-Agenturwelt verknüpft sie strategisches HR-Know-how mit digitaler Exzellenz. Hier folgt kein Buzzword-Bingo, sondern Klartext mit Wirkung.
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