Trends in der Kommunikation

Gastbeitrag von | 16.05.2019

Ein Gespräch mit Tatjana Lackner, sechsfache Bestseller-Autorin, über Trends in der Kommunikation, über die Vorteile von Nudging, vorauseilende Rechtfertigungen und verändertes Kommunikationsverhalten im Management, über monotone Podcasts und moderne Glaubenssätze.

Nudging statt Quatsching

Tatjana, was sind gerade Trends in der Kommunikation?

Tatjana Lackner: “Nudging” funktioniert besser als “Quatsching” (lacht). Klar ist, Pissoirs mit Spinnen oder Bällen, die Dank der maskulinen Strahlkraft bewegt werden können, garantieren mehr Treffsicherheit und damit die gewünschte Reinheit. Kein Ermahnungsschreiben der Welt mit Stehsätzen, wie “Bitte halten Sie diese Toilette sauber … blabla” hat das zuvor geschafft. Für die einen handelt es sich dabei um harmloses Anstupsen und “positive Anreize setzen”. Kritiker hingegen warnen davor, die Schwächen von Mitmenschen auszunützen, sie zu manipulieren und berechnend zu konditionieren. Wieder andere halten Nudge schlicht für Quatsch. Bei Licht betrachtet führen Gebote, Verbote oder gar Strafen nicht unbedingt dazu, dass Bürger langsamer fahren, ihren Müll richtig entsorgen oder Toiletten sauber verlassen.

Lässt sich Nudging auch bspw. durch den Staat und im öffentlichen Raum nutzen?

Tatjana: Wenn der Staat seine Schäfchen sanft korrigieren möchte, dann werden Nudging-Methoden eingesetzt. Beispielsweise mit sympathischen Smileys, die lächeln, sobald man langsamer durch das Wohngebiet fährt. Anreize statt Strafen sind auch hier Thema. Die Palette der Psychotricks geht manchem jedoch zu weit. In Minnesota beispielsweise erhielten säumige Steuerzahler einen Brief mit der Info, dass 90% der Mitbürger ihre Steuerschuld bereits beglichen hätten. Siehe da, die Zahlungsmoral wurde durch den sanften Gruppendruck besser. Die Frage, die sich viele stellen, ist: Darf sich der Staat auch bei uns auf diese Art einmischen? Sind Anreize billiger als Strafen? Oder zielt das auf die menschliche Würde des Einzelnen ab? Sollen wir im modernen Kundengespräch auch “nudgen”?

Die Kommunikation im Management

Das Profiling von Führungskräften ist eine Ihrer besonderen Stärken. Verändert sich denn das Kommunikationsverhalten im Management?

Tatjana: Ich erlebe aktuell immer häufiger, dass sich Menschen gerne im Voraus rechtfertigen für Aussagen oder eine gesetzte Handlung. “Wissen Sie, ich möchte Ihnen gleich bevor ich Ihnen mein neues Team vorstelle erklären, warum ich mich für diese Mitarbeiter entschieden habe …” oder “Nur damit Sie verstehen, warum ich beim Preis gar nichts mehr machen kann …”. Hinter Rechtfertigungen steckt der Wunsch “gemocht zu werden” und sich gleichzeitig einen Freispruch zu sichern als Privatperson, die im operativen Tagesgeschäft entgegen ihren Überzeugungen handeln musste.

Steckt da vielleicht auch eine “neue” Offenheit dahinter?

Tatjana: In manchen Fällen ist es empfehlenswert, dem Gesprächspartner gleich zu Beginn reinen Wein einzuschenken. Damit werden seine Hoffnungen und Erwartungen gesenkt. Wichtig ist ebenso, dass man stets die Bemühung und den kooperativen Grundton transportiert. In der Führung von Mitarbeitern hingegen wirken Voraus-Rechtfertigungen immer so, als würde die leitende Kraft keine Verantwortung übernehmen und die Last auf den Apparat oder die Organisation abwälzen. oder “Sorry, aber der Vorstand hat gesagt, …” oder “Mir ist wichtig, dass Sie mich verstehen und erkennen, warum ich nicht anders handeln konnte. Ich musste jemanden zum Kunden senden, der sich auskennt … .” Hier wirbt eine Führungskraft für die Absolution seines Mitarbeiters und das wirkt, inflationär eingesetzt, wenig charismatisch.

Der monotone Podcast

Welche Veränderungen erleben Sie denn im Zuge der Digitalisierung?

Tatjana: Nachdem Facebook werbetechnisch schwächelt und sich Instagram immer stärker zum Frauenmedium entwickelt, auf dem es vor allem um Themen wie: Gesundheit & Food, Beauty & Make-up, Sport & Diäten, Klamotten & Accessoires geht, suchen sich viele andere Nischen.

Podcasts sind immer noch am aufstrebenden Ast. Doch etliches, was ans Trommelfell klopft, klingt gruselig und “podhässlich”. Manche sprechen beispielsweise völlig unartikuliert und leidenschaftslos und man fragt sich: Warum ist DER unter die Podcaster gegangen? Lokalkolorit, Undeutlichkeit und Monotonie verlangen Zuhörern große Transferleistungen ab, um die Inhalte zu übersetzen. Wieder ein anderer nudelt und hudelt auf einem Ton in ein mäßig gutes Mikrofon. Die nächste Podcasterin hat zwar ein hörbar besseres Equipment, aber ihre betuliche Art und die einmassierte Wortmenge an Kalendersprüchen ist nicht für jeden Hörer gleich angenehm.

Und was hilft?

Tatjana: Zuerst überlegt man sich am besten einen Avatar für seinen Podcast. Wie alt ist meine fiktive Zielgruppenperson? Wie soll sie heißen und was arbeitet sie? Je genauer man diese Avatar-Analyse macht, umso konkreter wird die Dramaturgie des Podcasts später. Danach kümmert man sich um die journalistischen Grundregeln beim Texten und legt sich einen Redaktionsplan an. Drei bis vier Stunden Sprechtechnik oder Stimmarbeit machen sich auf jeden Fall bezahlt.

Wir begleiten in der Schule des Sprechens aktuell beispielsweise einige YouTuber und Podcaster, die vom anderen Ende der Welt Texte mit uns einsprechen. Dank WhatsApp, Facetime, Zoom und Co geht das kostenfrei in der Verbindung und unsere Sprechtrainingsstunden werden genauso verrechnet wie herkömmlicher Unterricht. Gerade am Beginn machen wertvolle Tipps bei der Textauflösung viel aus. Niemand soll schließlich gelesen klingen. Wer von Anfang an frei spricht, der erlebt bald seine liebe Mühe mit Füllwörtern. Rasch schleichen sich dann die “ähs”, “sozusagen”, “sag ich einmal” ein. Das ist gerade beim Medium Podcast gefährlich, weil sich jeder diese sprachlichen Holprigkeiten immer wieder anhören kann. Man findet im Netz sogar schon Comedy-Repeater von schlechten Podcast-Sequenzen.

Aktuelle Glaubenssätze

Gibt es aktuell Glaubenssätze, die Ihnen gesellschaftlich auffallen?

Tatjana: Ja, die gibt es. Viele Menschen begegnen mir, die bereits in ihren jungen Vierzigern soziale Medien kategorisch ablehnen und sich gleichzeitig wundern, woher andere Seminarteilnehmer so viel über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen wissen. Klar ist es nicht nötig, dass jeder ein Facebookprofil bewirtschaftet und bedauerlicherweise halten manche Eltern “ab 13” nur für eine unverbindliche Empfehlung. Bestimmt tut es einer älteren Dame besser, wenn ihr Enkel mit ihr persönlich spazieren geht, statt bloß ein Foto vom Mittagstisch aus der Seniorenresidenz auf Instagram zu liken.

In den meisten Fällen lehnen die analogen Kollegen Facebook & Co ab, weil sie technisch nichts dazu lernen wollen und gleichzeitig eine diffuse Angst vor falscher Handhabung und öffentlicher Bloßstellung haben. Ihnen geht es nur vordergründig um den Zeitverlust oder den Umstand, dass “alle nur noch auf ihr Handy schauen”. Sie müssten das ja nicht.

Was sie Dank des erworbenen technisches Grundverständnisses auch in anderen Bereichen des modernen Lebens einsparen und profitieren würden, das ahnen sie gar nicht. Sie wollen zwar mailen und WhatsApp verwenden, aber darüber hinaus keinerlei Kenntnisse erwerben. Zuhauf treten sie in die Falle von Mobilfunk-Quaksalbern, Pseudo-Hackern und Kleinbetrügern, die mit der bildungsresistenten Omi von nebenan, gutes Kleingeld machen.

Vereinsamung im Alter wird durch die Digitalisierung nicht besser, aber für viele Rentner, die sich online mit anderen austauschen, erträglicher. Freizeitgestaltung und Urlaube lassen sich digital leichter administrieren und Empfehlungen durch Peers helfen das ganze Leben lang. Lernen bis ins hohe Alter impliziert technische Weiterbildung und digitale Kommunikation.

Danke für Ihre Eindrücke. Bis zum nächsten Mal.

Tatjana: Sehr gerne.

 

Hinweise:

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Informationen zu Tatjana Lackner finden Sie unter www.sprechen.com. Wissenswertes rund um das Thema Kommunikation veröffentlicht sie regelmäßig unter www.sprechen.com/blog.

Tatjana Lackner hat hier im t2informatik Blog einige weitere Beiträge veröffentlicht, u.a.:

t2informatik Blog: Generation Talk

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t2informatik Blog: Emojis in der Kommunikation

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t2informatik Blog: Die Kommunikation in kleinen und großen Unternehmen

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Tatjana Lackner
Tatjana Lackner

Tatjana Lackner gehört zu den führenden Kommunikations- & Verhaltens-Profilern. Ihr Auge erfasst Menschen. Ihr Ohr hört persönliche Details aus jeder Stimme. Sie erkennt kleinste Verhaltensaspekte. Die „Trainerin des Jahres“ (Magazin Training) ist Politiker-Coach, 6-fache Bestseller-Autorin und 2-fache Mutter und schon junge Oma. Tatjana Lackner ist durch ihre wirkungsvollen Coachings Top-Trainerin deutschsprachiger Radio- und Fernsehmoderatoren, vieler Führungskräfte, Manager, Politiker und erfolgreicher Unternehmen im In- und Ausland. Blitzschnell erkennt sie die potenziellen Lernfelder ihrer Kunden. Ihr Trainer-Feedback formuliert sie präzise, inhaltlich punktgenau und spürbar ehrlich. Tatjana Lackners Trainings, Seminare und Veranstaltungen garantieren hohen Fun-Faktor.