Transformation ist immer
- Müssen sich Unternehmen wirklich neu erfinden?
- Wo bleiben die Kunden bei der Transformation?
- Und was kommt eigentlich nach einer erfolgreichen Transformation?
Praktisch alles verändert sich, praktisch alles wird transformiert
Wir werden geboren, lernen die ersten Schritte und Worte, wachsen heran, probieren uns aus, entdecken Werte und Prinzipien, und entwickeln unsere Persönlichkeit. Wir hinterfragen uns, unsere Eltern und unsere Umwelt. Vermutlich ist Ihnen schon klar, worauf ich hinaus möchte: Wir verändern uns. Im Kleinen und im Großen. Unser Umfeld beeinflusst uns und wir beeinflussen es.¹
Veränderungen sind für jeden von uns normal. Sie sind immanent. In der Schule, später im Studium oder im Beruf, in Beziehungen, in Einstellungen und Zielen. Wir initiieren sie bewusst und erfahren sie unbewusst. Wir beschäftigen uns mit ihnen und kommunizieren darüber. Wir versuchen abzunehmen, ächten Glühbirnen und Strohhalme, und fahren mit Kreuzfahrtschiffen um die Welt. Wir stellen unsere Ernährung um, verschmähen unsere CD-Sammlungen wie wir zuvor bereits unsere Schallplatten-Sammlungen verschmäht haben. Das hat natürlich einen guten Grund: Wir können Musik heute für 10 Euro im Monat streamen. Neue Techniken bieten neue Möglichkeiten. Neue Möglichkeiten sorgen für Veränderungen bei Konsum und Einstellung. Wer eine bestimmte Musik hören möchte, muss sie nicht mehr besitzen. Wer ein Auto fahren möchte, muss dieses nicht vorher kaufen. Eigentum wird unwichtiger. Praktisch alles ist im Fluss. Praktisch alles verändert sich. Praktisch alles wird transformiert.
Die Transformation von Unternehmen
Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) ging 2018 davon aus, das bis zum Jahr 2025 rund 40 Prozent der Fortune-500 Unternehmen vom Markt verschwunden sein werden. Gerne wurde und wird diese Aussage als Indikator für gescheiterte Unternehmen interpretiert, die sich nicht anpassen können und die Zeichen der Zeit verkennen. Aber können solch allgemeine Interpretationen überhaupt stimmen?
Im Nachhinein sind wir alle schlauer. Im Nachhinein erscheinen viele Aspekte offensichtlich, doch in der Gegenwart ist es oftmals nicht so einfach, Trends, Bedürfnisse oder sich ändernde Märkte zu erkennen.
- Warum haben die allermeisten Unternehmen mehr evolutionäre als disruptive Ideen?
- Warum finden Unternehmen keine neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
- Oder warum setzen Unternehmen auf steigende Nutzerzahlen und erzielen mit diesen dennoch fast nie einen Gewinn?
Wer heute solche und ähnliche Fragen für sein Unternehmen richtig beantworten kann, hat unter Umständen gute Chancen, auch über 2025 hinaus noch am Markt zu sein.
Ähnlich wie jeder von uns, so verändern sich Unternehmen auch. Unternehmen sind soziale Gebilde, die aus Individuen bestehen. Ändert sich die Einstellung eines Individuums, beeinflusst er seine unmittelbare organisatorische Umgebung. Glauben Sie nicht? Kennen Sie Kollegen, die fast alles negativ sehen oder die sich über alles und jeden beschweren? Was macht das mit Ihnen? Beeinflusst Sie das? Und was macht das mit Ihren Kolleginnen und Kollegen?
Stellen Sie sich nun anstelle eines Miesepeters einen Sonnenschein vor, der oder die Dinge positiv sieht, wertvolles Feedback gibt und offen für Veränderung ist. Ist das nicht schon in Ihrer Vorstellung ein Unterschied? Transformation ist auch ein Prozess der kleinen Schritte. Das Problem dieser Mikro-Transformationen liegt in der mangelnden Sichtbarkeit. Ohne Kommunikation entfaltet die Veränderung nur beschränkte Wirkung. Wer sich also mit einer übergreifenden Transformation in einer Organisation beschäftigt, sollte die entsprechende Kommunikation im Auge behalten.
Wo bleiben die Kunden bei der Transformation?
Die Beschäftigung mit Veränderungen ist für Organisationen alltäglich. In den 90er Jahren ging es um Wochenarbeitszeit und um Frühstücks- und Zigarettenpausen. Aufbau- und Ablauforganisationen wurden angepasst und Unternehmen im Zuge von Diversifikationsstrategien erworben. Um die Jahrtausendwende kamen Mitarbeiterbeteiligungen mittels Aktienpaketen als Gehaltsbestandteil, die Definition und Verwendung von Geschäftsprozessen und Vorgehensmodellen, und allmählich die Erreichbarkeit 24/7 und bring-your-own-device in Mode. Heute beschäftigen sich Organisationen mit
- Unternehmensdemokratie,
- agiler und digitaler Transformation,
- New Work,
- Working out Loud,
- der Bedeutung von Vertrauen,
- dem Entwickeln einer Fehlerkultur,
- der Wahl von Vorgesetzten,
- der gemeinsamen Festlegung von Gehältern,
- der Frauenquote in Führungspositionen oder
- der agilen Organisation.
Die Liste lässt sich leicht fortsetzen. Was haben die meisten Transformationen gemeinsam? Sie beschäftigen sich mit dem Miteinander und Arbeitsbedingungen innerhalb einer Organisation. Sie sind nach innen gerichtet. Jeder dieser Aspekte ist wichtig, doch wo bleibt der Kunde? Sollte nicht der Kunde einen Vorteil durch eine organisatorische Transformation erfahren? Sollte nicht der Kunde im Mittelpunkt der Überlegungen stehen und nicht immer „nur“ die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Böse Zungen behaupten, dass die digitale Transformation die einzige Änderung ist, die den Kunden zumindest im übertragenen Sinne im Auge hat. Die Anpassung von Geschäftsmodellen kann nur mit dem Blick auf die Bedürfnisse von Anwendern, Käufern und Partnern funktionieren. Organisationen müssen für sich erkennen, wie diese Bedürfnisse aussehen.
In der Theorie adressiert auch die agile Transformation die Kunden, denn schließlich sollen sie durch das agile Vorgehen in kürzerer Zeit mehr nützliche Features – im Tausch gegen entsprechendes Feedback – erhalten. In der Praxis wird dieses Feedback relativ selten eingeholt und oftmals konzentrieren sich Organisationen nur noch auf den Sprint und die Velocity und nicht mehr auf das zu erstellende Produkt und damit nicht auf den Kunden. „Kunde und Ziel verfehlt“ dürfte das Urteil leider oftmals lauten.
Was kommt eigentlich nach einer erfolgreichen Transformation?
Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das sämtliche Abläufe digitalisiert hat – was wird das Unternehmen als nächstes tun? Vermutlich wird es versuchen, die Digitalisierung noch weiter zu treiben, Abläufe zu automatisieren und optimieren, neue Tools zu integrieren etc.
Und wie sieht es aus bei der agilen Transformation? Was passiert, wenn ein Unternehmen bspw. Scrum mit allen Ritualen, Verantwortlichkeiten und Artefakten eingeführt hat? Vermutlich wird es versuchen, Abläufe zu optimieren, sinnvollere Tools zu nutzen etc.
Und was bedeutet dies für das Thema Transformation? Abhängig vom Standpunkt
- ist der Prozess einer Transformation nie zu Ende. Was folgt auf die Agilität oder die Digitalisierung? Da es kein Ende geben kann – Unternehmen werden immer agiler und noch agiler arbeiten, sie wollen immer effizienter und effektiver agieren – ist die Transformation an sich ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess einer Organisation.
- ist nach einer Transformation vor einer Transformation. Unternehmen werden sich auch nach einer Transformation weiterhin verändern, anpassen, optimieren. Es liegt in der DNA von Menschen und somit auch von Organisationen sich zu erneuern. Eine spezifische Transformation ist daher ein Vorgang mit vorab festgelegten Zielen, Maßnahmen, Aktionen und Ergebnissen, die im Anschluss zur nächsten Transformation führen wird.
So oder so: Transformation ist immer.
Hinweise:
Wenn Ihnen der Beitrag gefällt oder Sie darüber diskutieren wollen, teilen Sie ihn gerne in Ihrem Netzwerk. Und falls Sie sich für weitere Tipps aus der Praxis interessieren, dann testen Sie gerne unseren wöchentlichen Newsletter mit neuen Beiträgen, Downloads, Empfehlungen und aktuellem Wissen. Vielleicht wird er auch Ihr Lieblings-Newsletter!
[1] Wenn Sie sich für weitere Informationen zum Thema „Einfluss“ interessieren, dann lohnt sich das Buch Invisible Influence von Jonah Berger.
Michael Schenkel hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u. a.
Michael Schenkel
Leiter Marketing, t2informatik GmbH