Team Learning: Eine Revolution in der Personalentwicklung

Gastbeitrag von | 26.10.2023

  • „Wir sind leider völlig überlastet – Zeit für Weiterbildung bleibt hierbei nicht!“
  • „Der Arbeitsalltag ist zu verdichtet! Wie sollen wir Lernzeit im Alltag schaffen?“
  • „Das Weiterbildungsangebot unseres Unternehmens ist leider zu unspezifisch – wir haben spezifischere Fortbildungserfordernisse.“

Kommt Ihnen eines dieser Statements bekannt vor?

Dann kann ich Ihnen nur empfehlen, sich einmal dezidiert mit dem Konzept des „Team Learning“ auseinanderzusetzen – aus meiner Sicht wird dieses ein elementarer Bestandteil des Corporate Learning der Zukunft!

Eine kurze Einordnung: Was ist Team Learning?

Beim Team Learning geht es darum, dass sich Teams gemeinsam Inhalte aneignen: Skills, Methoden und Fachwissen – und das nicht indem sie gemeinsam im klassischen Zwei-Tages-Seminar sitzen, sondern in kleinteiligen, innovativen Formaten wie Learning Circles, Learning Walks, etc. und vor allem in Eigenregie.

Das ist aus folgenden Gründen „revolutionär“:

  • Die Verantwortung für Lernthemen, deren Aufbereitung und passende Lernformate – und damit die Verantwortung für die Weiterentwicklung – wird dorthin gegeben, wo das Lernen tatsächlich auch stattfindet: ins Team.
  • Damit verändert sich auch die Rolle der Personalentwicklung: weg von der Rolle des generischen Fortbildungskatalog-Erstellers hin zum echten Sparringspartner für Teams.
  • Teams, die Lerninhalte selbst kuratieren, können diese viel passgenauer auf die Lernerfordernisse des Teams ausrichten – und solche kuratierten Formate werden häufig aus bestehenden und/oder kostenfreien Inhalten zusammengestellt: das heißt, Team-Learning-Formate sind letztlich auch kostengünstiger als der Besuch „klassischer“ Fortbildungen.
  • Durch den gemeinsamen Lernansatz sind Team-Learning-Formate eine Lösung für das „wir haben keine Zeit zu lernen“-Problem – gemeinsame Lernzeit wird durch die kleinteiligen Formate in den Arbeitsalltag integriert – wirkliches „learning in the flow of work“ also.
  • Letztlich zahlt gelebtes Team Learning auch auf die Team Performance ein – nicht nur durch die fachliche Weiterentwicklung, sondern auch durch das Wir-Gefühl, dass durch das gemeinsame Lernen entsteht.

Ich kann jedem Unternehmen, das auf der Suche nach einem schlanken und innovativen Ansatz für die Personalentwicklung ist, nur raten, sich deshalb mit dem Konzept des Team Learning vertieft auseinanderzusetzen. Die Idee ist aber natürlich nicht, von jetzt auf gleich nur noch in solchen Formaten zu lernen, sondern sich in mehreren Schritten an das Thema „heranzutasten“.

Vier verschiedene Level beim Team Learning

Einen guten und niederschwelligen Einstieg in das Konzept des Team Learning können kleine gemeinsame Lerninspirationsformate bieten. Hier geht es noch gar nicht ums inhaltliche Lernen, sondern schlicht darum, Zufallsimpulse ins Team zu bringen und durch diese zu einer gelebten Lernkultur beizutragen. Meine beiden Formatempfehlungen für Team Learning Level 1 sind deshalb:

  • Teilen Sie Ihre aktuelle eigene Lerninspiration in Ihrer Emailsignatur. Da steht dann z. B. „mich lerninspiriert aktuell Artikel xy, weil…“. Dies ist eine ganz niederschwellige Art, die Lernkultur im Team aktiv zu fördern – und ganz nebenbei erhält man auch selbst viele neue Lernimpulse durch die geteilten Lerninspirationen der Kolleg:innen.
  • Integrieren Sie einen Learn-In in den Team Jour fixe: Die Idee ist hier, statt eines klassischen Check-In die ersten zwei Minuten des Meetings dafür zu nutzen, die eigene aktuelle Lerninspiration zu teilen – das kann entweder jede Woche ein anderes Teammitglied übernehmen oder aber alle Teammitglieder teilen ihre eigenen Lerninspirationen wöchentlich (dann beispielsweise alle im Chat).

In Team Learning Level 2 geht es ebenso um das Thema Lernkultur und „das Sichtbarmachen des Alltagslernens“ – und hierfür empfehle ich bspw. das kleine Tool „Lernglas“: Dieses können Sie entweder als physisches Glas im Büro aufstellen oder als digitale Variante auf einem digitalen Whiteboard-Tool. Das Ziel ist, dieses Lernglas mit all den kleinen Alltags-Learnings zu füllen, die sonst „durchrutschen“. Bspw. könnte ein solches sein: „Ich habe folgenden Excel-Hack gefunden…“.

Mit dem immer voller werdenden Glas können Sie wunderbar visualisieren, was das Team im Alltag bereits alles lernt. Und wer diese Alltags-Learnings richtig zelebrieren will, der feiere regelmäßig eine Unglassing-Party.

Wer sich über solche inspirativen Formate bereits ein wenig an das Thema Team Learning herangetestet hat, kann sich in Level 3 auch an strukturiertere Formen herantasten – folgende Formate würde ich hier als Einstieg empfehlen:

  • Ein Team-Lern-Dashboard für die gemeinsame Planung der Lernprojekte des kommenden Halbjahrs. Ein solches ist im Endeffekt nichts anderes als ein adaptiertes Kanban-Board mit 1) einem Lern-Backlog, in dem alle zukünftigen Lernprojekte landen, 2) einer Spalte „aktuelles Lernprojekt“ und 3) den „klassischen Kanban-Spalten“ „to learn“, „learning“ und „learnt“ in die die jeweiligen Lernnuggets des aktuellen Lernprojekts einsortiert und dann weitergeschoben werden. Das Tool ist eine schöne Strukturierungs- und Priorisierungshilfe fürs gemeinsame Lernen.
  • Ein spezifisches Team-Lernprojekt (ein solches könnte bspw. lauten: „Wir wollen uns die Grundsätze von Getting Things Done aneignen“) kann dann z. B. in einem strukturierten Learning Circle-Format angegangen werden. Hierfür werden die einzelnen Learning Nuggets auf eine feste Zeitspanne verteilt (bspw. sechs Wochen) und in diesen die Fachinhalte in gemeinsamen Circle-Treffen und eigenen Reflexionseinheiten durchgearbeitet.

Level 4 schafft letztlich gemeinsame Lernroutinen – sprich, es geht darum, „Raum“ im Kalender fürs Lernen zu schaffen. Dafür ist meiner Erfahrung nach der „Learnathon“ ein sehr schönes Format. Der Kerngedanke hierbei ist es, durch einen Serientermin eine gemeinsame Stunde Lernzeit in der Woche zu schaffen. In dieser Stunde setzt man sich entweder physisch in einen Meetingraum oder digital zusammen und jeder arbeitet konzentriert an seinen eigenen Lernthemen. Man simuliert damit ein wenig das Bibliothekslernen aus dem Studium, ist damit „gemeinsam einsam“ und solch ein gemeinsamer Termin erzeugt auch immer ein wenig „sozialen Druck“ – ähnlich wie bei der Fitness-Studio-Verabredung lässt man diesen eher nicht „hinten runterfallen“.

Elementare Rahmenbedingungen für ein verbessertes Lernen im Team

So, und bevor Sie nun voller Enthusiasmus ins Tun kommen, würde ich Ihnen gern noch zwei elementare Rahmenbedingungen für gelingendes Team Learning an die Hand geben:

  1. Die zentrale Voraussetzung ist der Wille zur Selbstreflexion jedes Einzelnen. Der Lernwille eines Teams hängt nämlich stark vom Lernwillen des Einzelnen ab. Das bedeutet, dass jedes Teammitglied auch dazu angehalten ist, sich kontinuierlich selbst zu reflektieren – sowohl hinsichtlich der eigenen Lernfelder als auch bezüglich der eigenen Lernroutinen und des persönlich optimalen Lernsettings.
  2. Aber auch ohne Vertrauen im Team ist die ausgeklügelste Team-Learning-Roadmap zum Scheitern verurteilt! Das Lernen von neuen Inhalten stellt häufig die eigenen Routinen und Verhaltensmuster in Frage und damit geht auch ein „sich verletzlich machen“ einher. Diese im Rahmen von vereinbarten Formaten zu teilen und damit sichtbar zu machen, funktioniert nicht, wenn nicht jeder einzelne das Gefühl eines geschützten Raums spürt. Nur, wie findet man ins Vertrauen? Hier kann ich als Einstiegsübung das wunderbare kleine Tool „Gebrauchsanweisung für mich selbst“ empfehlen. Der Kern: jedes Teammitglied reflektiert, wie er/sie tickt in Bezug auf Kommunikation, Arbeitsstil, Stärken, Fokusthemen etc. und teilt diese Gebrauchsanweisung mit dem Team. Probieren Sie es aus, der Aha-Effekt und das resultierende gegenseitige Verständnis sind bemerkenswert.

Abschließend bleibt mir nur, Ihnen viel Freude beim Austesten der „Road to Team Learning“ zu wünschen.

 

Hinweise:

Dr. Cornelia Hattula betreibt den großartigen Podcast “Was lernst Du?“, den sie auch schon in einem Gespräch im t2informatik Blog vorstellt hat. Definitiv hörenswert! Und falls Sie mit ihr über Lernformate und Lernen im Team sprechen wollen, dann geht das sehr leicht über ihr LinkedIn-Profil.

Informationen zu den genannten Lerntools und -formaten finden Sie in verschiedenen LinkedIn-Posts:

 

Best of Blog Beitrag 2023
Dies ist ein Best of Blog 2023 Beitrag. Hier können sie die besten Beiträge aus 2023 herunterladen.

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Dr. Cornelia Hattula
Dr. Cornelia Hattula

Dr. Cornelia Hattula ist Learning & Development Expertin mit fast einem Jahrzehnt Erfahrung in unterschiedlichen Positionen im Management von Bildungsunternehmen. Sie denkt (Weiter-)Bildung anders und modern – insbesondere auch durch den Themenkomplex “Team Learning” und “agiles Lernen” und gilt inzwischen als profilierte Vordenkerin im Bereich “New Learning”. Ihre Gedanken dazu teilt sie regelmäßig in LinkedIn-Beiträgen, als Speakerin und Impulsgeberin auf Konferenzen sowie als Host im Podcast “Was lernst Du?”.