Selbstwirksamkeit und kollektive Wirksamkeit im Team
Bereit für einen spannenden Vergleich? Nicht erst in der heutigen Arbeitswelt sind Selbstwirksamkeit und kollektive Wirksamkeit entscheidend für den Erfolg von Teams. Doch wie schlagen sich diese beiden Power-Player in unterschiedlichen Arbeitsumgebungen wie dem klassischen Büro und dem hochaktuellen Diskussionsfeld Homeoffice? Wir gehen der Frage auf den Grund und beleuchten die Unterschiede zwischen der räumlichen Arbeitsumgebung und der „Ich pack das“-Einstellung sowie dem „Gemeinsam rocken wir das“-Gefühl.
Selbstwirksamkeitserwartung – Die Macht der Überzeugung
Die Grundlagen der Selbstwirksamkeit wurden bereits in der sozialkognitiven Theorie von Bandura (1992, 1997, 2001) entwickelt und untersucht. Bandura postuliert, dass die Selbstwirksamkeit in Kompetenz- und Konsequenzerwartungen unterteilt werden kann. Schwarzer et al. (2002) haben Banduras Theorie zur Selbstwirksamkeitserwartung weiterentwickelt und betont, dass die generalisierte Selbstwirksamkeitserwartung eine stabile Persönlichkeitsdimension darstellt. Sie korreliert positiv mit
- Selbstwertgefühl,
- Optimismus und
- internaler Kontrolle sowie
- Leistungsmotivation,
während sie negativ mit
- Ängstlichkeit,
- Neurotizismus und
- Depressivität
korreliert.
Die Selbstwirksamkeitserwartung ist eine wichtige Ressource des psychologischen Kapitals (HERO-Ressourcen: Hope, Efficacy, Resilience, Optimisms) und beeinflusst das Engagement und die Produktivität von Mitarbeiter:innen. Die Untersuchung der verschiedenen Kognitionen stellt eine Herausforderung dar, aber sie können hierarchisch angeordnet werden. Eine Kompetenzerwartung muss vorhanden sein, damit eine Konsequenzerwartung entstehen kann, und eine geringe Konsequenzerwartung schließt eine hohe Kompetenzerwartung nicht aus (Schwarzer, 2004, S. 182). Diese Erkenntnisse sind von elementarer Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf das Engagement und die Produktivität der Mitarbeiter:innen im Arbeitskontext (Luthans et al., 2004, S. 47).
Kollektive Wirksamkeit – Das Ganze im Teamformat
Wenn in einem Team ein gemeinsamer Glaube an die vorhandenen Fähigkeiten besteht, schwierige Aufgaben, Krisen und Hindernisse gemeinsam zu überwinden und zu bewältigen, spricht man von kollektiver Wirksamkeitsüberzeugung. Die Mitarbeiter:innen haben ein großes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Unternehmens, wenn die kollektive Wirksamkeitsüberzeugung hoch ist. Unter herausfordernden Bedingungen ist diese kollektive Wirksamkeit förderlich für die individuelle Stärkung der Mitarbeiter:innen, ihr gemeinsames Selbstbewusstsein sowie ihre Leistungsfähigkeit. Sie kann durch positive Erfahrungen, Vorbilder und das Ausprobieren verschiedener Methoden gestärkt werden (Bandura, 1998; Sutcliffe & Vogus 2003; Bruch & Vogel 2009).
In Studien wurde belegt, dass sich positiv beeinflussende Führungskräfte – im Englischen z.B. auch „energizing“ genannt (PONS-Redaktion, o.J.) – signifikant positiv auf die Leistung, das Wohlbefinden, die Zufriedenheit, das Engagement und auch das Familienleben der einzelnen Mitarbeiter:innen auswirken. Sie stärken die organisatorische Leistungsfähigkeit und die Bereitschaft zu Lernen, Innovation und Teamarbeit (Cameron & McNaughtan, 2014). Wenn Vorgesetzte mehr positive Emotionen äußern, erzeugen sie dieselben Emotionen bei ihren Mitarbeiter:innen. Ein Trickle-Down-Effekt, ein Ansteckungsprozess, wird in Gang gesetzt (Bono & Illies, 2006).
Cameron und McNaughtan postulieren also, dass Führungskräfte durch eine positive Verhaltensweise Einfluss auf z. B. die Leistung nehmen können. Doch wo ist der Ansatzpunkt? Woher wissen Führungskräfte, dass sie bestimmte Bedarfe, Werte, Motivatoren ggf. anders bedienen sollten? Mit dem Teamklimainventar wird unter anderem die partizipative Sicherheit gemessen und bietet damit erste Anhaltspunkte für Führungspersonen.
Organisationale Selbstwirksamkeit ist eine Form kollektiver Wirksamkeit. Durch die ständig zunehmende Dezentralisierung, Differenzierung und Spezialisierung der verschiedenen Aktivitäten steigt der Koordinationsaufwand in Organisationen und in der Wirtschaft. Eine hohe kollektive Selbstwirksamkeit kann die Bewältigung dieser Herausforderungen erleichtern – auch wenn die einzelnen Aktivitäten nicht zentral gesteuert werden können. Die Theorie der kollektiven Selbstwirksamkeit basiert auf Studien und Theorien des organisationalen Lernens (Senge, 1990) sowie der Theorien zum Wissensmanagement (Probst et al., 1997). Nach Bandura ist es eine gemeinsame Überzeugung, dass die individuellen Beiträge und Fähigkeiten der Mitarbeiter:innen als Team zu einer Zielerreichung führen. Diese Überzeugung wird Teameffektivität, Teamleistung, Problemlösefähigkeit, transformationale Führung, Arbeitszufriedenheit und Commitment beeinflusst (Bandura, 1997, S. 477).
Objektive Leistungsbeurteilung – Wo gibt es denn sowas?
Richtig – nirgendwo. Arbeitsleistung oder Performance – der englische Begriff Performance wird, wie viele andere Anglizismen, in der Arbeitswelt häufig synonym verwendet – kann nicht objektiv und umfassend dargestellt werden, da es in der Natur des Menschen liegt, subjektive Wahrnehmungen zu haben. Für einfache Dinge funktioniert das, aber in komplexen Umgebungen und bei anspruchsvoller Wissensarbeit wird es schnell kompliziert.
Das Kernelement jeder Organisation sind die Mitarbeiter:innen. Ohne sie können keine Produkte hergestellt und keine Dienstleistungen erbracht werden. Organisationen sind also auf die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter:innen angewiesen, damit sie sich langfristig auf einem wettbewerbsorientierten Markt etablieren und halten können (Sonnentag & Frese, 2003, S. 453-491).
Leistung ist nicht objektiv – im Gegenteil. Sie wird individuell sehr unterschiedlich bewertet und subjektiv wahrgenommen. Allein die Tatsache, dass Leistung von Menschen definiert wird, macht sie nicht objektiv.
Wird aus personalpsychologischer Perspektive auf die Arbeitsleistung geschaut, kann Leistung nicht nur aus den Handlungsergebnissen konzeptualisiert werden, wie es die betriebswirtschaftliche Sicht vorschlägt. Vielfach wird, vor allem im Zuge der New-Work-Bewegung, von einem Beitrag zur Zielerreichung der Organisation gesprochen, anstelle von der individuellen Leistungserbringung (Marx, 2022, S. 6-13; Beitrag statt Leistung, 2022, S. 52-55).
Von elementarer Bedeutung ist, dass alle Mitarbeiter:innen ein gemeinsames übergeordnetes Unternehmensziel verfolgen. Die einzelnen Mitarbeiter:innen leisten in ihren Teams und Abteilungen ihren individuellen Beitrag, um gemeinsam mit den anderen Abteilungen erfolgreich agieren zu können. Aus diesem Grund können Leistungsbeurteilungen eigentlich nicht nur in Bezug auf eine einzelne Person sinnvoll interpretiert werden, sondern sollten auch andere Variablen wie z.B. räumliche Faktoren, Teamstruktur und Teamarbeit berücksichtigen. Doch diese Beurteilung würde so komplex ausfallen, dass sie kaum in Gänze abbildbar ist (Neue Narrative, 2022, S. 6-13; 52-55).
Faszinierende Erkenntnisse: Selbstwirksamkeit und kollektive Wirksamkeit im Homeoffice und Büro im Vergleich
In unserer Forschungsarbeit haben wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt, ob sich die subjektive Selbstwirksamkeit im Homeoffice anders auf die Arbeitsleistung auswirkt als im Büro. Anhand der Fallbeispiele sbc und SOPTIM haben wir Hypothesen aufgestellt und Leitfragen untersucht, um Licht ins Dunkel zu bringen. Die Ergebnisse sind äußerst spannend: Es zeigte sich, dass sich die subjektive Selbstwirksamkeitserwartung und die kollektive Wirksamkeit zwischen Homeoffice und Büro tatsächlich unterscheiden. Doch damit nicht genug: Auch die Arbeitsleistung selbst variiert zwischen den beiden Arbeitsumgebungen.
Die Analyse aller Leitfragen und die Beantwortung der Hypothesen lassen den Schluss zu, dass in den Organisationskontexten SOPTIM und sbc ein Zusammenhang zwischen der Selbstwirksamkeitserwartung und der Arbeitsleistung im Homeoffice besteht. Interessanterweise hat die Selbstwirksamkeitserwartung im Homeoffice sogar eine größere Bedeutung als im Büro. Sowohl die individuelle Selbstwirksamkeitserwartung als auch die kollektive Wirksamkeit haben einen signifikanten Einfluss auf die Arbeitsleistung, allerdings nicht in allen Teams gleichermaßen. Vor allem in Teams mit einem hohen Anteil an Telearbeit sind diese Befunde von großer Relevanz.
Jedes Teammitglied hat eine individuelle und subjektive Wahrnehmung seiner Selbstwirksamkeit und die Prozesse in jedem Team sind vielfältig. Diese Erkenntnisse sind insbesondere für Führungskräfte interessant, die mit Ansätzen der Positiven Psychologie eine höhere Arbeitsleistung bei ihren Teammitgliedern erreichen wollen. Über verbale Einflüsse und stellvertretende Erfahrungen kann, neben der individuellen Wahrnehmung eigener physiologischer und emotionaler Zustände sowie eigener Erfahrungen, Einfluss auf die Selbstwirksamkeitserwartung genommen werden (Bandura, 1997, S. 79-82; Luthans et al., 2004, S. 47).
Kurz und knapp
Werfen wir nochmals einen Blick auf das klassische Büro und das hippe Homeoffice. Was bieten sie und was haben Selbstwirksamkeit, kollektive Wirksamkeit und Arbeitsleistung damit zu tun?
Nun, die Selbstwirksamkeitserwartung spielt hier eine große Rolle. Das ist die Überzeugung, eine Herausforderung bewältigen zu können. Und es zeigt sich, dass diese im Homeoffice noch wichtiger ist als im Büro. Denn wenn man zu Hause arbeitet, spielt die intrinsische Motivation eine wesentlich gewichtigere Rolle als im Büro. Ohne sich selbst sagen zu können: „Ich schaffe das“, ist eine hohe Leistung eher unwahrscheinlich. Aber die verbalisierte Außenwahrnehmung kann einen großen Beitrag dazu leisten. Entscheidend ist auch das gemeinsame Gefühl, dass das Team zusammen etwas bewegen, Hindernisse überwinden und Schwierigkeiten lösen kann. Dies wird als kollektive Wirksamkeit bezeichnet. Wenn das Team glaubt, dass es gemeinsam Hindernisse überwinden kann, steigt die Arbeitsleistung. Dasselbe gilt für die individuelle Ebene. Das ist genau der Punkt, an dem man von außen Einfluss nehmen kann.
Es gibt also Unterschiede zwischen Homeoffice und Büro, aber letztlich kommt es darauf an, wie wir an uns und das Team glauben. Genau das kann aber mit den richtigen Ansätzen gezielt entwickelt werden.
Hinweise:
Dieser Beitrag ist ein gemeinsames Werk von Sarah Jauer und Sascha Rülicke. Wie Führungskräfte aktiv an der Entwicklung von Selbstwirksamkeitserwartungen und kollektiver Wirksamkeit mitwirken können, werden die beiden in einem weiteren Beitrag demnächst näher beleuchten.
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- Bandura, A. (1982). Self-Efficacy mechanism in human agency. American Psychologist, 37, 122-147.
- Bandura, A. (1997) Self-Efficacy: The Exercise of Control. New York: W.H. Freeman and Company.
- Bandura, A. (1998). Personal and collective efficacy in human adaptation and change. In J. G. Adair, D. Bélanger, & K. L. Dion (Hrsg.), Advances in psychological science, Vol. 1. Social, personal, and cultural aspects, S. 51-71. Psychology Press/Erlbaum (UK) Taylor & Francis.
- Bandura, A. (2001). Social cognitive theory: An Agentic perspective. Annual Review of Psychology, 52, 1-26
- Bono, J. E. & Ilies, R. (2006). Charisma, Positive Emotions and Mood Contagion, The Leadership Quarterly, 17, 317-334, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S104898430600035X
- Brodbeck, F.C., & Maier, G.W. (2001). Das Teamklima-Inventar (TKI) für Innovationen in Gruppen: Psychometrische Überprüfung an einer deutschen Stichprobe. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 45, 2, S. 59-73.
- Bruch, H. & Vogel, B. (2009). Organisationale Energie. Wiesbaden: Gabler.
- Cameron, K. & McNaughtan, J. (2014). Positive organizational change. The Journal of Applied Behavioral Science, 50(4), 445–462.
- Creusen, U. & Eschemann, T. J. (2010). Positive Leadership. Psychologie erfolgreicher Führung.
- Luthans, F., Luthans, K. W. & Luthans, B. C. (2004). Positive psychological capital: Beyond human and social capital. Management Department Faculty Publications. 145.
- Marx, E. (2022). Leistung ist das, was wir dazu machen. In NN Publishing GmbH (Hrsg.), Neue Narrative, #15, 6-13. Berlin: Neue Narrative. Beitrag statt Leistung, 2022, S. 52-55).
- Porst, R. (2008), Fragebogen. Ein Arbeitsbuch, Wiesbaden.
- Schwarzer, R. (2014). Self-Efficacy. Thought Control of Action.
- Schwarzer, R., Jerusalem, M. & Weber, H. (2002). Gesundheitspsychologie von A bis Z. Göttingen: Hogrefe Verlag Für Psychologie.
- Spektrum. Lexikon der Psychologie. (n. d.). Selbstwirksamkeitserwartung.
- Senge, P. (1990). The Fifth Discipline: The Art and Practice of the Learning Organization. New York: Doubleday/Currency.
- Sonnentag, S. & Frese, M. (2013). Stress in organizations. In Weiner, I. B., Borman, W. C. Ilgen, D. R. & Klimoski, R. J. (Hrsg.). Handbook of psychology. Band 12: Industrial and Organizational Psychology. 2003, 453-491.
- Sutcliffe, K. & Vogus, T. (2003). Organizing for resilience. In K. Cameron, J. Dutton & R. Quinn (Hrsg.), Positive Organizational Scholarship: Foundations of a New Discipline, 94-110.
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Sascha Rülicke hat drei weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht:
Sascha Rülicke
Sascha Rülicke ist Geschäftsführer der sbc soptim business consult GmbH. Bevor er 2009 bei sbc als Consultant einstieg und sich um Themen wie Arbeits- und Prozessgestaltung, Innovation, Innovationsklima, Projektmanagement sowie Team- und Organisationsentwicklung kümmerte, war er knapp sieben Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am A.U.G.E. Institut der Hochschule Niederrhein in der angewandten Forschung tätig. In verschiedenen Forschungsprojekten lernte er dort die Team- und Organisationsentwicklung bei kleineren und mittleren Unternehmen kennen.
Sarah Jauer
Sarah Jauer ist Wirtschaftspsychologin und Beraterin mit den Schwerpunkten Arbeits- und Gesundheitspsychologie. Seit Mitte 2022 ist sie bei sbc als Consultant und Trainerin von Softskill-Themen wie Stressmanagement, Selbstmanagement & Kommunikation tätig. Zuvor hat sie Unternehmen bei der Optimierung von Prozessen und der Bewältigung von Herausforderungen unterstützt. Gemeinsam mit Kund:innen erarbeitet sie effektive Strategien zur Stressbewältigung im Arbeitsumfeld und unterstützt bei der Umsetzung.