Innovationsklima in Teams

Gastbeitrag von | 15.06.2020

Die zielgerichtete Enwicklung eines Innovationsklimas

Ganz gleich, ob vor, während oder nach der Corona-Zeit, das Thema Innovation wird für Unternehmen immer ein zentraler Erfolgsfaktor sein. In vielen Branchen – auch in der Energiewirtschaft, in der ich aktiv bin – wird es zunehmend wichtiger, zumal immer mehr  branchenfremde Unternehmen in verschiedensten Rollen am Markt teilnehmen.

Neben Kreativität, Ideenmanagement oder Workshops zur Innovationsentwicklung muss aus meiner Sicht der Arbeitsalltag stärker in den Fokus rücken. Ein richtiger Schritt dabei ist die richtige Messung und anschließende Entwicklung des Innovationsklimas je Team in die benötigte Richtung. Die Erfahrung zeigt, je genauer ich messen kann, desto zielgerichteter kann ich anschließend Veränderungen anstoßen. Ein netter Nebeneffekt: die Teameffektivität steigt gleich mit. Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein. In zahlreichen Teams hat sich aber genau das in der Vergangenheit gezeigt.

Innovationen brauchen alle, oder?

Einfache Frage, aber schwierige Antwort. Was ist Innovation überhaupt und welche Arten und Ausprägungen davon gibt es? Es gibt bspw. Unterscheidungen nach der Ebene der Innovation wie der

  • individuelle Ebenen (z. B. Kreativität einzelner Mitarbeiter),
  • Gruppenebene (z. B. Teamklima) oder
  • Organisationsebene (z. B. Unternehmensziele).

Innovationen können auch nach Art oder Inhalt der Innovation in

  • Sozial-,
  • Produkt-,
  • Prozess- oder
  • Strukturinnovation

eingeteilt werden.

Ein auf Innovationen ausgerichtetes Betriebsklima zur Initiierung von Sozial-, Produkt- und Prozessinnovation wäre für Betriebe eine praktizierte Zukunftssicherung. Dabei ist es auch entscheidend zu betrachten, ob die Innovation ein Ergebnis einer zielgerichteten Handlung darstellt, also auf Grundlage einer Intention beruht. Herbeigeführte Veränderungen sollen nicht zufällig erfolgen, sondern geplante und zielbezogene Verbesserungen darstellen. Doch vor dem Hintergrund des drängenden Tagesgeschäftes stellen viele Organisationen weitergehende Fragen in der Auseinandersetzung mit Innovationen oft in den Hintergrund.

Und was sind nun Innovationen? Die Arbeiten von Michael A. West zum Innovationsklima nutzen als zugrundeliegende Definition von Innovation eine „absichtsvolle Einführung und Anwendung von Ideen, Prozessen, Produkten oder Verfahren …, die neu für die betroffene Einheit sind und entworfen wurden, um die Rollenerfüllung, die Gruppe, die Organisation oder die Gesellschaft im weitesten Sinne maßgeblich zu fördern“.1

Warum das richtige Innovationsklima entwickelt werden muss

“Kann man Obst erfolgreich am Polarkreis oder mitten in der Sahara anbauen?” Die Antwort kennt wahrscheinlich jeder. Ähnlich ist es bei uns Menschen und bei der Arbeit in Teams. Dort kennt jeder Aussagen über das passende Arbeitsklima oder die „Chemie“ untereinander.

Um Klima messen und verändern zu können, muss man es operationalisieren. Wie ein Raumklima, das in Summe über verschiedene Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind (sowie Global-Strahlung) erfasst wird.

Ähnlich funktioniert dies beim Innovationsklima in Teams – alternativ auch als Teamklima für Innovationen bezeichnet.  Die Vier-Faktorentheorie unterscheidet vier Dimensionen bzw. Faktoren mit 13 Sub-Skalen, welche die Leistung von Gruppen über die Qualität und Quantität von Innovationen beeinflussen. Die Dimensionen

  • „Vision“ und
  • „Aufgabenorientierung“

bilden die Qualität und die Dimensionen

  • „Unterstützung für Innovationen“ und
  • „partizipative Sicherheit“

die Quantität von Innovationen ab. Diese Theorie hat sich empirisch speziell auch im Einsatz in Teams bewährt.2

Innovationsklima mit vier Faktoren und 13 Subskalen

Die Messung des Innovationsklimas

Genau wie Sie das Raumklima nur mit geeigneten Messgeräten erfassen können, benötigen Sie auch für die Messung des Innovationsklimas ein passendes Vorgehen. Ohne konkrete Messung bewegt sich das Innovationsklima lediglich im Bereich subjektiver Einschätzungen. Würden Sie ein Haus mit einem Gliedermaßstab bauen, der nur vier Markierungen (0,5; 1; 1,5 und 2) oder Farben hat? Würde ein Auto eine Zulassung ohne Tachometer oder nur mit den Markierungen und Zahlen 50, 100, 150 und 200 erhalten? Übertragen auf das Innovationsklima in Teams: warum sollte man sich hier auf ein rein summarisches Bauchgefühl verlassen? Ich jedenfalls ziehe die Ergebnisse konkreter Analysen einzelner Subskalen und Faktoren einem subjektiven „ist ganz gut“ vor.

„Messen ist keine Eigenschaft, sondern eine Fähigkeit!“ hat ein schlauer Forscher immer wieder betont. Um diese Fähigkeit zu entwickeln, gilt es das Konstrukt Innovoationskultur messbar zu machen. Die Operationalisierung ist die „Konkretisierung theoretischer Begriffe und Hypothesen durch Angabe beobachtbarer und messbarer Ereignisse“. Einfach ausgedrückt: Man muss das Innovationsklima in einzelne Bestandteile aufgliedern und dadurch messbar machen. Und genaue Messung ist dabei essentiell.

Erst wenn richtig gemessen wird, können Sie mit passenden Maßnahmen die gewünschte Veränderung erreichen. Aus diesem Grund werden die Ergebnisse auf der Ebene der o.g. Faktoren, Subskalen und bei Bedarf auch der einzelnen Aussagen dargestellt. So können die Teammitglieder die in ihren Augen richtigen Maßnahmen entwickeln.3

Vision und Aufgabenorientierung für mehr Qualität

Die beiden Faktoren „Vision“ und „Aufgabenorientierung“ sorgen für eine bessere Innovationsqualität. Der Faktor „Vision“ wird mit den Subskalen

  • „Klarheit“,
  • „Wertschätzung“,
  • „Einigkeit“ und
  • „Erreichbarkeit“

zusammengesetzt.

Es ist wenig überraschend, dass Innovationen besser zum eigenen Team und dem Unternehmen passen, wenn alle Beteiligten am gleichen Strang ziehen und die gleiche Vision verfolgen. Und natürlich gibt es auch zahlreiche empirische Belege für die Wirkung einer gemeinsamen Vision. Definieren Organisationen “smarte” Ziele, fördert dies bspw. die Klarheit im miteinander und Erreichbarkeit der Vision. Die Wertschätzung sorgt u.a. für die richtige Anstrengung, die Vision gemeinsam zu erreichen. In der Summe ist es wenig überraschend, dass eine Vision Teams hilft, bessere Ergebnisse zu erzielen.4

Der Faktor „Aufgabenorientierung“ mit den Subskalen

  • „hohe Standards“,
  • „Reflexion“ und
  • „Synergien“

sorgt für eine bessere Zusammenarbeit und damit auch zu mehr Gruppenleistung.5 Die Qualität steigt, weil die Leistung steigt und allen im Team klar ist, wohin die Reise gehen soll. Hinzu kommt die Reflexion und Weiterentwicklung in Richtung gemeinsamer, hoher Standards.

Kurzum: Die beiden Faktoren „Vision“ und „Aufgabenorientierung“ führen einzelne Aspekte zu einem besseren Ganzen zusammen.

Unterstützung und partizipative Sicherheit erzeugen mehr Ideen

Die weiteren Faktoren „Unterstützung für Innovation“ mit den Subskalen

  • „Bereitschaft“ und
  • „Umsetzung“

sowie „partizipative Sicherheit“ erhöhen bei guter Ausprägung die Anzahl der Innovationen des Teams.6 „Partizipative Sicherheit“ wird hier über die Subskalen

  • „Informationsverteilung“,
  • „Sicherheit“,
  • „Einfluss“ und
  • „Kontaktpflege“

beschrieben.

Auch hier lässt sich leicht erkennen, wie sich die Menge an Innovationen erhöht. Bei „Bereitschaft“ und „Umsetzung“ liegt es förmlich auf der Hand, scheitern Innovationen doch (zu) häufig an der fehlenden Fertigstellung von vorhandenen Ideen. Und gerade bei kreativen Köpfen muss es ausreichende Sicherheit, regelmäßigen Austausch und für die einzelnen Personen auch spürbaren Einfluss auf das gesamte Team geben.

Stellen Sie Ihr Innovationsklima im Team richtig ein

Der Griff zum Heizungsregler, der Zentralsteuerung oder der Klimaanlage im Auto ist für uns weitestgehend normal, um sich das richtige Klima zu schaffen. Genau das sollte auch für die Teamarbeit gelten, die heute schon eine zentrale Arbeitsform darstellt. In unsicheren Zeiten, aber auch im Zuge steigender Selbstorganisation in Teams immer dies immer wichtiger. Aus meiner Sicht sollten daher die Teameffektivität und ein besseres Innovationsklima im Fokus jeder Führungskraft und Geschäftsführung liegen.

Bei uns im Unternehmen adressieren wir dieses Thema bereits seit einiger Zeit. Und wir haben sehr gute Erfahrungen mit der Messung des Innovationsklimas gemacht, so dass wir mit konkreten Maßnahmen Veränderungen in Teams entwickeln konnten.7 Ich würde Ihnen empfehlen, es einfach auszuprobieren. Ein chinesisches Sprichwort lautet: „Die beste Zeit einen Baum zu pflanzen war vor 20 Jahren. Die zweitbeste Zeit ist jetzt.”. Ähnliches gilt in meinen Augen auch für Innovationen im eigenen Unternehmen.  Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten und stellen Sie das Innovationsklima richtig ein, angenehm und passend für das jeweilige Team. So dürfen Sie auch mehr denn je erwarten, dass in diesem Klima die benötigten Innovationen gedeihen.

 

Hinweise:

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[1] West, M.A., & Farr, F.L. (1990). Innovation at work. In: West, M.A., & Farr, F.L. (Hrsg.), Innovation and creativity at work: Psychological and organizational strategies (S. 3-13). Chichester: Wiley.
[2]/[6] Brodbeck, F.C., & Maier, G.W. (2001). Das Teamklima-Inventar (TKI) für Innovationen in Gruppen: Psychometrische Überprüfung an einer deutschen Stichprobe. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 45, 2, S. 59-73.
[3]/[7] Rülicke, S. (2018b). sbc trifft Wissenschaft. Zugriff am 12.06.2020 unter: https://www.soptim.de/de/blog/detail/sbc-trifft-Wissenschaft-71P/
[4] Tschan, F. & von Cranach, M. (1996). Group Task Structure, Processes and Outcome. In: West, M.A. (Hrsg.), Handbook of Work Group Psychology (S. 95-121). Chichester: Wiley.
Sowie: Brodbeck, F.C., Anderson, N.R., West, M. A. (2001). Das Teamklima-Inventar. Göttingen: Hogrefe Verlag.- Brodbeck, F.C., Anderson, N.R., West, M. A. (2001). Das Teamklima-Inventar. Göttingen: Hogrefe Verlag.
[5] Kauffeld, S. (2001). Teamdiagnose. Göttingen: Hogrefe Verlag.- Rülicke, S. (2018a). Innovationsklima – messen und entwickeln! Zugriff am 12.06.2020 unter: https://www.soptim.de/de/blog/detail/Innovationsklima-messen-und-entwickeln–80K/
Sowie: Tschan, F. & von Cranach, M. (1996). Group Task Structure, Processes and Outcome. In: West, M.A. (Hrsg.), Handbook of Work Group Psychology (S. 95-121). Chichester: Wiley.

Sascha Rülicke hat drei weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht:

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Sascha Rülicke
Sascha Rülicke

Sascha Rülicke ist Geschäftsführer der sbc soptim business consult GmbH. Bevor er 2009 bei sbc als Consultant einstieg und sich um Themen wie Arbeits- und Prozessgestaltung, Innovation, Innovationsklima, Projektmanagement sowie Team- und Organisationsentwicklung kümmerte, war er knapp sieben Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am A.U.G.E. Institut der Hochschule Niederrhein in der angewandten Forschung tätig. In verschiedenen Forschungsprojekten lernte er dort die Team- und Organisationsentwicklung bei kleineren und mittleren Unternehmen kennen.