Schulungsmanagement in Healthcare-IT-Projekten
Best Practices im Schulungsmanagement für Kliniken
Im Bereich der Healthcare-IT stellt das Schulungsmanagement eine zentrale Säule des Projekterfolgs dar, doch es bestehen auch vielfältige Anforderungen daran. Gerade in komplexen Projekten wie der Implementierung neuer Klinik-Systeme ist daher ein umfassendes Verständnis für die verschiedenen Projektphasen – besonders der Test- und Schulungsphase – entscheidend. Dieser Artikel beleuchtet, wie ein durchdachtes Konzept das Schulungsmanagement in komplexen Klinikprojekten verbessern kann – und wie moderne Lernmethoden den Unterschied machen.
Projekte in Healthcare-IT und was sie besonders macht
Stellen wir uns ein umfangreiches Klinikprojekt vor, in dem das Schulungsmanagement entscheidend für den Erfolg ist. Wenn wir über solche Projekte sprechen, dann handelt es sich um große Klinikprojekte und Programme für Krankenhausträger oder Unikliniken. Diese Projekte beinhalten häufig die komplette Neueinführung von Krankenhausinformationssystemen (KIS), umfassen zahlreiche Teilprojekte (oft mehr als 20) und binden viele Menschen ein.
Nehmen wir als Beispiel den Weg eines Patienten durch das Krankenhaus. Von der stationären Aufnahme, die alle relevanten Daten und Behandlungsverträge sammelt, über die Anamnese und erforderliche Aufnahmeuntersuchungen, die häufig zuvor im ambulanten Bereich beginnen, bis hin zur Unterbringung auf der Station. Dort wird der Patient mit Nahrung und Medikamenten versorgt und diagnostische Verfahren wie Labor, Röntgen oder Endoskopie werden durchgeführt. Auch geplante Operationen, eine kurzzeitige Unterbringung auf der Intensivstation, Abschlussuntersuchungen und die Vorbereitung des Entlassungsprozesses einschließlich der Erstellung des Arztbriefes sind Teil des Ablaufs.
All diese Schritte werden von IT-Systemen unterstützt, um die nötige Dokumentation und Befundung zu gewährleisten und die spätere Abrechnung zu sichern. Diese Prozesse werden in den Klinikprojekten definiert, konzipiert, implementiert, geschult und getestet und an einem festgelegten Stichtag in Betrieb genommen (Go-Live).
Wenn wir uns vorstellen, dass dies für 5 oder 10 Kliniken eines Klinikträgers oder sogar für über 30 Kliniken einer Uniklinik realisiert wird, wird deutlich, warum die Größe, Komplexität und die Vielzahl der beteiligten Berufsgruppen diese Klinikprojekte so besonders und herausfordernd machen.
Organisatorische Aspekte im Schulungsmanagement
In Klinikprojekten steht das Schulungsmanagement vor besonderen Herausforderungen: Die große Anzahl an Berufsgruppen und die hohe Arbeitsbelastung der Mitarbeiter erfordert, dass Schulungstage effizient und effektiv genutzt werden, um den regulären Betrieb so wenig wie möglich zu stören. Die Kosten dieser Schulungen und die mit dem Ausfall verbundenen Zeitverluste sind nicht zu unterschätzen.
Schulungsmanagement in z.B. KIS-Umstellungen betrachtet man daher am besten als ein gesondertes (Teil-) Projekt innerhalb des Gesamtprojekts.
Das Management der Schulungen muss systematisch erfolgen, mit einem klaren Fokus auf die beteiligten Berufsgruppen und deren spezifischen Schulungsbedarf. Am besten geschieht dies über ein Schulungs- und Testkonzept, das auch den zeitlichen Bezug zum Gesamtprojekt berücksichtigt.
Die konkrete Planung der Schulungen für 5.000 und mehr Mitarbeiter, mit unterschiedlichen Inhalten und Dauer ist nicht zu unterschätzen.
Eine sorgfältige Vorbereitung mit realistischen Testfällen und Schulungsszenarien stellt sicher, dass alle Teilnehmenden die Inhalte praktisch anwenden können. So benötigt beispielsweise eine Schulung zur Patientenaufnahme vorbereitete Fallbeispiele, während für Radiologie- oder Labor-Anforderungen vorbereitete Testfälle erforderlich sind. Zudem ist eine geeignete Testumgebung mit einem weit fortgeschrittenen Implementierungsstand unerlässlich, um Schulungen realitätsnah durchführen zu können. Neben den Inhalten ist auch die Schulungsorganisation selbst zu planen: Zugang zu Schulungsräumen und -PCs, sowie die Systemanbindung sind sicherzustellen und zu testen. Digitale Unterstützung zur Buchung der Schulungsräume, der Trainer und der konkreter Schulungstermine erleichtern die Organisation erheblich.
Rollen und Verantwortlichkeiten im Schulungsmanagement
In Großprojekten wie der Implementierung neuer Systeme in einer gesamten Uniklinik wird ein Schulungskoordinator benötigt, der die Organisation und Koordination der Schulungen übernimmt. Zur Unterstützung setzen viele Kliniken auf ein Netzwerk von Trainern und Key Usern, die als Multiplikatoren fungieren. Diese “Prozess-Coaches” sind speziell geschult, um ihre Kollegen durch komplexe Klinikprozesse zu führen und das neu erworbene Wissen effektiv anzuwenden.
Die Definition klarer Rollen, wie die des Schulungstrainers oder des Key Users, ist ebenfalls essentiell. Schulungstrainer sind diejenigen, die in der Klinik die Schulungen für die Endanwender leiten und oft über eine fundierte didaktische Ausbildung verfügen. Sie haben die Aufgabe, umfangreiches Wissen zu vermitteln, das über das bloße Bedienen eines Systems hinausgeht. Im Gegensatz dazu sind Key User wichtige Ansprechpersonen innerhalb ihrer Abteilungen, die ihren Kollegen im Arbeitsalltag bei der Bedienung des Systems helfen und unterstützend beim Go-Live zur Seite stehen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Zertifizierungs- und Ausbildungsprogramme für Trainer einzuführen, die ihre Schulungsfähigkeiten weiterentwickeln und als qualifizierte Schulungsexperten fungieren möchten. Zertifizierte Trainerausbildungen durch die Systemhersteller oder Partner tragen zusätzlich zur Motivation und Professionalität der Trainer im Projekt bei.
Innovative Ansätze wie zum Beispiel die Einführung von Abteilungs-Coaches können traditionelle Rollen erweitern und so die Effektivität der Schulungen sowie die Systemnutzung steigern.
Prozessuale Schulungen und Training im Klinikalltag
Im Klinikalltag bieten prozessspezifische Schulungen großen Mehrwert. Diese Schulungen sind auf bestimmte Abläufe wie die Visite oder die OP-Dokumentation abgestimmt und gewährleisten, dass die Mitarbeitenden genau die Kenntnisse erlangen, die sie für ihre Arbeit benötigen. Hier kann der Schulungsbedarf je nach Abteilung variieren und sollte gezielt auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmt werden.
Darüber hinaus können Schulungen auf die funktionale Spezifikation der Klinikmitarbeitenden ausgerichtet sein. Dies bedeutet, dass Inhalte spezifisch nach Berufsgruppen und Anwendungsbereichen differenziert werden, was eine individuelle und effektivere Schulungserfahrung sicherstellt.
Wichtig ist auch, Prozessstandards in den Projekten zu definieren, denn sie bilden eine wichtige Basis für die Gestaltung des Schulungskonzeptes und die Auswahl der Methoden, die zum Einsatz kommen können.
Ein effektives Schulungsmanagement erfordert einen Mix verschiedener Schulungsmethoden – idealerweise eine gut durchdachte Blended-Learning-Strategie. Dazu wird zunächst ein eLearning-Modul bereitgestellt, das die grundlegenden Inhalte vermittelt. Darauf aufbauend können dann vertiefende Präsenzschulungen folgen, in denen spezifische Fragen geklärt und praxisbezogene Übungen durchgeführt werden.
Zu den wichtigsten Formaten gehören:
- eLearnings: Online-Kurse bieten eine flexible und leicht zugängliche Möglichkeit, Wissen orts- und zeitunabhängig zu erlernen. Mitarbeitende können sich über eine Lernplattform selbstständig in Themen einarbeiten, was besonders für allgemeine Grundlagen und die Vorbereitung auf Präsenzschulungen sinnvoll ist.
- Präsenzschulungen: Diese Trainingsform bleibt unverzichtbar, besonders wenn komplexe Inhalte vermittelt werden müssen. In der Präsenzschulung lassen sich Fragen unmittelbar klären, und das Gelernte wird gemeinsam in der Gruppe angewendet. Zudem bietet diese Schulungsform Raum für praktische Übungen und eine intensivere Betreuung durch den Trainer.
- Blended Learning: Blended Learning verknüpft eLearning-Module mit Präsenzschulungen und bietet so die Möglichkeit, Inhalte in kleinen Schritten zu vertiefen. Blended Learning kann in den Kliniken auch als mehrstufiges Lernprogramm gestaltet werden: Zuerst werden allgemeine Grundlagen im eLearning vermittelt, dann folgen praktische Anwendungen und Fallbeispiele in der Präsenzphase. Diese Kombination sorgt für eine effektive Wissensvermittlung und langfristige Verankerung des Gelernten.
- Microlearning: In Kliniken, wo Zeit kostbar ist, bietet Microlearning eine schnelle Möglichkeit, Wissen in kurzen, prägnanten Einheiten (Learning Nuggets) zu vermitteln. Diese Methode eignet sich hervorragend für regelmäßige Auffrischungen oder kurze Trainingseinheiten zu spezifischen Themen. Microlearning kann über kurze Videos, Quizfragen oder interaktive Module erfolgen und lässt sich problemlos in den Arbeitsalltag integrieren.
- Simulationen und Fallstudien: Für eine praxisnahe Schulung von klinischen Abläufen sind Simulationen und Fallstudien besonders hilfreich. Mitarbeitende durchlaufen reale Szenarien und können das Gelernte direkt anwenden.
- Feedback- und Reflexionsrunden: Integrierte Feedback-Runden ermöglichen es den Teilnehmenden, das Gelernte zu reflektieren und Verbesserungspotenziale zu erkennen. Durch digitales Feedback kann das Schulungskonzept kontinuierlich angepasst und optimiert werden. Interaktive Q&A-Sessions und offene Sprechstunden nach Live-Schulungsmodulen bieten zudem die Möglichkeit, spezifische Fragen zu klären und die erlernten Inhalte weiter zu vertiefen.
- Ein weiterer Ansatz für intensivere Schulungseinheiten ist das Bootcamp-Format: Über mehrere Tage hinweg werden Mitarbeitende intensiv in übergreifende Funktionen eingearbeitet, um als Schulungstrainer oder Prozess-Coaches eingesetzt zu werden. Solche Bootcamps können besonders bei der Einführung neuer Systeme hilfreich sein, um schnell und umfassend alle Beteiligten auf den gleichen Wissensstand zu bringen und auf die Prozessveränderungen vorzubereiten.
Tipp: Spannend ist die Einführung von kurzen Micro-Learning-Einheiten direkt vor täglichen Meetings, wo zum Beispiel abwechselnd ein Teamkollege 5 Minuten über ein Thema referiert.
Lernen, das auf unser Gehirn abgestimmt ist
Unser Gehirn lernt immer. Es tut nichts lieber und kann gar nicht anders. Ein Leben lang. [1]
Moderne Schulungsmethoden, die auf die Art und Weise abgestimmt sind, wie Erwachsene natürlich lernen, können die Motivation und die Lernbereitschaft der Mitarbeiter erheblich steigern. Unsere Gehirne entwickeln sich ständig weiter und können durch neue Erfahrungen wachsen. Toll ist, dass jede neue Herausforderung hilft, neue Verbindungen im Gehirn zu knüpfen. Lernen in einer anregenden Umgebung, die viele verschiedene Reize bietet, macht das Lernen nicht nur effektiver, sondern auch interessanter.
In der IT, wo komplexe Prozesse und Systeme verstanden werden müssen, ist es besonders nützlich, wenn die Lernenden aktiv in das Lösen von Problemen und kritisches Denken eingebunden werden und man das Gelernte direkt im Berufsalltag anwenden kann.
Um das Lernen angenehmer zu gestalten, kann man interaktive Elemente wie Simulationen und Gamification einbauen sowie sofortiges Feedback geben. Diese Techniken helfen nicht nur dabei, das Interesse zu wecken, sondern unterstützen auch das Behalten von Informationen. Abwechslungsreiche Lehrmethoden, die praktische Übungen, multimediale eLearnings sowie Kollaboration in Teamprojekten umfassen, nutzen die Lebenserfahrung und Vorlieben der Lernenden und führen zu besseren Lernergebnissen.
Bei allen Methoden ist eines elementar wichtig: Lernen muss Spaß machen!
Die Neurobiologie des Lernens zeigt, dass das Gehirn ein komplexes System ist, in dem verschiedene Untersysteme durch synaptische Verbindungen interagieren. Lernen bedeutet das Bilden neuer Verbindungen, während Wiederholung diese Verbindungen festigt und ihre Nutzung effektiver macht. Das Bewertungssystem des Gehirns, das Teil des limbischen Systems ist, spielt eine wesentliche Rolle dabei, wie Lernerfahrungen emotional eingefärbt werden, was zu Lust oder Unlust führen kann. Daher ist es effektiv, Lernen mit positiven Emotionen zu verknüpfen, was das Lernen angenehmer macht und die allgemeine Lernfähigkeit verbessert. Sobald das Lernen emotional positiv konnotiert ist, haben Netzwerkmodulationen stattgefunden. Anders gesagt: das Gehirn hat sich neu verknüpft. [2]
Fazit
Ein durchdachtes Schulungsmanagement ist in Healthcare-IT-Projekten unverzichtbar. Die Kombination aus strukturierten Prozessen, einer Vielfalt an Methoden und einer zielgerichteten Organisation der Schulungen trägt wesentlich zur erfolgreichen Implementierung neuer IT-Lösungen im klinischen Umfeld bei. Moderne Lernformate und interaktive Schulungskonzepte helfen dabei, Wissen nicht nur zu vermitteln, sondern auch langfristig zu verankern. Die effiziente Integration des Schulungsmanagements in den Klinikalltag sorgt dafür, dass Mitarbeitende optimal auf ihre Aufgaben vorbereitet sind und das neue System schnell und sicher anwenden können. Durch die gezielte Auswahl und Kombination von Trainingsformaten können Sie die Qualität ihrer Schulungsprozesse erheblich steigern – und so einen echten Mehrwert für die gesamte Organisation schaffen.
Hinweise:
In großen Klinikprojekten übernehmen oft Mitarbeitende ohne Projektmanagement-Hintergrund Schlüsselrollen in Teilprojekten – eine echte Herausforderung. Die Lösung: Frühzeitig praxistaugliche Methoden vermitteln, um Projekte strukturiert und effizient zu steuern. Genau hier setzt das neue eLearning Training “Projektmanagement Essentials für Healthcare-IT” von Katja Schäfer an. In nur 45 Minuten erhalten Teilnehmende das nötige Wissen, um komplexe IT-Projekte in Kliniken und Gesundheitseinrichtungen erfolgreich zu managen. Ideal für Einsteiger im Projektmanagement und alle, die ihre Kompetenzen speziell auf die Gesundheitsbranche zuschneiden möchten.
[1] Spitzer, M. (2004): Wie lernt das Gehirn?
[2] Dr. Ullmann, E. (2016): Lernen aus neurobiologischer Perspektive
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Katja Schäfer hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u.a.
Katja Schäfer
Katja Schäfer ist Beraterin für komplexe Healthcare-IT Großprojekte im deutschsprachigen Raum. In ihren Coachings, Seminaren und Trainings geht sie neue Wege im Projektmanagement und bringt Struktur, Klarheit und Erfolg in große Projekte. Durch Projektkrisen führt sie mit reicher Erfahrung und systemischer Arbeit.