Wie gesund sind Ihre Projekte?

Gastbeitrag von | 25.01.2024

Eine Perspektive auf die systemische Arbeit in Projekten

In der Projektarbeit begegnen uns immer wieder Herausforderungen, die uns an unsere Grenzen bringen. Doch was, wenn wir diese Herausforderungen nicht nur als Hindernisse, sondern als Chancen für Wachstum und Entwicklung betrachten?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein wesentlicher Schlüssel zu erfolgreichem Projektmanagement in der systemischen Arbeit liegt. In diesem Artikel möchte ich zeigen, wie systemische Arbeit nicht nur Krisen bewältigen, sondern auch nachhaltigen Erfolg sichern kann. Dabei geht es nicht nur um die Anwendung von Methoden und Werkzeugen, sondern vielmehr um ein tiefes Verständnis für die Dynamiken innerhalb von Projekten und die Rolle, die jeder Einzelne in diesem komplexen System spielt.

Die systemische Arbeit in Projekten ist mehr als nur ein Ansatz – es ist eine holistische Haltung, die es uns ermöglicht, Vorhaben nicht nur zu managen, sondern sie zum Leben zu erwecken und zum Teil eines größeren Ganzen zu machen. Nur so lässt sich die Verbindung zwischen individuellen Zielen und der übergeordneten Vision stärken und damit eine Basis für echte Begeisterung und Engagement im Team schaffen.

Typische Herausforderungen in Projekten

Ich arbeite seit vielen Jahren in komplexen Healthcare-IT-Großprojekten und immer wieder treffe ich auf Herausforderungen, die von technischen Schwierigkeiten und organisatorischen Hindernissen bis hin zu zwischenmenschlichen Konflikten reichen. Doch eine der größten Herausforderungen ist oft nicht sofort sichtbar: Es ist die systemische Natur der Projekte selbst.

Projekte können, metaphorisch gesprochen, “krank” sein. Dies äußert sich darin, dass sich Teams nur an Symptomen abarbeiten, statt auf das eigentliche, übergeordnete Ziel hinzuarbeiten. Das sind Unternehmungen, in denen Analysen und Wiederholungsschleifen keinen Fortschritt bringen, in denen das Projektmanagement nicht richtig führt, oder aber in denen ein Projekt nur noch auf dem Papier besteht, doch niemand wirklich daran arbeitet. Die Herausforderung besteht darin, diese “Krankheit” zu erkennen und effektiv zu intervenieren.

Denn: Die Krankheit bzw. Gesundheit von Projekten ist eine Realität, die wir nicht ignorieren dürfen. Doch es erfordert Mut, ehrliche Reflexion und vor allem effektive Intervention, um gesunde Vorhaben zu schaffen und sicherzustellen, dass sie in der Realität gedeihen.

Beispiel aus dem Klinikalltag: Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Verlaufsdokumentation

Folgendes konkrete Beispiel aus dem Gesundheitswesen zeigt, wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Berufsgruppen (Ärzte, Pflege, Therapeuten und IT) im Projekt über eine Verlaufsdokumentation für Patienten auf die übergeordnete Digitalisierungsstrategie einzahlte und zugleich einen hohen Nutzen für den Patienten schaffte.

Die Herausforderung: In der herkömmlichen Praxis waren Patienteninformationen über verschiedene Abteilungen und Systeme verstreut, was zu Informationslücken und ineffizienten Prozessen führte. Unser Ziel war es, einen Standard für die zentrale, digitale Verlaufsdokumentation zu schaffen, die einen nahtlosen Informationsfluss zwischen allen beteiligten Fachbereichen und Berufsgruppen ermöglicht.

Der Ansatz: Wir haben eng mit den verschiedenen Berufsgruppen aus Projekt- und Linienorganisation zusammengearbeitet, um ihre spezifischen Anforderungen und Herausforderungen zu verstehen. Dieser Prozess umfasste Workshops und Schulungen, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten die Vorteile der digitalen Verlaufsdokumentation erkennen und sich aktiv an ihrer Gestaltung beteiligen.

Das Ergebnis: Durch die Einführung der digitalen Verlaufsdokumentation konnten wir eine verbesserte Patientenversorgung erreichen. Ärzte und Pflegepersonal haben nun in Echtzeit Zugriff auf vollständige und aktuelle Patienteninformationen, was zu einer effizienteren und effektiveren Behandlung führt. Zudem trägt das Projekt zur Realisierung der Digitalisierungsstrategie der Klinik bei, indem es digitale Prozesse fördert und die Datenqualität verbessert.

Die Bedeutung für das Personal: Es war wichtig, dem Personal zu vermitteln, dass ihre Arbeit mit der digitalen Verlaufsdokumentation nicht nur eine langweilige, administrative Aufgabe ist, sondern einen direkten Einfluss auf die Patientenversorgung und die Erreichung der strategischen Ziele der Klinik hat. Diese Erkenntnis führte zu einer höheren Akzeptanz und Motivation unter den Mitarbeitern.

Das Beispiel ist ein kleiner Baustein aus einem Programm für einen großen Klinikträger. Es verdeutlicht den Veränderungsprozess für die beteiligten Berufsgruppen durch das Projekt selbst. Durch die systemische Arbeit werden die relevanten Stakeholder auf eine tiefere und bewusstere Weise selbst Teil der erfolgreichen Umsetzung von IT-Projekten im Gesundheitswesen. Es verdeutlicht auch, wie wichtig es ist, jedem Teammitglied den Wert seiner Arbeit im Kontext des Gesamtvorhabens zu vermitteln.

Einfach gesagt: In solchen Projekten müssen wir das ideale Bild mit der Realität in Einklang bringen und ganz praktisch umsetzen. Das Vorhaben soll “gesehen werden”, und das ist ein wichtiger Teil der Projektführung.

Kernkonzepte der systemischen Arbeit

Die systemische Arbeit in Projekten basiert auf einigen Kernkonzepten, die ich in meiner Arbeit als unverzichtbar erachte. Diese Konzepte sind das Fundament, auf dem erfolgreiche Vorhaben aufgebaut werden können, unabhängig von der Branche oder dem spezifischen Kontext.

Die systemische Natur von Projekten:

Jedes Projekt ist ein komplexes System, das aus zahlreichen miteinander interagierenden Elementen besteht. Diese Interaktionen und die daraus resultierenden Dynamiken müssen verstanden und berücksichtigt werden. In meinen Projekten habe ich gesehen, wie wichtig es ist, das gesamte System zu betrachten und nicht nur isolierte Teile davon. Dies erfordert sowohl ein tiefes Verständnis für die Theorie als auch ein Gespür für die praktische Anwendung. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist das Erkennen und Nutzen von Systemdynamiken. Oft lässt sich beispielsweise feststellen, dass wiederkehrende Kommunikationsprobleme zwischen den Abteilungen die Projektfortschritte hemmen.

Menschliche Interaktionen:

In der systemischen Arbeit lege ich größten Wert auf die Qualität der Beziehungen und Interaktionen innerhalb eines Systems. Es sind diese menschlichen Faktoren, die oft den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg eines Projekts ausmachen. Die Art und Weise, wie Teammitglieder miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten, ist entscheidend. Wenn das Team unter hohem Druck und Stress steht, geht es darum, die Ursachen für den Stress zu finden und Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsklimas zu entwickeln.

Veränderungsprozesse:

Ein zentrales Ziel der systemischen Arbeit ist es, positive Veränderungen in sozialen Systemen zu bewirken. Dies bedeutet, dass wir uns nicht nur auf die technischen Aspekte eines Projekts konzentrieren, sondern auch auf die sozialen und organisatorischen Veränderungen, die durch das Projekt in der gesamten Organisation angestoßen werden. Changemanagement aus systemischer Sicht betrachtet schafft ein weitaus umfassenderes Bild, als es im herkömmlichen Sinne im Rahmen der Projektführung innehat. Wir bereiten einen gesunden Boden für die Veränderungsprozesse, die durch das Projekt erfolgen.

Holismus:

Die systemische Arbeit betrachtet das gesamte System und nicht nur isolierte Teile. Obwohl wir uns in Projekten immer wieder damit behelfen, Teilaspekte zu betrachten, um Komplexität zu reduzieren, müssen wir alles wieder im Gesamtsystem zusammenführen.

Diese Kernkonzepte bilden die Basis meiner Arbeit und ermöglichen es mir, Unternehmungen nicht nur zu managen, sondern sie zu einem lebendigen und dynamischen Teil der Organisation zu machen. So lässt sich ein tiefes Verständnis für die Wechselwirkungen innerhalb des Projektsystems entwickeln und dieses Wissen nutzen, um Projekte erfolgreich zu gestalten und zu steuern.

Auswirkungen auf Team und Organisation

Die Anwendung systemischer Arbeit hat weitreichende Auswirkungen auf das Team und die gesamte Organisation. Indem wir einen systemischen Blick auf Projekte werfen, können wir nicht nur die Symptome behandeln, sondern auch die tieferliegenden Ursachen von Problemen erkennen und angehen. Wir stärken die Teamdynamik und fördern ein Umfeld, in dem sich jedes Teammitglied wertgeschätzt und verstanden fühlt. Dies führt zu einer höheren Motivation und einem stärkeren Engagement.

Und: Die systemische Arbeit in Projekten führt auch zu positiven Veränderungen in der gesamten Organisation. Sie fördert eine Kultur der Offenheit, des Vertrauens und der kontinuierlichen Verbesserung, die über die Grenzen des einzelnen Vorhabens hinausgeht.

Indem wir lernen, Vorhaben systemisch zu betrachten und zu führen, tragen wir dazu bei, die Gesundheit der Projekte und damit der gesamten Organisation zu stärken. Ein gesundes Projekt ist etwas Lebendiges, das nicht nur auf dem Papier existiert, sondern in dem jeder Einzelne einen Beitrag zum großen Ganzen leistet.

Achtung: Diese Auswirkungen zeigen und entwickeln sich über eine längere Zeit. Es kann Wochen oder Monate dauern, bis die Veränderung wirkt. Manchmal erzählen mir Kunden erst nach einem Jahr von einer wichtigen Veränderung und ich weiß “Ach ja, genau daran haben wir damals gearbeitet”. Dann freue ich mich sehr über die Transformation!

Ein Schlussgedanke zur Integration systemischer Arbeit in den beruflichen und persönlichen Alltag

Die systemische Perspektive auf die Arbeit in Projekten hilft, das große Ganze und nicht nur einzelne Teile zu betrachten. Doch wie können Sie wir dieses Wissen Gelernte in unsere tägliche Praxis integrieren, um nicht nur unsere Vorhaben, sondern auch uns selbst zu transformieren?

Die Reise durch die systemische Arbeit ist mehr als nur ein beruflicher Weg; es ist ein Weg der persönlichen Entwicklung und des Wachstums. Jedes Projekt, das wir leiten, jede Herausforderung, der wir begegnen, ist eine Gelegenheit, nicht nur als Projektmanager, sondern auch als Mensch zu wachsen.

Extra-Bonus

Hier finden Sie 3 zusätzliche Fragen, die Katja Schäfer beantwortet (bitte auf Plus drücken):

Wie beeinflussen Werte von Teammitgliedern die Wirksamkeit der systemischen Arbeit in Projekten?

Katja Schäfer: Je nachdem, welche Wertekultur wir im Team antreffen, dauert es länger oder kürzer, bis sich die “Wirkung” der systemischen Arbeit im Projekt entfaltet. Ein Team mit hoher Agilität, Veränderungsbereitschaft und Wertschätzung im Umgang miteinander wird schneller auf die Arbeit reagieren. Das liegt daran, dass diese Kultur einen besseren Nährboden bildet als eine Organisation mit sehr starren und verkrusteten Strukturen. Hier braucht es auf jeden Fall mehr Zeit für Veränderungen und eine längerfristige Unterstützung.

Welche Rolle spielt die zeitliche Dimension bei der Anwendung der systemischen Arbeit?

Katja Schäfer: Grundsätzlich hat systemisches Arbeiten sowohl kurz- als auch langfristige Wirkungen. Die langfristige Wirkung wird nicht immer mit meiner Arbeit in Verbindung gebracht, aber wenn ich sie im Nachhinein erfahre, freut mich das immer sehr. Und manchmal hilft der systemische Ansatz schon bei der Vorbereitung auf wichtige Termine. Entsprechend biete ich je nach Situation z. B. kompakte 2-tägige Formate oder ein begleitendes Mentoring im Jahrespaket an.

Welche Bedeutung hat die Unterstützung von Entscheidungsträgern für den Erfolg der systemischen Arbeit?

Katja Schäfer: Natürlich ist die Unterstützung der Entscheidungsträger wichtig. Deshalb stehe ich in meiner Arbeit immer in engem Austausch mit den entsprechenden Personen und stimme Lösungsansätze und Maßnahmen, die sich aus der systemischen Arbeit im Projekt ergeben, mit ihnen ab. Es ist nicht überraschend, dass die Maßnahmen im Projekt oft auch Auswirkungen auf die Linienorganisation haben – ein schönes Zeichen dafür, dass systemisches Arbeiten wirkt.

Hinweise:

Wenn Sie Interesse an einer tieferen Auseinandersetzung mit systemischer Arbeit haben oder Unterstützung bei der Umsetzung in Ihren Projekten suchen, besuchen Sie gerne die Website von Katja Schäfer. Dort finden Sie weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten!

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Katja Schäfer hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u.a.

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t2informatik Blog: 10 Tipps in der Projektkrise

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t2informatik Blog: Projektmanager in großen Projekten

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Katja Schäfer
Katja Schäfer

Katja Schäfer ist Beraterin für komplexe Healthcare-IT Großprojekte im deutschsprachigen Raum. In ihren Coachings, Seminaren und Trainings geht sie neue Wege im Projektmanagement und bringt Struktur, Klarheit und Erfolg in große Projekte. Durch Projektkrisen führt sie mit reicher Erfahrung und systemischer Arbeit.