Prädikat: Lesenswert!

von | 04.10.2021

„Lesen stärkt die Seele.“ – Voltaire

„Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler.“ – Philippe Dijan

„Lesen ist Denken mit fremden Gehirn.“ Jorge Luis Borges

Was ist die schönste Nebensache der Welt? Wenn es nach diesen drei Schriftstellern geht, dann vermutlich: Lesen. Doch was sollten Sie lesen? Was ist besonders „lesenswert“? Nachfolgend finden Sie Buchempfehlungen von Antje Tomfohrde, Thomas Michl, Peter Rubarth, Astrid Kuhlmey, Dr. Jürgen Schüppel, Cansel Sörgens, Mario Hauff, Nadja Obenaus und Dierk Söllner.

Klimawandel und Texten können

Antje Tomfohrde, Social Media und Kommunikationsexpertin

Die erste Buchempfehlung ist mein persönliches Sachbuch des Jahres 2021: „Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ von Nick Reimer und Toralf Staud, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.

2021 ist das Jahr der Klimawahl in Deutschland und aus diesem Grunde sind einige Bücher zum Thema in diesem Jahr erschienen. Von den Büchern, die ich in diesem Jahr dazu gelesen habe, ist „Deutschland 2050“ für mich das wichtigste Buch. Es beschreibt in drei Szenarien, wie sich Deutschland bis zum Jahr 2050 aufgrund des Klimawandels verändert haben wird, wenn wir nichts tun und alles so weiterlaufen lassen wie bisher, wenn wir ein bisschen etwas tun, aber nicht ambitioniert genug und wenn wir uns so richtig ins Zeug legen, um bis 2050 noch das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Dies wird wissenschaftlich untermauert und ist informativ und alles andere als trocken geschrieben. Die beiden Autoren verstehen eindeutig ihr Handwerk und beschränken sich nicht darauf, mögliche Szenarien für Orte, die weit entfernt liegen, zu beschreiben, sondern schildern, was bei uns vor der Haustür passieren wird. Im Falle der Stadt, in der ich wohne, wurde es in diesem Sommer Wirklichkeit. Hagen gilt als von Starkregen gefährdet und im Buch wird eine Studie der TU Dortmund genannt, die untersucht hat, wie sich Starkregen hier auswirken könnte. Und natürlich konnte sich niemand vorstellen, dass es tatsächlich so passieren würde. Es ist ein Buch, dass sachlich schildert, was in der Zukunft passieren kann, aber auch gleichzeitig Mut macht, dagegen anzugehen, um das Ruder noch herumzureißen.

Die zweite Buchempfehlung geht dann mehr in die berufliche Richtung: „Texten können – Das neue Handbuch für Marketer, Texter und Redakteure“ von Daniela Rorig, erschienen im Rheinwerk Verlag.

Lange habe ich ein Buch zum Texten gesucht, das selbst nicht trocken und langweilig daherkommt, sondern beim Lesen Lust aufs Schreiben macht. Auch wenn der Titel ein wenig sperrig klingt, hält es das, was ich mir davon versprochen habe. Zum einen liefert es das nötige Hintergrundwissen und geht darauf ein, was wichtig ist für einen guten Text, wie man den Weg zu seinen Leser:innen findet, welche Textformeln es gibt, wie Storytelling eingesetzt werden kann und – auch nicht so ganz unwichtig, welche Art von Texter:in, Schreiber:in, Autor:in man sein möchte und wofür sich was gut eignet. Ein Blogartikel ist ein klein wenig anders zu schreiben als eine Caption für Instagram. Daniela Rorig liefert Beispiele, die im Kopf bleiben und sie bringt Übungen mit, um sich z. B. einen Textbaukasten zusammenzustellen. Ein ganzes Kapitel ist dem Thema ‚Witzig schreiben und dabei seriös wirken‘ gewidmet, was nicht zu unterschätzen ist, denn oftmals wird Seriosität immer noch mit staubtrockenen Texten und Bandwurmsätzen verwechselt. Es ist kein Buch, dass am Stück gelesen werden sollte, sondern ein Buch, aus dem man gut einige Kapitel nehmen kann, um sie durchzuarbeiten oder etwas nachzuschlagen, um die eigenen Texte mit etwas frischem Wind zu versehen.

Parkinsons Gesetz

Thomas Michl, Principal Consultant sowie Agile Coach und Organisationsscout

Fragt man mich nach meinem absoluten Literaturfavoriten mit beruflichen Bezug, dann fällt mir sofort und als aller erstes ein Klassiker der Organisationssoziologie ein. Das Buch von Cyril Northcote Parkinson mit dem schönen Titel „Parkinsons Gesetz und andere Untersuchungen über die Verwaltung“, erschienen im Rowohlt Verlag.

Erstmalig im Jahr 1957 veröffentlicht ist das Buch – in meinen Augen – nach wie vor top aktuell. Auch wenn Parkinson damals die britische Kolonialverwaltung als Studienobjekt genutzt hat, finden sich viele dort beschriebene Aspekte in nahezu allen modernen bürokratischen Großorganisationen bis heute wieder. Neben dem Parkinsonsche Gesetz unter anderem das Gesetz der Trivialität, der Koeffizient der Unfähigkeit, die schleichende Büro-Paralyse u.v.m. Das Ganze beschrieben in dem – für die damalige Zeit üblichen – schwarz-britischen Humor, der schwer an Monty Pythons Flying Circus erinnert. Fast schon schade, dass viele zwar das Parkinsonsche Gesetz in seiner abstrahierten Form, als reine Gesetzmäßigkeit, aber nur wenige das Buch kennen. Es ist ein absoluter Leckerbissen schwarzen Humors und obendrein erkenntnisreich bis zur letzten Seite. Ein Muss für jede gut sortierte Bibliothek, wenn man sich mit Organisation, Organisationsentwicklung und Strukturen beschäftigt.

Team Topologien

Peter Rubarth, Agile Coach

Eines meiner Lieblingsbücher ist „Team Topologies: Organizing Business and Technology Teams for Fast Flow“, erschienen im It Revolution Press Verlag.

Manuel Pais und Matthew Skelton beschreiben vier von ihnen identifizierte Typen von Teams im Kontext der Entwicklung von Technologieprodukten. Diese Typen sind Stream-Aligned, Enabling, Complicated Subsystem und Platform. Darauf aufbauend stellen sie drei Interaction Modes für die Zusammenarbeit zwischen Teams vor. Keine der Ideen ist radikal neu. Das Buch liefert eine einfaches und präzises Vokabular, um bestehende Strukturen anzuschauen und zielorientiert zu entwickeln. Grundlage der Betrachtung ist dabei Conway’s Law und der darin beschriebene Zusammenhang zwischen Kommunikationsstrukturen und Softwarearchitekturen.

Für mich schafft das Buch den Spagat zwischen Konzept und konkreten Hilfestellungen – ohne dabei in übervereinfachende Rezepte abzurutschen. Und damit ist es sehr lesenswert.

Unternehmenswandel und Träumer

Astrid Kuhlmey, Systemische Beraterin

Lieblingsbücher sind für mich Bücher, die einen Wendepunkt in meinem Leben begleiten oder sogar auslösen. Wenn ich auf meine aktuelle Profession als systemische Beraterin und Coach für den Umgang mit Veränderung sehe, gab es eine Zeit, in der das Buch „Change Management – Den Unternehmenswandel gestalten“ von Doppler und Lauterburg (erschienen im Campus Verlag) mein Favorit war.

Bis heute lese ich immer wieder gerne darin und konnte auf einem sehr kleinen und feinen Kongress Klaus Doppler sogar einmal live im Kontext „Wenn Widerstände reden könnten“ erleben. Inspirierend.

Mein absoluter Favorit aber ist kein Fachbuch, sondern – wie es auf dem Cover heißt – „Die beste Zeit ist jetzt – Ein Buch für Träumer“ von Sergio Bambaren (erschienen im Piper Verlag).

Das Buch spiegelt viel meiner eigenen Geschichte. Finanziell abgesichert, erfolgreich im Beruf, schleicht sich die Frage ein, was ist eigentlich mein Sinn, welche Träume gilt es zu leben? Liebevoll geschrieben, mit wunderschönen Aussagen zu uns und unseren (manchmal vergessenen) Träumen hole ich es gerne hervor, wenn ich merke, etwas Neues steht an. Bambaren beschreibt in einer Art Gleichnis oder Fabel den nicht immer einfachen Weg der Veränderung, der durch ein unerwartetes Ereignis ausgelöst wird. Er zeigt ehrlich und doch achtsam auf, wie wir uns auch körperlich und emotional gar nicht so leicht tun, und er macht darauf aufmerksam, dass Veränderung hin zu den Träumen keine Frage des Alters ist, sondern eine, dem eigenen Herzen zu folgen.

Kleines Buch, große Schrift und einfach ans Herz gehend. Mein aktuelles Lieblingszitat steht am Ende der Geschichte: „Er beschloss, erst einmal hier zu wohnen, um sein Leben mit einem wundervollen Neuanfang zu erfüllen, ganz egal wie alt – oder wie jung – er war“.

Philosophie für die Arbeitswelt

Dr. Jürgen Schüppel, geschäftsführender Gesellschafter und Change-Management-Experte

In unseren Beratungs- und Trainingsprojekten sowie in unseren individuellen Coachings erlebe ich täglich, unter welcher Spannung Organisationen und die Menschen in ihnen stehen. Hier ist Reflexion hilfreich. Und hier legt Michael Andrick in „Erfolgsleere – Philosophie für die Arbeitswelt“ (erschienen im Karl Alber Verlag) schonungslos den Finger in die Wunde unserer Organisationen und leitet das ausführlich, aber ohne erhobenen Zeigefinger her.

Besonders beeindruckt hat mich die Argumentation, dass wir uns in der Moderne als prinzipiell freie Menschen einem Organisationszweck unterordnen und dafür ein gut funktionierendes Belohnungssystem etabliert ist, das unseren Ehrgeiz befeuert. Den Ausdruck „Ehrgeiz ist die Frömmigkeit der modernen Arbeitswelt“ habe ich mir, als einem ehrgeizigen Menschen, seit meiner Lektüre hinter die Ohren geschrieben. Andricks Aussagen zum Coaching haben mich selbst sehr direkt in meiner Rolle konfrontiert: Ist die Coachinganfrage nicht auch der Wunsch, einen Mitarbeiter in seinem Verhaltensrepertoire anpassbarer an die Bedingungen der Organisation zu machen? Seit meiner Lektüre, frage ich mich mehr denn je: Will ich den Status quo so annehmen? Was ist meine Haltung als Berater? Wie will ich es eigentlich haben und welchen Einspruch mache ich geltend und beharre auch darauf? Wovon bin ich überzeugt und wofür setze ich mich ein?

Die Wahrheit über Motivation

Cansel Sörgens, Business und OKR Coach

Microsoft bezahlte Autoren, um die Enzyklopädie „Encarta“ zu schreiben. Nach 10 Jahre gaben sie das Projekt auf und überließen dem Konkurrenten das Feld, der für die Erstellung seiner Enzyklopädie kein Cent ausgegeben hatte und dessen Autoren intrinsisch motiviert agierten: Wikipedia.

Intrinsische Motivation wird dadurch aktiviert, dass ich autonom entscheide, was ich tue, dass ich die Fähigkeit habe dies umzusetzen, und dass ich damit zu etwas „Größerem“ beitrage. Daniel Pink argumentiert in „Drive: The Surprising Truth About What Motivates Us“ (erschienen im Canon Gate Verlag) wissenschaftlich, dass Autonomy, Mastery und Purpose als Motivation viel wichtiger als bspw. Boni oder Dienstwagen sind.

Als ich das Buch das erste mal vor 7 Jahren gelesen habe, hat es mich zutiefst inspiriert. Seitdem unterstütze ich Organisationen bei er Schaffung von Arbeitsumgebungen, in denen Menschen intrinsisch motiviert arbeiten können. Dieses Prinzip spielt für mich eine große Rolle und begleitet mich täglich, wenn ich Organisationen bei ihren OKR Implementierungen berate.

Gefühle sind keine Krankheit

Mario Hauff, Angstlotse und Wachstsumsbegleiter

Das Leben muss nicht schwer bleiben, wenn es schwer begann. Dr. Christian Peter Dogs schildert in „Gefühle sind keine Krankheit“ (erschienen im Ullstein Taschenbuch Verlag) anhand seiner eigenen Lebensgeschichte, was natürliche Resilienz ist. Als ungewolltes Kind von seinem Vater auf perverse und bösartige Art erniedrigt und geprügelt, im Erwachsenenalter dann nochmals betrogen, gelang es ihm eine ansehnliche Karriere bis hin zum Leiter einer psychosomatischen Klinik zu machen. Als bekennender – gutartiger – Narzisst ist er dabei viele ungewöhnliche Wege gegangen. Sein Credo: „Nehmen Sie all Ihre Gefühle ernst und leben Sie sie ohne Scham. Gefühle sind keine Krankheit“.

Für mich interessant ist, wie er menschliche Grundgefühle anders beleuchtet. Bis hin zur Angst, bei der er für viele Zustände originelle Auswege zeigt. Da werden selbst die Ängste vor oder wegen Corona, Klimawandel oder „Change“ allgemein normal und beherrschbar. Das Buch ist für mich vor allem eins, das so wichtig in meiner Arbeit als Angstlotse ist: Ein bereichernder Perspektivwechsel.

Magie der digitalen Moderation

Nadja Obenaus, IT-Beraterin und D-Coach

Komplexe Dinge handhabbar machen: Diese Mission steckt auch hinter dem Begriff der Digital Facilitation. Wörtlich übersetzt heißt das soviel wie digitale Moderation und doch ist es soviel mehr. Ein einfaches Beispiel dafür ist die Umstellung von Pinnwand und Post-its auf Tablet und simple virtuelle Session-Designs mittels Whiteboard wie z.B. Miro, das ich gerne in meinen Retrospektiven und agilen Team Coachings nutze, um echte Interaktion zu ermöglichen.

Sam Killermann und Meg Bolger benutzen dafür in ihrem Paper „Unlocking the Magic of Digital Facilitation” (erschienen bei Impetus Books) das Bild des gemeinsamen “nudgen” (zu Deutsch: Schubsen/Stupsen). Digital Facilitation meint hier den Wind und die Wellen, die Teams und deren kreative Prozesse sanft in die Richtung eines gemeinsamen Ziels schubsen oder lotsen.

Der Begriff des Lotsens gefällt mir in Bezug auf meine Rolle als Coach schon lange gut. Denn er passt bestens zu meinem Verständnis von Führung, im Sinne des Servant Leaderships. Beides ist vor allem eine Sache des wohlwollenden Miteinanders. Ja, UND… ich empfehle dieses Buch all jenen Lotsen, die sich inspirieren lassen bzw. sich tiefer mit dem eigenen Anteil am wohlwollenden Miteinander vertraut machen möchten.

Projekt Phoenix

Dierk Söllner, Business Coach

Mein Lieblingsbuch ist definitiv „The Phoenix Project“ (oder in der deutschen Übersetzung Projekt Phoenix) von Gene Kim, Kevin Behr und George Spafford, erschienen im IT Revolution Verlag. Der Businessroman über IT und DevOps ist aus meiner Sicht Pflichtlektüre für jeden, der in der IT arbeitet. Ich habe dieses Buch an drei Abenden verschlungen. Das ist mein persönlicher Rekord für Fachbücher. Denn auch wenn es als „Roman“ betitelt ist vermittelt es doch sehr viel nützliches Wissen für IT und das ganz ohne Bezug auf die in der IT doch so geliebten Frameworks.

Ich liebe es, wenn ich bei meinen Kunden von Brent Geller erzähle und mir alle bestätigen: „So einen Brent haben wir hier auch.“ Auch wenn es ein amerikanisch geprägtes Buch ist: In Deutschland gibt es so viele Parallelen und man so viel an praktischen Tipps und Hinweisen entnehmen. Wenn der Mentor Erik Reid die drei Wege erklärt und die Unterschiede zwischen geplanter und ungeplanter Arbeit erläutert, finden sich alle in der IT Arbeitenden sofort wieder.

Was finden Sie lesenswert?

Natürlich gehen die Meinungen auseinander, was „lesenswert“ ist. Manche werden diesen Beitrag lesenswert finden, andere möglicherweise nicht. Ich persönlich freue mich über jede Empfehlung. Insbesondere die damit einhergehenden Begründungen verleihen dem Ganzen eine persönliche Note. Und das verdient aus meiner Sicht genau ein Prädikat: Lesenswert!

 

Hinweise:

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Die Idee zu diesem Beitrag geht auf eine Frage von Heiko Bartlog an die Teilgebenden des PM Camp Berlin zurück. Schwuppdiwupp habe ich die Idee kopiert. Möglicherweise werde ich solche Empfehlungen immer mal wieder zum Thema hier im Blog machen. Danke, Heiko. 😉

Michael Schenkel hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u. a.

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Michael Schenkel
Michael Schenkel

Leiter Marketing, t2informatik GmbH

Michael Schenkel hat ein Herz für Marketing - da passt es gut, dass er bei t2informatik für das Thema Marketing zuständig ist. Er bloggt gerne, mag Perspektivwechsel und versucht in einer Zeit, in der vielfach von der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne von Menschen gesprochen wird, nützliche Informationen - bspw. hier im Blog - anzubieten. Wenn Sie Lust haben, verabreden Sie sich mit ihm auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen; mit Sicherheit freut er sich darauf!