Mutige Führung mit Herz
Seit 30 Jahren führe ich Teams im Umfeld digitaler Transformation. Dies hat mich auf die heutige Arbeitsrealtität in einer komplexen und sich ständig verändernden Welt vorbereitet. Langfristige Planungszyklen, aufwändige Abstimmprozesse und stabile Aufgabenbeschreibungen verlieren immer mehr an Bedeutung und damit kommen traditionelle Führungsmodelle an ihre Grenzen.
In diesem Rahmen sind schnelle und daher mutige Entscheidungen gefragt. Gleichzeitig brauchen die Mitarbeiter Orientierung und werden umso engagierter und leistungsfähiger je mehr sie sich einbringen können. Gerne beleuchte ich die Quintessenz meiner eigenen Lernreise als Führungskraft und beschreibe die wesentlichen Aspekte mutiger und empathischer Führung: Richtung geben, ein förderliches Umfeld schaffen und sich selbst führen.
Das Zusammenspiel von Vision und Werten
Mutige Führung bedeutet, eine klare Vision zu haben und diese zu kommunizieren. Eine gute Vision gibt Orientierung und zeigt, welche Werte eine Rolle spielen. Sie gibt nicht nur eine Richtung vor, sondern inspiriert und motiviert die Mitglieder, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Eine gut formulierte Vision hilft dabei, Fokus und Engagement zu fördern, indem sie den Teammitgliedern zeigt, warum ihre Arbeit wichtig ist und wie sie zum großen Ganzen beiträgt. Wenn alle im Team ein klares Verständnis davon haben, wohin die Reise geht, kann dies die Zusammenarbeit verbessern und die Entscheidungsfindung erleichtern.
Aber eine Vision allein reicht meiner Erfahrung nach nicht aus. Die Wirksamkeit wird erhöht, wenn sie die Werte des Teams und der Organisation widerspiegelt. Werte sind die Grundprinzipien, die das Verhalten und die Kultur innerhalb des Teams steuern. Sie dienen als moralischer Kompass und helfen dabei, die Art und Weise zu definieren, wie Ziele erreicht werden sollen. Wenn eine Vision die Werte des Teams integriert, schafft sie eine tiefere Ebene der Identifikation und Verbindlichkeit. Dies stärkt das Vertrauen und die Zusammenarbeit, da sich die Teammitglieder sicher sein können, dass ihre Bemühungen in einem ethischen und unterstützenden Rahmen stattfinden.
In meinem aktuellen Team lautet die Vision:
„Wir bauen Brücken für eine gerechte, faire und inklusive digitale Transformation weltweit. Dabei stärken wir die internationale Zusammenarbeit, globale und lokale Netzwerke und letztlich die Demokratie.“
Damit geben wir in unserem weltweiten globalen Projekt der Entwicklungszusammenarbeit die Richtung und die wichtigsten Werte vor und geben viel Freiraum für die unterschiedlichsten Lösungen, die von KI-Anwendungen über die Bereitstellung von DPI bis zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der GigEconomy Arbeiter reichen.
Insgesamt zeigt sich, dass eine Vision, die sowohl klare Ziele als auch die zugrunde liegenden Werte umfasst, ein starkes Werkzeug für moderne Führungskräfte ist, um ein engagiertes, eigenverantwortlich und gut zusammenarbeitendes Team zu schaffen.
Mit Mut ein förderliches Umfeld schaffen
Ein Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeitende und Partner wachsen und sich entwickeln können, ist entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Teams. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre persönlichen und beruflichen Ziele unterstützt werden, steigt ihre Motivation, Leistung und Loyalität. Ein solches Umfeld fördert nicht nur individuelle Fähigkeiten, sondern stärkt auch das gesamte Team, indem es eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung und Innovation etabliert. Und nur wer bereit ist sich zu verändern, kann sich an ein verändertes Umfeld schnell anpassen. Das ist also genau die Voraussetzung für Erfolg in unserer heutigen Zeit der Polykrisen.
Innerhalb der Teams ist es wichtig, die Stärken und Kompetenzen jedes Einzelnen zu erkennen und in einem agilen Umfeld Ideen einzusetzen. Das gemeinsame Evaluieren und kontinuierliche Anpassen der Ansätze ist ein Zeichen mutiger Führung. Dies erfordert, den Mut und die Offenheit, Feedback klar und wertschätzend zu geben und zu akzeptieren. Nur so können Teams wachsen und erfolgreich sein.
Eine effektive Förderung und Entwicklung kann auf verschiedene Weise erreicht werden. Führungskräfte sollten regelmäßig Feedback geben und Entwicklungsziele mit ihren Mitarbeitenden besprechen. Fortbildungen, Workshops und Mentoring-Programme sind ebenfalls wichtige Werkzeuge, um das Wissen und die Fähigkeiten der Teammitglieder zu erweitern.
Dabei spielt Empathie eine zentrale Rolle: Indem Führungskräfte die individuellen Bedürfnisse und Potenziale ihrer Mitarbeitenden erkennen und wertschätzen, können sie maßgeschneiderte Unterstützung bieten. Herz und Empathie schaffen ein vertrauensvolles Umfeld, in dem sich Menschen sicher fühlen, neue Herausforderungen anzunehmen und Fehler als Lernchancen zu betrachten.
Ich habe schon viele Feedbacksessions von Mitarbeitenden an Führungskräfte erlebt. In beiden Rollen. Und eine ganz klare Beobachtung ist, dass nur Führungskräfte, die mutig und authentisch zu Feedback einladen, es durch ihr vorbildliches handeln schaffen, eine offene und wertschätzende Feedbackkultur zu etablieren. Ich kann nur allen Führungskräften den Mut wünschen, dies auch zu tun. Es lohnt sich.
Mutige Führung basiert auf Selbstführung
Ein oft vernachlässigter, aber wesentlicher Aspekt mutiger Führung ist die Selbstführung. Jeder, der mutig führen möchte, muss die Bereitschaft haben, kontinuierlich zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Wie Kinder körperlich im Schlaf wachsen, so brauchen auch Führungskräfte Zeiten der Ruhe, um innerlich zu wachsen.
Eine Führungskraft, die sich selbst gut führen kann, dient als Vorbild und schafft Vertrauen bei ihren Mitarbeitenden. Selbstführung bedeutet, sich über die eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein, klare Ziele zu setzen und proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, um diese Ziele zu erreichen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren, Zeit effektiv zu managen und Stress zu bewältigen.
Eine persönliche Anekdote verdeutlicht dies: Vor einigen Wochen erhielt ich eine E-Mail von einer geschätzten Kollegin, die mir Verbesserungsvorschläge machte. Ich war gestresst und nahm ich die E-Mail zunächst als Angriff wahr und wollte entsprechend reagieren. Als ich die Nachricht eine Woche später erneut las, erkannte ich, dass sie freundlich und konstruktiv geschrieben war. Diese Erfahrung lehrte mich, wie wichtig es ist, sich Zeit für Erholung zu nehmen und nicht rund um die Uhr zu arbeiten.
Mutige Führung bedeutet auch, sich selbst gegenüber klar und liebevoll zu sein. Es erfordert den Mut, sich eigene Fehler einzugestehen, Aufgaben manchmal unbeantwortet zu lassen und Pausen zu machen. Dies ist entscheidend, um langfristig erfolgreich und gesund zu bleiben.
Wichtige Aspekte der Selbstführung sind Selbstreflexion und kontinuierliches Lernen. Führungskräfte sollten regelmäßig ihre eigenen Leistungen und Verhaltensweisen reflektieren und offen für Feedback sein. Dies ermöglicht es ihnen, ihre Führungskompetenzen ständig zu verbessern und sich an neue Herausforderungen anzupassen. Ebenso wichtig ist es, eine Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden, um langfristig leistungsfähig und gesund zu bleiben.
Ein praktisches Beispiel für gute Selbstführung ist das Führen eines Reflexionstagebuchs, in dem Führungskräfte regelmäßig ihre Erfolge, Herausforderungen und Lernpunkte notieren. Dies hilft nicht nur bei der Selbstreflexion, sondern auch bei der Planung zukünftiger Schritte.
Gerade für eine Führungskraft, die oft auch wenig wertschätzende Rückmeldungen erhält, finde ich es wichtig, eine gute Balance zwischen Selbstkritik und Selbstlob zu finden.
Fazit
Jeder von uns führt in irgendeiner Weise – sei es im beruflichen Kontext oder im persönlichen Leben. Mutige Führung erfordert Mut, der aus dem Herzen kommt. In einer komplexen, sich schnell verändernden Welt können wir meiner Erfahrung nach Ziele nur erreichen, wenn wir unsere Leidenschaft, unser Wissen und unseren Mut mit Mitgefühl und Herz verbinden. Dies ist die Essenz mutiger Führung. Und die Basis für Erfolg in instabilen Zeiten.
Hinweise:
Zu guter Führung gehören weitere Aspekte wie das Lösen von Konflikten, die Teamentwicklung, die Verbesserung von Prozessen, die Weiterentwicklung seiner Einheit und und ganz wichtig, sich selbst zu steuern. Interessieren Sie sich für diese Themen, dann empfehlen wir Ihnen gerne das Buch Modern Leading – Methoden sind Nebensache von Dr. Eric Heinen-Konschak.
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Dr. Eric Heinen-Konschak hat im t2informatik Blog zwei weitere Beiträge veröffentlicht:
Dr. Eric Heinen-Konschak
Dr. Eric Heinen-Konschak verfügt über 30 Jahre Erfahrung als Führungskraft. Von 2006-2018 leitete er die IT-Abteilung der GIZ, davor war er in verschiedenen Leitungspositionen bei Lufthansa und Lufthansa Systems tätig. Heute leitet er ein Digitalisierungsprojekt in der Entwicklungszusammenarbeit der GIZ und hilft nebenberuflich Führungskräften und Teams auf dem Weg in die agile Welt.