Mit dem EPIQ-Modell besser Feedback geben

Gastbeitrag von | 05.11.2020

Ein Workshop zum Thema Feedback stand auf der Tagesordnung. Die Vorbereitung schien einfach zu sein. Ich lasse die Teilnehmenden einige Themen sammeln, stelle das GFK-Modell vor und dann üben wir die Umsetzung.

Das GFK-Modell ist für den Umgang mit störenden Verhaltensmustern wie geschaffen, oder? Es ist einfach und klar, man kann sich gut dran halten und was die Formulierungen angeht, das werden wir üben:

  1. Sprich über Deine Beobachtung: Was habe ich wahrgenommen? Was ist passiert?
  2. Sprich über Dein Gefühl: Wie wirkte das auf mich? Wie habe ich mich gefühlt?
  3. Sprich über Dein Bedürfnis: Warum habe ich mich so gefühlt? Warum ist mir das wichtig?
  4. Äußere eine Bitte: Das wäre mein Wunsch. Darum bitte ich Dich!

Die Kommunikation erfolgt auf Augenhöhe, Ich-Botschaften statt Du-Botschaften. Veränderungskultur statt Fehlerkultur, kein Runtermachen, keine Forderung, sondern ein Wunsch, eine Bitte. Wertfreie Kommunikation, wie ein Prozess verbessert werden kann. Perfekt.

Trotzdem hat mich irgendetwas gestört, irgendetwas hat mir gefehlt.

Es ist eine Ich-Kommunikation. Ich rede über meine Bedürfnisse und sage der anderen Person, mit welchem Verhalten sie meinen Bedürfnissen besser entsprechen kann. Aber warum sollte sie das tun? Oder wollen?

Niemand ist auf der Welt, um so zu sein, wie ein anderer es gerne hätte.

Ich höre das jetzt schon: „Ja, aber wenn die Leistung nicht stimmt, wenn das Verhalten das Team stört und ich will doch nur ein bisschen motivieren … Irgendwie muss ich doch sagen können, wenn einer alle aufhält.“ Stimmt, aber wie macht man das, damit die andere Person es annehmen kann?

Feedback ist nicht gleich Feedback

Bei meiner Suche in den Weiten des Netzes nach einer anderen Lösung stieß ich auf das Workbook zum EPIQ Feedback Modell vom schwedischen Trainer und Coach Victor Cessan und wurde sofort neugierig.

Für Cessan ist zunächst mal Feedback nicht gleich Feedback. Als erstes differenziert er nach der Absicht des Feedbackgebers, seiner Intension (dem I von EPIQ). Er unterscheidet vier Themen:

  • Leistungsverbesserung,
  • Motivation,
  • verbesserte Selbstwahrnehmung oder
  • Beziehungsverbesserung.

Das machte für mich sofort Sinn, denn das werden völlig unterschiedliche Gespräche, mit jeweils komplett anderen Rahmenbedingungen:

  1. Ich will, dass sich die Leistung verbessert. Mit welcher Berechtigung, auf der Basis welcher Kriterien, welcher Verabredung oder Vereinbarung? Wie lautete der konkrete Auftrag?
  2. Ich möchte einen Energieschub geben. Hmm. Ich will die Person motivieren? Intrinsisch? Anspruchsvoll!
  3. Ich möchtest die Selbstwahrnehmung verbessern. Selbstwahrnehmung? Sieht die Person sich so ‚falsch‘? Wer entscheidet darüber? Was sagen die anderen? Um welche Verhaltensmuster geht es? Benimmt sie sich daneben oder schätzt sie ihre Arbeitsleistung falsch ein?
  4. Ich möchte meine Beziehung zu dieser Person verbessern. Was ist schiefgelaufen, dass ich dafür ein formelles Feedback brauche? Sollten wir nicht lieber ein Bier oder einen Kaffee trinken gehen und miteinander reden?

Miteinander reden? Das war es, was mir gefehlt hatte!

Das GFK-Modell in der Anwendung

Das GFK-Modell formell angewendet bedeutet:

  1. Mich stört etwas am Verhalten einer anderen Person.
  2. Ich überlege mir, wie ich es ordentlich, GFK-konform formuliere.
  3. Ich greife mir die andere Person und halte meinen Vortrag. (Eventuell habe ich vorher noch gefragt, ob die Person das hören will.)
  4. Hoffentlich eine einsichtige Reaktion der anderen Seite, sonst Diskussion mit Gefährdungspotenzial.
  5. Abgang und hoffen auf Veränderung.

Zusammengefasst: Es findet kein Gespräch statt. Der Ansatz bringt mich zwar dazu, über die Formulierungen nachzudenken. Er bringt mich aber nicht dazu, über die beanstandete Situation nachzudenken und über die beteiligten Personen.

Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt das das EPIQ-Modell, denn es bereitet mich mit einer ganzen Latte von Fragen auf mein Gespräch vor.

Das EPIQ Feedback Modell

Werfen wir einen detaillierten Blick auf das EPIQ Feedback Modell. Hinter den Buchstaben von EPIQ verstecken sich – in anderer Reihenfolge:

  • Intention,
  • Quality,
  • Position,
  • Empathy.

Schauen wir uns die meist sehr situativen und systemischen Fragen von Victor Cessan zu den vier Bereichen mal etwas genauer an. (Hier finden Sie das komplette Script vom Workbook zum Herunterladen.)

Das EPIQ Feedback Modell von Viktor Cessan

Intention

  1. Was ist Dein Thema: Leistungsverbesserung, Motivation, verbesserte Selbstwahrnehmung oder Beziehungsverbesserung?
  2. Warum willst Du Feedback geben?
  3. Was hoffst Du mit dem Feedback zu erreichen?
  4. Falls Du Dein Feedback erfolgreich vorgebracht hast und es auch angenommen wurde, welche Veränderung sollte sichtbar sein? In wessen Namen willst Du das Feedback eigentlich abgeben?

Quality

  1. Spiel die Situation in Deinem Kopf noch mal ab, auf die Du Dein Feedback aufbauen willst. Was ist dort tatsächlich passiert, was hätte jeder andere auch beobachten können und was war Deine Interpretation?
  2. Wenn jemand anderes die Situation beobachtet hätte, was hätte der gesehen?
  3. Nenne zwei andere Möglichkeiten, die beobachtete Situation zu interpretieren.
  4. Welche Sichtweise scheint am besten zu passen?

Position

  1. Welche Beziehung hast Du zur anderen Person?
  2. Erwartet die andere Person von Dir Feedback und wenn ja, welche Art von Feedback?
  3. Wie willst Du die Erlaubnis bekommen, Feedback geben zu dürfen?
  4. Hast Du eine Idee, wie Du das Feedback-Gespräch beginnen wirst?
  5. Wie könnte das Feedback Dein inneres Gleichgewicht beeinflussen?

Empathy

  1. Versetze Dich in die Situation der anderen Person. Was denkst Du, dass ihr in der Situation durch den Kopf ging?
  2. Was meinst Du war das Ziel der anderen Person?
  3. Was würde Dich dazu bringen, Dich genau so zu verhalten?
  4. Was meinst Du, wie sich die andere Person in der Situation gefühlt hat?
  5. Denke zurück an eine Zeit, in der Du Dich auch so gefühlt hast. Was ist Dir damals durch den Kopf gegangen?
  6. Wie hast Du Dich in dieser Situation gefühlt?
  7. Auf welcher Ebene der Empathie* (Emotional / Cognitive / Perspective) befindest Du Dich bezüglich dieser Person?
  8. Welche Ebene[n] hast Du nicht berücksichtigt?

* Die drei Empathie-Ebenen bedeuten:

Emotionale Empathie: Die Fähigkeit, das Gleiche zu empfinden wie andere Menschen (Mitgefühl); man nennt sie auch emotionale Sensitivität. („Mir geht es da genau wie Dir, ich kann das nachempfinden…“)

Kognitive Empathie: Die Fähigkeit, nicht nur Gefühle, sondern auch Gedanken und Absichten anderer Menschen zu verstehen und daraus korrekte Schlussfolgerungen zu ihrem Verhalten abzuleiten. („Ich glaube, ich weiß, was Dich dazu gebracht hat…“)

Perspektive/Soziale Empathie: Die Fähigkeit, komplexe soziale Situationen (Systeme) mit Menschen unterschiedlicher Kulturen, Charaktereigenschaften und Werthaltungen zu verstehen, um mit ihnen konstruktiv kommunizieren zu können, deren Perspektiven einnehmen zu können. („Ich stelle mir das vor, in Deiner Situation, aus Deiner Perspektive…“)

Der Perspektivwechsel im EPIQ Feedback Modell

Interessante Fragestellungen, oder? Ja, klar, sie kosten Zeit. Sie rechnet sich aber definitiv, wenn Sie den Nutzen dagegen rechnen, das sachlich und menschlich eindeutig bessere und langfristigere Ergebnis.

Der für mich entscheidende Ansatz im EPIQ Feedback Modell ist der Perspektivenwechsel. Ich wechsle von meiner Sicht auf die Dinge zur Sicht von anderen Personen auf dieselben Dinge, einschließlich und zuallererst auf die Perspektive der Person, um die es mir geht. Die Fragen helfen mir dabei und bereiten mich sehr gut auf ein Gespräch vor.

Wer sich schon einmal so intensiv auf ein schwieriges, konfliktbehaftetes Gespräch vorbereitet hat, weiß, am Ende sieht alles vielleicht ganz anders aus und man ist heilfroh, das ursprüngliche Gespräch nicht geführt zu haben.

Erst die Perspektive der anderen Seite zu erkunden, dabei die eigene Position zu überdenken und dann gemeinsam eine Lösung zu diskutieren bedeutet im Detail:

  • Die mögliche Sicht der anderen Seite mit Hilfe des Fragenkatalogs zu analysieren, Hypothesen über Hintergründe und Befindlichkeiten zu bilden und dabei die eigene Position zu überdenken.
  • Ein verständnisvolles Gespräch zu führen, d. h. zuzuhören, um die Sicht der anderen Seite in Erfahrung zu bringen, die eigenen Hypothesen zu überprüfen und weiter die eigene Position zu überdenken.
  • Gemeinsam eine Lösung zu diskutieren, mit der beide Seiten leben können, wie auch immer die Lösung aussehen mag.

Bevor Du sprichst, lass Deine Worte durch drei Tore schreiten.
Beim ersten Tor frage: „Sind sie wahrhaftig?“
Am zweiten Tor frage: „Sind sie notwendig?“
Am dritten Tor frage: „Sind sie freundlich?“

[Sokrates]

Quintessenz

Die Analyse einer kritischen Situation mit dem EPIQ Feedback Modell führt unweigerlich zu der Erkenntnis, dass es nicht unser Job ist, die Handlungen anderer Personen persönlich zu bewerten. Für unsere vier Feedbackthemen vom Anfang bedeutet das:

  1.  Gibt es eine sachliche Vereinbarung, kann man über die Erfüllung der Aufgabe reden. Gibt es keine Basis dafür, dann muss wohl erst etwas passendes vereinbart werden.
  2. Um zu motivieren ist es wichtig, zuerst die demotivierenden Faktoren zu finden und dann einen entsprechenden Rahmen für die Entfaltung zu schaffen.
  3. Geht es um Verhaltensmuster, ist die Frage, ob die Person gecoacht werden will oder ob es im Team Regeln für den Umgang miteinander gibt. Auf jeden Fall geht nichts ohne Wertschätzung und Empathie.
  4. Um eine Beziehung verbessern, fängt man am besten ganz unten an und sucht nach den tieferliegenden Ursachen der Verstimmung und dem eigenen Anteil daran.

Fragen ist immer besser als Sagen. Eine gute Frage konfrontiert nicht sondern öffnet. Am Ende solcher Gespräche macht es Sinn, gemeinsam die Regeln des miteinander Umgehens zu überprüfen und bei Bedarf zu optimieren.

Und sorry, dass ich nicht so viel davon halte, jemandem „mal die Meinung zu sagen“. Kann zwar ungemein befreien, bringt aber nichts. Eher das Gegenteil, eine toxische Atmosphäre.

 

Hinweise:

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Conrad Giller hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht:

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Conrad Giller
Conrad Giller

Conrad Giller ist seit ca. 30 Jahren unterwegs als Trainer, Coach und Berater für fast alle Herausforderungen der mündlichen Kommunikation: Konflikt, Team, Führung, Storytelling, Präsentieren, Moderieren, Medien, etc. Gerne gibt er seine Erfahrungen online und offline in Workshops weiter.