Knowledge Sharing – Wissen teilen ist Macht

Gastbeitrag von | 28.05.2020

Kürzlich habe ich in einer Präsentation die Aussage gehört, dass sich durch die Corona-Krise unser berufliches und privates Leben noch schneller von verändert. VUKA als Akronym für Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität lässt grüßen.¹ Es ist wenig überraschend, dass viele Menschen durch eine solche Krise und die damit verbundenen Veränderungen gestresst sind. Menschen und Organisationen werden genötigt, von jetzt auf gleich die eigene Komfortzone zu verlassen. Gleichzeitig fordern Veränderungen auch eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit neuen Aspekten, Perspektiven, Erkenntnissen oder Regeln. Veränderungen führen zu einem kontinuierlichen Lernen, und bei genauerer Betrachtung sogar zu einem „Ver-Lernen“ im Sinne von Vergessen. Doch wie lässt sich dies alles beherrschen?

Persönlich habe ich sehr gute Erfahrungen mit einem Lernnetzwerk gemacht. Obwohl es heutzutage gefühlt unendlich viele, digitale Fundstellen gibt, um sich über Neuigkeiten und Erkenntnisse zu informieren, bin ich froh über ein Netzwerk an Menschen, das ich mir mit der Methode „Working Out Loud“ (#WOL) aufbauen konnte. Ein wesentlicher Aspekt von #WOL ist das großzügige Teilen von Wissen. Das so genannte Knowledge Sharing ist eine Haltung, auf der #WOL basiert. Diese Haltung ermöglicht die gemeinsame Arbeit und das Lernen in Netzwerken. Gerade in Zeiten kontinuierlicher Veränderungen profitieren alle Beteiligten davon, denn „Wissen teilen ist Macht“.

Knowledge Sharing als (persönliche) Fähigkeit

Aber was ist eigentlich Wissen und wie kann ich es teilen? Erkenntnistheoretisch betrachtet ist Wissen bzw. eine Information eine wahre und gerechtfertigte Aussage hinsichtlich eines Kontextes. Angesichts von Fake News und des ständigen Zuwachses an Informationen, kann aber der Wahrheitsgehalt nicht mehr das relevante Unterscheidungskriterium sein.

Eine wichtige Abgrenzung besteht zwischen Daten und Informationen. Einzelne Daten werden in der Kombination zu Informationen, die wiederum erst durch Vernetzung zum jeweiligen Kontext zu Wissen werden. Probst / Raub / Romhardt definieren Wissen so:

„Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden.“²

Darüber hinaus kann Wissen auch noch in unterschiedliche Wissensarten unterschieden werden. Die wohl am häufigsten genannte Differenzierung geht auf Michael Polanyi, einen Naturwissenschaftler und Philosophen zurück. Er unterscheidet

  • implizites Wissen (auch als tacit knowledge bezeichnet) und
  • explizites Wissen.

Implizites Wissen steckt „zwischen den Ohren“, ist schwer zu übertragen und häufig für den Träger nur unbewusst vorhanden (insbesondere Erfahrungswissen, aber auch das sog. Bauchgefühl und die Intuition). Explizites Wissen ist hingegen für einen Dritten erkennbar (lesbar) und daher (in Form der Information) leicht transferierbar.

Darüber hinaus ist Wissen

  • immateriell,
  • allgegenwärtig,
  • endlos existierend und
  • im Prinzip unbegrenzt kopierbar.

Ein Rohstoff der durch Teilung nicht weniger wird. Das Wissen selbst ist dabei eine Bestandsgröße. Lernen ist eine Änderungsgröße, da der Wissensbestand sich durch Lernen verändert.

Der Transfer des Wissens auf andere Bereich und das Einüben bestimmter Handlungsweisen macht aus Wissen Kompetenz. „Wir haben (etwas) gelernt“ würde es schön auf den Punkt bringen. Hinzu kommt die Fähigkeit des individuellen Lernvermögens. Nach Vera Birkenbiehl rücken dabei zwei Voraussetzungen in den Vordergrund:

  1. Man muss wissen! Und das im Zeitalter unendlicher Informationsquellen! Dieses Dilemma ist uralt und wurde bereits von Goethe beschrieben, lange bevor es das Internet gab: „Je mehr wir wissen, desto bewusster wird uns, wie viel wir eigentlich nicht wissen.“
  2. Die individuelle Disposition. Diese ist um so wichtiger, denn man muss Zugang zum eigenen Wissen besitzen. Hier gibt es allerdings nur einen schmalen Grat zwischen der Fähigkeit bzw. Unfähigkeit, die eigene Kognitionskomplexität reduzieren zu können. Wenn wir alles, was wir wissen, im Bewusstsein jonglieren müssten, dann könnten wir nicht einmal die Straße überqueren. So in etwa ergeht es Menschen aus dem Autismus-Spektrum in unterschiedlichen Abstufungen. Der Zugang zum eigenen Wissen ist quasi der Flaschenhals unserer Veränderungs-Adaptions-Fähigkeit. Ist der Flaschenhals zu durchlässig, besteht die Gefahr, dass wir uns verzetteln, ist er zu schmal, besteht die Gefahr, dass wir an Wissensbestandteile aus unserem Unterbewusstsein nicht herankommen und sie nicht nutzen können.

Unterstützung durch ein persönliches Lernnetzwerk

Nach meiner persönlichen Erfahrung fällt es deutlich leichter, die optimale Breite des Flaschenhalses zu definieren und zu manifestieren, wenn drei Dinge zusammenkommen:

  1. Die Bereitschaft zum Knowledge Sharing.
  2. Die Grundhaltung „Wissen teilen ist Macht“.
  3. Die Unterstützung durch ein persönliches Lernnetzwerk.

Bekomme ich immer wieder Impulse aus meinem #WOL Netzwerk, lerne ich schnell, wie wertvoll der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus ist. Teile ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse großzügig, ohne darüber nachdenken zu müssen, was ich dafür eigentlich zurück bekomme, ist das befreiend und entfesselt mit Leichtigkeit die Lust zu Lernen und sich auszutauschen. Im persönlichen Netzwerk erfahre ich nicht nur die sehr wichtige Wertschätzung für mein Know-how, sondern auch, dass IMMER etwas zurück kommt, irgendwann.

Auf Basis dieses „Urvertrauens“ lassen sich viele Arten von Projektarbeit effektiv (abwartend) gestalten, so meine ganz persönliche Erfahrung. Die Teilnahme an Team-Meetings mit Mitgliedern der „alten Schule“ (Mein Wissen ist meine Macht) führt in der Regel dazu, dass sich inhaltlich nichts bewegt. Häufig sind solche Meetings sogar von politischen Ränkespielen geprägt. Wie ermüdend. Erst wenn diese Kämpfe ausgefochten sind, ist eine effektive, operative Arbeit möglich. Haben dann die verbliebenen Team-Mitglieder ein Knowledge-Sharing-Mindset, ist sogar die Entstehung eines Flows möglich, wodurch kollaborativ und effektiv gearbeitet werden kann, sofern die Rahmenbedingungen stimmen. Hier sind auch die Manager gefragt, Abstand von Mirkomanagement und Kontrollwahn zu nehmen, um nicht jegliches „Flow-Pflänzchen“ im Keim zu ersticken.

Fazit: Mit Haltung, Struktur und Netzwerk auf Veränderungen reagieren

Die Grundhaltung des „Wissen teilen ist Macht“ in Kombination mit einem (persönlichem) Lernnetzwerk und einer Orientierung gebenden Struktur, z.B. im Sinne einer wertschätzenden Führungskultur, sind die Grundlagen für eine Veränderungskompetenz, mit der Veränderungen und auch Krisensituationen wie Corona gemeistert werden können.

Interessanterweise ist die Fähigkeit, auf Veränderungen zu reagieren und sie zu meistern, auch unabhängig von Organisationsstrukturen ausbildbar. Eine Teilnehmerin eines Meetups bestätigte dies vor einiger Zeit mit folgenden Worten: „Ich arbeite im Moment viel in selbstorganisierten Teams, unabhängig von einem Arbeitgeber. Meine Erfahrung ist, dass sich alles fügt, wie es sein sollte, wenn ich mit meinen Ideen und Herausforderungen in meine Social Media Netzwerke gehe. Wie durch Zauberhand ergeben sich genau die richtigen Netzwerkkontakte zum richtigen Zeitpunkt, so dass ich mich immer wieder weiter entwickeln kann.“

Diese Aussage bestärkt mich in der Erkenntnis, dass Knowledge Sharing sehr wertvoll ist. Und falls Sie demnächst bewusst beginnen, Ihr Wissen zu teilen, lassen Sie mich gerne wissen, wie es sich für Sie anfühlt. Vielleicht werden Sie auch ein Fan von „Wissen teilen ist Macht“!

 

Hinweise:

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[1] Was ist VUKA?
[2] Probst, G./Raub, S./Romhardt, K.: Wissen managen. Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen 2. Aufl. Wiesbaden 1998

Weitere Quellen:

https://www.datev-magazin.de/kanzleimanagement/damit-das-know-how-nicht-in-rente-geht-1836, abgerufen am 20.05.2020

Barbara Hilgert hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u. a.

t2informatik Blog: Mit Working Out Loud Kompetenzen für agiles Arbeiten entwickeln

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t2informatik Blog: Scrum als Grundlage für „Neues Lernen“

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t2informatik Blog: Braucht es ein digitales Mindset?

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Barbara Hilgert
Barbara Hilgert

Barbara lebt in Schleswig-Holstein und arbeitet in Berlin & Lübeck. Sie ist agile Coach, berät kleine und mittelständische Unternehmen zur Thematik der digitalen Transformation und hat viel Know-how in den Bereichen Teamentwicklung und (New) Learning. „Wissen teilen ist Macht“ ist nicht nur ihre Lebensmaxime, die Entwicklung dieses Mindsets ist auch das Ziel ihrer Beratungen und Qualifizierungen: Die Ausbildung eine der Kernkompetenzen für die Zukunft der Arbeit  und eine wichtige Voraussetzung für die kollaborative Netzwerkarbeit und „Neues Lernen“.