Freiheit und Verantwortung von Unternehmen

Gastbeitrag von | 21.08.2023

Willkommen in der neuen Ära der Unternehmensführung

Stellen Sie sich vor, Sie leiten ein Unternehmen, in dem jede:r Mitarbeiter:in grundsätzlich die Freiheit hat, unabhängig zu wirtschaften und auf eigene Rechnung zu arbeiten. Jede:r ist weniger auf das Einkommen in Ihrer Firma angewiesen. Sie kommen, weil sie es so wollen. Wie wäre es, wenn Mitarbeiter:innen weit weniger wegen des Gehaltschecks bei Ihnen einstempeln, sondern weil sie wirklich an dem interessiert sind, was sie tun?

  • Wie würde das Ihre Rolle als Unternehmer:in verändern?
  • Wie würde das die Dynamik Ihres Unternehmens beeinflussen?

Stellen Sie sich vor, Sie könnten ein Umfeld schaffen, in dem jede:r Mitarbeiter:in die Freiheit hat, kreativ zu denken und zu handeln anstatt Anweisungen von oben akzeptieren zu müssen. Willkommen in der Welt der Existonomie.

Autonomie statt Hierarchie

In einer Existonomie-basierten Unternehmensstruktur hätte die traditionelle Hierarchie der Weisungsbefugnis und Kontrolle einen schweren Stand. Statt auf Anweisungen zu warten, können Mitarbeiter:innen ihr eigenes Ding machen. Das klingt für Sie vielleicht erst einmal wie ein Alptraum. Sie stellen sich vor, wie in einem heillosen Hühnerhaufen jede:r nach den eigenen Vorteilen giert. Die Gefahr ist sicherlich gegeben. Doch es fördert auch genau die Eigenschaften, die Betriebe heute oft als Mangel beklagen. Stellen Sie sich vor, jede:r Ihrer Mitarbeiter:innen würde Initiative ergreifen, kreative Lösungen erarbeiten und eigenverantwortlich handeln. Und sie bringen diese Energie kooperativ auf die Straße. Was für ein beflügelndes Umfeld würde das schaffen?

Auch in diesem Szenario gibt es Belohnung und Bestrafung. Doch anders als heute, kommt die nicht von der Führung. Sie geht direkt von den Kunden, dem Markt aus. Das bedeutet, der Markt bestimmt den Wert der Arbeitsleistung, nicht etwa ein ausgeklügeltes Gehaltssystem. Das reduzierte die Maschinerie der Systeme, mit denen wir heute Einkommen vereinbaren, um Größenordnungen. Es hieße auch, dass die Gewinne aus der Produktivität von Anfang an fairer zu verteilen sind. Die Menschen würden ihre Wirksamkeit direkt erfahren. Es wäre eine radikale Veränderung gegenüber dem traditionellen Unternehmensmodell der abhängigen Beschäftigung. Es könnte eine viel gerechtere und motivierende Arbeitsumgebung schaffen.

Statt den Fokus auf Kontrolle durch Führungskräfte und die anschließende, doch stets irgendwie persönliche, Belohnung oder Bestrafung zu legen, liegt der Schwerpunkt auf Verantwortung und Selbstbestimmung. Natürlich verändert das Ihre Rolle als Unternehmer:in, als Führungskraft: Sie werden ein:e Ermöglicher:in, ein:e Facilitator. Sie unterstützen Ihre Mitarbeiter:innen dabei, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Zum Wohl der gemeinsamen Firma. Anstatt Anweisungen zu geben, stellen Sie Ressourcen zur Verfügung, beseitigen Impediments und sorgen für einen Raum, in dem alle Beteiligten ihr jeweiliges Potenzial voll auszuschöpfen können.

Veränderung der Unternehmenskultur

Diese neue Art, Arbeit anders zu organisieren, könnte eine tiefgreifende Veränderung in der Unternehmenskultur auslösen. Mitarbeiter:innen, die sich frei und unabhängig für ein Engagement in Ihrer Firma entscheiden, sind wahrscheinlicher motiviert, engagiert und produktiv. Sie bringen innovative Ideen und Ansätze hervor, die sich in einer klassisch kontrollierten Umgebung nur schwerlich durchsetzen würden. Setzen sich alle Beteiligten zusammen für das Wohl der Firma ein, ist das ein gigantischer Wettbewerbsvorteil. Denn Firmen, die materiell freiere Menschen beschäftigen, geben diesen den Raum, Kompetenzen einzubringen, die auf keiner Stellenbeschreibung zu finden sind.

Ein gutes Beispiel dafür ist Yvon Chouinard von Patagonia mit seinem Management by Absence. Das hat zu einer durch und durch nachhaltigen Firma geführt, die in ihrem Markt Standards setzt. Stellen Sie sich vor, was passieren könnte, wenn jede:r in Ihrem Unternehmen die Freiheit hätte, seine und ihre eigenen Ideen für das Wohl der Firma zu verfolgen und umzusetzen.

Betriebe, die diese Art der Freiheit und Autonomie meistern, werden attraktiver für Talente. In einer Welt, in der die “Gig Economy” und die Selbstständigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnen, haben solche Firmen einen Wettbewerbsvorteil. Einen, der jenseits von Employer Branding und Co-Working-Space-Ambiente funktioniert. Sie erzielen überdurchschnittliche Leistungen, weil sie die Freiheit und Flexibilität bieten, ohne den Wert für die Gemeinschaft aus den Augen zu verlieren.

Existonomie: Eine Lösung für globale Herausforderungen?

Die Idee der Existonomie geht jedoch über die Unternehmenswelt hinaus. Sie ist ein Aufruf an uns alle, unsere Wirtschaft neu zu gestalten und uns auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt: das (Über-)Leben selbst.

In einer Existonomie würden wir unsere Ressourcen und unsere Arbeitskraft nicht mehr in die falsche Richtung lenken. Statt Produkte zu erzeugen, die uns kurzfristig nutzen und langfristig schaden, könnten wir unsere Anstrengungen auf die Lösung der dringenden Probleme unserer Zeit konzentrieren: Klimawandel, Umweltverschmutzung, soziale Ungleichheit und vieles mehr. Wir könnten gutes Geld damit verdienen, Gutes zu tun.

Die Existonomie fordert dafür keine Veränderung von jetzt auf gleich. Sie eröffnet im heutigen Wirtschaften Räume, für eine zukunftssichere Ökonomie. Wer also jetzt gleich das große Rad drehen will, kann das genauso tun wie diejenigen, die sie mit kleinen Schritten erreichen wollen.

Die Existonomie ist mehr als eine Wirtschaftstheorie. Sie ist eine Vorstellung, wie wir in eine Welt kommen, in der wir unseren Teil dazu beitragen können, für unsere Nachkommen eine bessere Welt zurückzulassen, als wir sie vorgefunden haben. Es ist eine Vorstellung, die es wert ist, verfolgt zu werden, und die das Potenzial hat, die Art und Weise, wie wir Geschäfte machen, grundlegend zu verändern.

Fazit

Wie gefällt Ihnen diese alternative Herangehensweise an ein anderes Wirtschaften und eine andere Art der erfolgreichen Unternehmensführung? Eine Art, die Autonomie, Kreativität und Eigenverantwortung der Mitarbeiter:innen in den Mittelpunkt rückt, während traditionelle hierarchische Strukturen und Kontrollmechanismen zurücktreten. Die Vision besteht darin, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der jede:r Mitarbeiter:in aus intrinsischem Interesse agiert, innovative Ideen entwickelt und die Verantwortung für das Unternehmenswohl übernimmt.

Die Existonomie stellt herkömmliche Belohnungs- und Bestrafungssysteme auf den Kopf, indem sie die Bewertung der Arbeitsleistung direkt dem Markt überlässt. Dies führt zu einer gerechteren Verteilung der Gewinne und einer unmittelbaren Verbindung zwischen individueller Effektivität und Belohnung. Diese neuartige Unternehmenskultur erfordert eine grundlegende Veränderung der Rolle der Führungskräfte: Statt Anweisungen zu geben, werden sie Ermöglicher:innen, die den Raum für individuelle Entfaltung schaffen und Hindernisse beseitigen.

  • Es ist Zeit, das Leben zu feiern.
  • Es ist Zeit, dass Sie und Ihre Mitarbeiter:innen gerne zur Arbeit gehen.
  • Es ist Zeit, dass wir unserer Ökonomie eine Orientierung zur Seite stellen, die dafür sorgt, dass es allem Leben gut geht.
  • Es ist Zeit, die Freiheit und Autonomie zu umarmen und das volle Potenzial jedes und jeder Einzelnen in Ihrem Unternehmen zu entfesseln.
  • Es ist Zeit, den Wandel zu begrüßen und eine bessere, gerechtere und nachhaltigere Zukunft für alle zu schaffen.
  • Es ist Zeit für die Existonomie.

 

Hinweise:

Haben Sie auch den Eindruck, dass es nicht aussreicht, die Welt in unserer Freizeit zu retten? Glauben Sie, die Zeit ist reif für Veränderung? Dann werfen Sie einen Blick auf das Manifest für Existonomie.

Manifest für Existonomie

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Gebhard Borck
Gebhard Borck

Gebhard Borck machte sich vor zwei Jahrzehnten auf, eine faire Betriebswirtschaft zu finden. Auf seinem Weg stellte er fest, dass sie wohl noch zu entwickeln ist. Seither widmet er sich in seiner Arbeit dieser Aufgabe. Zusammen mit wandelmutigen Kunden und wagemutigen Kolleg:Innen entstand daraus die Betriebskatalyse. Ein praktikabler Gegenentwurf zur bestehenden BWL. Das Spannendste ist: mit ihr läuft Ihre Firma in vielen Kontexten, sei es im gelebten Kapitalismus, im De-Growth oder in einer Zirklulärwirtschaft, wie auf dem Donut. Eines ist in allen Varianten gleich: Der Fokus auf eine existenzielle Ausgeglichenheit als zentralen Maßstab für Erfolg. In seinem aktuellen Buch „Die selbstwirksame Organisation“ beschreibt der Transformationskatalysator, wie Sie die Betriebskatalyse in Ihrer Firma erfolgreich spielen können.