Entscheidungstechniken für selbstorganisierte Projektteams – Teil 2
Werte und Prinzipien als Grundlage für Entscheidungen
Das Zusammenspiel von Entscheidungen und Projekten, die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden, manifestiert die Werte und Prinzipien, die in einem Projektteam und/oder einem Unternehmen gelten.
Gerade bei Entscheidungen ist spürbar, was dem Unternehmen wirklich wichtig ist, welche Werte und Prinzipien gelten. Das Wie der Entscheidungen prägt maßgeblich die Verbindung der Menschen untereinander und insbesondere mit dem Unternehmen und entscheidet über die Glaubwürdigkeit des Managements.
Voraussetzungen für Entscheidungen im Projektteam
Zunächst einmal macht es Sinn, im Vorfeld einige Voraussetzungen zu klären: Grundsätzlich brauchen gute Entscheidungen in Teams ein gemeinsames Verständnis über den Rahmen und den Entscheidungsweg bzw. die eingesetzten Entscheidungstechniken. Dies muss in jedem Fall vorab geklärt werden und beinhaltet auch die Klärung der Erwartungshaltung an die Entscheidung:
- Was ist das Ziel unserer Entscheidung?
- Was soll die Entscheidung für uns leisten?
Nach wie vor wird bei Entscheidungen in Teams häufig das klassische demokratische Mehrheitsprinzip angewandt. Dieses kommt jedoch oft an seine Grenzen. „Es gibt Gewinner und Verlierer“ und oft gibt eine einzige Stimme, „das Zünglein an der Waage“, den Ausschlag. Dies führt nicht selten zu unerwünschten Folgen wie bspw. einer Entscheidungsmüdigkeit. Um „richtige“ Entscheidungen in Projektteams treffen zu können, sollten Sie mit den folgenden drei Punkten starten:
- Klären Sie die Rahmenbedingungen für die Entscheidung und die Leitplanken, die vom Unternehmen vorgegeben werden (Werte und Prinzipien).
- Klären Sie, was das gewünschte Ziel der Entscheidung sein soll.
- Klären Sie, welche Entscheidungstechnik zur aktuellen Fragestellung passt.
Warum sind jetzt aber Entscheidungen im Projektteam so wichtig für den Projekterfolg?
Entscheidungen im Projektteam
Idealerweise treffen Teams kompetentere Entscheidungen, da Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert, die Wissensbasis vergrößert und einseitige Problembetrachtungen umgangen werden können.
Teamentscheidungen sind jedoch nur dann besser als Einzelentscheidungen, wenn sie vor dem Hintergrund
- unterschiedlicher Wissensbereiche der Teilnehmer,
- eines intensiven Informationsaustauschs,
- einer offenen Informationsverarbeitung/-bewertung
herbeigeführt werden. Es ist daher äußerst wichtig, Projektteams so zusammenzusetzen, dass möglichst viel Spezialwissen eingebracht wird und dieses Spezialwissen auch offen ausgetauscht und diskutiert werden kann.
Führungskräfte in die Entscheidungsrunden mit hineinzunehmen, ist nur dann zu empfehlen, wenn diese sich rein auf Ihren Wissensbereich konzentrieren und nicht in ihrer Rolle als Führungskraft und damit als Entscheider fungieren sollen oder wollen.
Bei Entscheidungen in Projektteams gibt es aber auch eine Reihe von typischen Fallstricken, die es zu beachten gilt:
- Riskante Entscheidungen
Das Projektteam erweist sich ggf. als „mutiger“, weil es im Unterschied zum Einzelnen das Risiko bei Fehlentscheidungen auf mehreren Schultern verteilen kann. - Vorschneller Konsens
Insbesondere Projektteams, die kohärent zusammengesetzt sind, neigen schnell dazu, nach kurzem Austausch allseits bekannter Argumente zu einer Entscheidung zu kommen. - Austausch einseitiger Informationen
Diskussionen drehen sich meist um Argumente, die allen bekannt sind. Spezialwissen wird demzufolge eher weniger oder auch eher zufällig gefordert und eingebracht. - Bewertung einseitiger Informationen
Mehrheitsfähige Argumente, also solche, die allen vertraut sind, werden als wichtiger betrachtet. Einzelmeinungen werden eher als unbedeutend empfunden.
Das Projektteam sollte beobachten, ob sie zu den oben genannten Fallstricken tendieren. Insbesondere beim Punkt „riskante Entscheidungen“ ist abzuwägen, ob es sich hierbei um ein Risiko handelt, das einschätzbar ist, oder ob das Team einfach nur riskant (ohne Abwägung von Chancen und Risiken) entscheidet, da sich zur Not die Folgen auf Andere „abwälzen“ lassen .
Damit die oben genannten Fallstricke die Entscheidungen nach Möglichkeit nicht beeinflussen, gibt es unterschiedliche Entscheidungstechniken.
Drei Entscheidungstechniken für einfache, komplizierte und komplexe Entscheidungen
Im Cynefin-Modell finden Sie insgesamt 21 unterschiedliche Entscheidungstechniken (siehe dazu bitte Teil 1). Nachfolgend beschreibe ich drei Entscheidungstechniken im Detail. Diese gehören jeweils in den Bereich einfach, kompliziert und komplex:
- Prioritätenstift (einfach)
- Morphologischer Kasten (kompliziert)
- Nutzwertanalyse (komplex)
Andere Entscheidungstechniken werde ich in folgenden Blogbeiträgen beschreiben.
Prioritätenstift
Nutzen:
Prioritäten setzen.
Ziel:
Der paarweise Vergleich von Bewertungskriterien zeigt die Zusammenhänge zwischen den Kriterien und ihrer Wichtigkeit auf.
Einsatz:
Jedes Kriterium wird mit jedem anderen Kriterium paarweise verglichen. Der Prioritätenstift ist immer dann hilfreich, wenn aus den zu betrachtenden Kriterien immer eine, aus dem jeweiligen Vergleich miteinander, resultierende Rangfolge erstellt werden soll.
Der Prioritätenstift eignet sich für simple Entscheidungen. Er kann von einer Einzelperson genutzt werden oder von einem Team von 4 – 5 Mitgliedern (Flip-Chart). Die Anzahl der Kriterien sollte nicht größer als 9 sein.
Vorgehen:
Die Kriterien werden mittels Brainstorming gesammelt und untereinander geschrieben. Danach folgt die Zeichnung des Stiftes. Jedes Kriterium wird einem Buchstaben von A – ggf. I zugeordnet. Nun werden die einzelnen Kriterien paarweise verglichen und der Buchstabe des wichtigeren Kriteriums in das zugehörige Feld geschrieben. Die Buchstaben werden ausgezählt und damit die Rangfolge der Kriterien festgelegt.
Beispiel:
Kauf eines Autos.
Morphologischer Kasten
Nutzen:
Prioritäten setzen.
Ziel:
Da in einem Morphologischen Kasten ein Entscheidungsproblem in eine Vielzahl von Einzelteilen zerlegt wird und zu jedem Einzelteil möglichst viele Lösungen entwickelt und miteinander kombiniert werden, ist der Morphologische Kasten gut geeignet, die Komplexität der Entscheidungssituation transparent zu machen und kreative Lösungen zu finden.
Einsatz:
Komplexe Aufgabenstellungen werden auf ihre Teilelemente zurückgeführt und in einem Ordnungsschema in einer Spalte untereinander dargestellt. Für jedes dieser Teilelemente werden dann zeilenweise, unabhängig von der Fragestellung, weitere Teillösungen gesucht und systematisch miteinander variiert. Im Grunde regt der morphologische Kasten das Verständnis für eine ganzheitliche Sicht einer Fragestellung an und fördert eine kreative Auseinandersetzung mit der Entscheidungsthematik. Gerade in interdisziplinär zusammengesetzten Projektteams gibt die Struktur der Methode genügend Raum, verschiedene Blickwinkel und Lösungsebenen zu entdecken.
Vorgehen:
- Analyse und Formulierung der Fragestellung.
- Ermittlung aller Einflussgrößen auf die Fragestellung.
- Ermittlung aller Ausprägungen / Kriterien für die Einflussgrößen.
- Zusammenstellung einer morphologischen Matrix.
- Zusammenstellung und Analyse aller möglichen Alternativen.
- Bewertung und Auswahl der besten Lösung.
Beispiel:
Gestaltung eines Seminarkonzepts.
Nutzwertanalyse / Entscheidungsmatrix
Nutzen:
Prioritäten setzen.
Ziel:
Die Nutzenanalyse / Entscheidungsmatrix eignet sich besonders für Situationen, in denen eine höhere Anzahl von Kriterien gleichzeitig zu berücksichtigen sind.
Einsatz:
Verschiedene Entscheidungsalternativen sollen relativ zueinander bewertet und die beste Lösung mit dem höchsten Nutzwert im Vergleich zu den Alternativen gefunden werden. Die Grundidee liegt darin, für die Entscheidungsoptionen verbindliche und gewichtete Bewertungskriterien zu entwickeln und die Entscheidungsoptionen mit Hilfe dieser Kriterien dann zu priorisieren.
Vorgehen:
Die Fragestellung muss klar definiert werden, um anschließend die Kriterien festzulegen, nach denen die verschiedenen Alternativen bewertet werden sollen. Als nächster Schritt werden die Kriterien hinsichtlich ihrer Bedeutung gewichtet.
Unter dem jeweiligen Blickwinkel aus Ziel und Rahmen sind folgende Punkte abzugrenzen:
- Notwendigkeit gegen Nützlichkeit
- Muss-Kriterium gegen Wunsch-Kriterium
Jede Alternative wird überprüft, ob sie diese Kriterien erfüllt oder nicht. Erfüllt eine Alternative ein notwendiges / Muss-Kriterium nicht und kann ein Erfüllen auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand erreicht werden, so ist die Alternative zu streichen.
Um unter den verbleibenden Alternativen herauszufinden, welche die Gesamtheit aller Bedingungen am ehesten erfüllt, wird für jedes Kriterium die Alternative heraus gesucht, die den Wunsch am besten erfüllt und bewerten diese bei Skalenbewertung mit 10 Punkten. Die Alternativen werden an dieser gemessen und relativ zu dieser geringer (oder gleich, wenn sie identisch sind) eingestuft. Es bietet sich hier eine Skala 10 – 0 an. Alternativ kann auch die Rangfolge bestimmt werden.
Beispiel:
Auswahlentscheidung für einen Autokauf.
Im o.g. Beispiel haben alle 3 Fahrzeuge die Muss-Kriterien bzw. Notwendig erreicht, daher geben die Wunsch-Kriterien /Nützlichkeiten den Ausschlag, welches Fahrzeug die Entscheidung „gewinnt“. Das Fahrzeug mit dem höchsten GW-Wert (Gewichtung der Bedingung x Wertigkeit der Alternative) und damit die beste Alternative ist der „Colt“ mit 312 Punkten.
Fazit
Im Kontext von Projekten sind Entscheidungen aus mehreren Aspekten wichtig. Zum einen hat die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden, Ihren Ursprung in der Kultur bzw. den Werten des Unternehmens. Gleichzeitig beeinflussen die Entscheidungen, getrieben von Werten und Prinzipien, aber auch den Erfolg von Projekten und Unternehmen.
Der zentrale Trend zu Entscheidungen lautet: „Von zentraler Endscheidungsgewalt zu dezentraler Entscheidungskompetenz“.
In diesem Sinne nutzen Sie die Kompetenz des Projektteams und treffen Sie Entscheidungen mit der richtigen Entscheidungstechnik, denn dies ist ein wesentliche Basis für den Erfolg Ihrer Projekte.
Hinweise:
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Im nächsten Teil der Beitragsserie geht es um Entscheidungen in der VUKA-Welt und weitere Entscheidungstechniken.
Cornelia Kiel hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht:
Cornelia Kiel
Cornelia Kiel steuert Projekte intelligent und nachhaltig seit über 20 Jahren. Dabei setzt Sie auf unterschiedlichste Methoden: vom Wasserfall über V-Modell bis hin zu den diversen agilen Frameworks wie Scrum, Kanban oder SAFe – immer im Sinne des effizienten Projekts.
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