Entscheidungen richtig treffen
Nutzen Sie bei Entscheidungen das Know-how Ihrer Teams? Nutzen Sie effektive Varianten der Entscheidungsfindung? Oder sind Sie basisdemokratisch in einer Einbahnstraße? Gemeinsame Entscheidungen schnell, tragfähig und nachvollziehbar zu treffen, ist in der heutigen komplexen Projektwelt wichtiger denn je. Wie aber gelingt es in der Praxis, Entscheidungen gemeinsam und darüber hinaus auch „richtig“ zu treffen? Im Rahmen der volatilen Welt und des agilen Mindset braucht es neue Ansätze für den Umgang mit Entscheidungen und dem daraus folgenden Prozess.
Was versteht man unter dem Begriff Entscheidung?
Unter Entscheidung versteht man die Wahl einer Handlung aus mindestens zwei vorhandenen potenziellen Handlungsalternativen unter Beachtung der definierten Ziele.
Im Alltag tauchen Entscheidungssituationen täglich sehr häufig auf, ohne dass man sich hierüber bewusst ist. Der Fahrer muss entscheiden, ob er die Fahrtrichtung geradeaus wählt oder rechts abbiegt. Die Auswahl von einer dieser beiden Handlungsalternativen hängt vom Fahrtziel ab, so dass also selbst bei dieser simplen Entscheidung wiederum das Ziel für die Auswahl der richtigen Handlungsalternative von Bedeutung ist.
Bei der Entscheidung aus mehreren Handlungsalternativen wird diejenige ausgewählt, die sich im Hinblick auf ein Ziel als die Beste erweist.
Handlungsalternativen können allgemein aus einem bestimmten Handeln oder einem Unterlassen bestehen.
Entscheiden bedeutet bewusstes Tun. Einem Wahlverhalten aus Gewohnheit, Intuition oder spontaner Emotionalität (so wichtig dies auch ist) geht keine echte Entscheidung im Sinne der Entscheidungstheorie voraus.
Wie kommt man zu einer Entscheidung?
Entscheider sind die für die Konsequenzen verantwortlichen Personen. Dieses kann eine Einzelperson oder ein Team sein.
Die Entscheidung zwischen Tun/Nicht-Tun (Unterlassen) nennen wir Handlungsentscheidung. Stehen noch mehrere Handlungsalternativen zur Wahl, sprechen wir von einer Auswahlentscheidung (Wahl der geeignetsten Alternative).
Die grundlegenden Fragen für Entscheidungen lauten aber
- „Haben wir überhaupt eine Wahl bzw. Grundlage für eine Entscheidung?“
- „Haben wir ausreichend Informationen, um zu entscheiden?“.
Informationen – deren Quantität und Qualität – sind essenziell für das Treffen richtiger Entscheidungen.
Wie treffen wir Entscheidungen in drei Schritten?
Schritt 1 – Bedingung nennen
Entscheidungen unter Sicherheit setzen vollständige Information voraus. Dieses zu erwarten bedeutet Ablösung von Realität. Eine Entscheidung ist nur so gut oder so willkürlich wie die Kriterien bzw. Bedingungen, die ihr zugrunde liegen. Daher müssen erst Entscheidungskriterien bereitgestellt, bevor Entscheidungsalternativen untersucht werden.
Schritt 2 – Bedingung gewichten
Häufig fällt es schwer, Bedingungen in ihrer Bedeutung zueinander zu gewichten. Entscheidungen verfolgen oft verschiedene Ziele, die je nach Blickwinkel oder Sprachspiel (ökonomisch, ethisch, strukturell, politisch, kulturell, ökologisch…) eine unterschiedliche Gewichtung erfahren. Was aus dem einen Blickwinkel als notwendig erscheint, ist aus einem anderen allenfalls nützlich.
Mit jedem zusätzlichen Blickwinkel nimmt die Anzahl der Beziehungen potenziell zu, dabei entsteht ein Gebilde, das durch die Fülle von Beziehungen nicht mehr optimierbar und damit unentscheidbar ist.
Das bedeutet, dass das Setzen von Zielvorgaben und Rahmenbedingungen unabdingbare Voraussetzungen für Entscheidungen sind.
Unter dem jeweiligen Blickwinkel aus Ziel und Rahmen sind folgende Punkte abzugrenzen:
- Notwendigkeit gegen Nützlichkeit
- Muss-Kriterium gegen Wunsch-Kriterium
Notwendige Bedingungen / Muss-Kriterien prüfen
Jede Alternative wird überprüft, ob sie die Bedingungen erfüllt oder nicht. Erfüllt eine Alternative eine notwendige Bedingung nicht und kann ein Erfüllen auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand erreicht werden, so ist die Alternative zu streichen.
Nützliche Bedingungen / Wunsch-Kriterien bewerten
Um unter den verbleibenden Alternativen herauszufinden, welche die Gesamtheit aller Bedingungen am ehesten erfüllt, wird für jedes Kriterium die Alternative heraus gesucht, die den Wunsch am besten erfüllt und bewerten diese bei Skalenbewertung mit 10 Punkten. Die anderen Alternativen werden an dieser gemessen und relativ zu dieser geringer (oder gleich, wenn sie identisch sind) eingestuft.
Es bietet sich eine Skala 10 – 0 an. Alternativ kann auch die Rangfolge bestimmt werden.
Im o. g. Beispiel habe alle 3 Fahrzeuge die Muss-Kriterien bzw. Notwendig erreicht, daher geben die Wunsch-Kriterien / Nützlichkeiten den Ausschlag, welches Fahrzeug die Entscheidung „gewinnt“. Das Fahrzeug mit dem höchsten GW-Wert (Gewichtung der Bedingung x Wertigkeit der Alternative) wäre der „Colt“ mit 312 Punkten die ausgewählte Alternative.
Schritt 3 – Unsicherheiten verringern
Zum Verringern von Unsicherheiten können die folgenden Fragen beitragen:
- Sind alle Bedingungen konsensfähig? Bei Unstimmigkeit ist Konsens durch Neuformulierung herzustellen. („Ich schlage folgende Formulierung vor…“)
- Ist eine notwendige Bedingung wirklich notwendig. Würde ein Wegfall der Bedingung eine positive Entscheidung kippen?
- Sind Maximal- oder Minimal-Formulierungen als Bedingung notwendig?
- Wie sicher sind die Daten? Stammen sie aus einer uninteressierten Quelle? Ist die Quelle interessiert, wurde eine andere Seite ausreichend gewürdigt? Stimmt die Logik der Bedingung?
- Was könnte bei der Umsetzung der Entscheidung schief gehen? Und wie wahrscheinlich ist dies?
- Kann man dem Eventualfall vorbeugen, Notmaßnahmen bereitstellen?
Wie nehmen Menschen wahr und entscheiden?
Nach der theoretischen Einführung und diesem sehr simplen Beispiel für eine Entscheidungstechnik schauen wir darauf, wie Menschen im Entscheidungsprozess wahrnehmen und entscheiden.
Nicht nur die „richtige“ Entscheidungstechnik ist wichtig, sondern auch die innere Haltung aller Projektmitarbeiter.
Kennen Sie das?
- Das Teammitglied mit dem meisten Wissen zu einer Fragestellung ist eigentlich prädestiniert, die Rolle des Entscheiders zu übernehmen. Es gibt die Entscheidung aber entweder an die nächsthöhere Hierarchiestufe ab oder sitzt die Entscheidung aus – aus Angst vor der Verantwortung.
- Ein Teammitglied entscheidet und übernimmt die Verantwortung. Doch dann kommen Kollegen und wissen alles besser. Der Entscheider verliert damit die Lust daran, Verantwortung zu übernehmen oder sich zum Sündenbock machen zu lassen.
- In Besprechungen warten alle darauf, dass Beschlüsse einstimmig gefasst werden. Da keiner die Verantwortung übernimmt, kommt es zu ineffektiven Lösungen, hinter denen keiner wirklich steht.
- In Meetings werden Fragestellungen aufgeworfen. In der Diskussion kommen dann unendlich viele irrelevante Einsprüche. Der Entscheider oder Moderator lässt zu, dass zu viele Meinungen ohne Begründung durchgehen. Damit werden Entscheidungen zerredet.
Wie können wir den o. g. Punkten entgegenwirken?
Der MBTI (Myers Briggs Typen Indikator)¹ ist ein Persönlichkeitsinstrument, welches Präferenzen für Wahrnehmen und Entscheiden aufzeigt. Mit Hilfe des MBTI verstehen die Menschen ihre eigenen und die Präferenzen ihrer Teammitglieder besser.
Effektive Entscheidungen machen es erforderlich, Informationen aus einer Vielzahl von Perspektiven zu sammeln und fundierte Methoden zu deren Beurteilung anzuwenden. Der MBTI liefert uns spezifische Wege, unsere Entscheidungen zu verbessern. Er orientiert sich an zwei zentralen mentalen Prozessen „Wahrnehmen“ und „Entscheiden“ und versucht herauszufinden, wie Menschen diese Prozesse nutzen.
Da Menschen diese zwei Prozesse unterschiedlich einsetzen, ist es wichtig, diese Unterschiede zwischen Menschen zu verstehen und wertzuschätzen. Der MBTI kennt 16 verschiedene Typen, die sich gegenseitig ergänzen und er zeigt auf, wie diese Typen zusammenarbeiten können.
Die 16 MBTI-Typen beruhen auf 4 Dichotomien:
Wobei die beiden mittleren (als Funktion bezeichneten Dichotomien) ausschlaggebend sind, wie wir Menschen wahrnehmen und entscheiden.
Für nachhaltige und tragfähige Entscheidungen ist es wichtig, dass die nachfolgende Reihenfolge eingehalten wird:
1. Fakten
- Relevante Fakten ermitteln
- Auf Grund von Erfahrungen handeln
- Realistische Einschränkungen erkennen
- Schrittweise Lösungen erstellen und umsetzen
- Radikal neue Ansätze in Frage stellen
2. Möglichkeiten
- Alle Möglichkeiten in Betracht ziehen
- Brainstorming zu Alternativen durchführen
- Mehrere Probleme gleichzeitig lösen
- An die Zukunft denken
- Trends und Muster erkennen
3. Logik und Analyse
- Das zugrunde liegende Problem analysieren
- Das Problem sezieren
- Debattieren oder diskutieren bis alle Meinungen offen liegen
- Ein Modell entwickeln oder anwenden
- Grundannahmen in Frage stellen
4. Auswirkung auf Menschen
- Alle Parteien mit einbeziehen
- Die Auswirkungen von Entscheidungen auf andere berücksichtigen
- Möglichkeiten auf Grund von Werten einschätzen
- Die Zustimmung der Beteiligten einholen
- An der Harmonie im Team arbeiten
Der beste Weg zu einer Entscheidung besteht darin, die vier Typenfunktionen bewusst und in einer bestimmten Reihenfolge einzusetzen: Sensing (Empfinden). Intuition, Thinking (Denken) und Feeling (Fühlen). Die Pfeile im Haus veranschaulichen den Z-Modell-Prozess.
Drei weitere Schritte ergänzen den Z-Modell-Prozess:
5. Treffen einer endgültigen Entscheidung (auf der Grundlage der gesammelten Informationen und Bewertungen)
6. Die Entscheidung aus- bzw. durchführen
7. Die Entscheidung am Ende beurteilen unter der Perspektive „Was können wir aus der Entscheidung lernen?“ War es eine gute Entscheidung? Waren alle Möglichkeiten, Wirkungen und Folgen berücksichtigt? Wir können in Zukunft bessere Entscheidungen getroffen werden?
Wenn Teams Entscheidungen treffen, neigen diese häufig dazu, sich vor allen Dingen auf Ihre bevorzugten Präferenzen zu veranlassen, anstatt alle 4 Funktionstypen in der genannten Reihenfolge anzuwenden. Ist dieses der Fall, kann die Entscheidung die Teamleistung negativ beeinflussen.
Wird hingegen das Z-Modell berücksichtigt, ist das Ergebnis eine Entscheidung, die alle Facetten des Problems und der Auswirkung berücksichtigt und von jedem Teammitglied mitgetragen wird.
Fazit
Das Treffen von Entscheidungen und deren Umsetzung ist sehr vielschichtig. Wir treffen ständig Entscheidungen, manche sind uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir gar nicht mehr merken, dass wir eine Entscheidung treffen. Umso wichtiger ist es, in der heutigen volatilen Welt sich bewusst mit dem Treffen von Entscheidungen auseinanderzusetzen. Insbesondere in Teams müssen hier die mentalen Prozesse stimmen, damit das Team nachhaltige, nachvollziehbare und tragfähige Entscheidungen trifft.
Diese geht nur, wenn das Team eine Grundlage hat zum Beispiel durch den MBTI, auf es sich stützen kann.
Aus Sicht der Entscheidungstheorie, der Wissenschaft und Psychologie ist das Thema in diesem Artikel sicherlich nur gestreift. Sinn und Zweck des Artikels soll es auch nur sein, für das Thema zu sensibilisieren. Sie haben einen kurzen Überblick erhalten, wie Sie Entscheidungen positiv beeinflussen können. Der MBTI kann Sie darüber hinaus auch bei effektiver Kommunikation, dem Umgang mit Veränderungen, der Konfliktbewältigung oder der Teamentwicklung unterstützen.
Hinweise:
Interessieren Sie sich für weitere Tipps aus der Praxis? Testen Sie unseren wöchentlichen Newsletter mit interessanten Beiträgen, Downloads, Empfehlungen und aktuellem Wissen.
[1] MBTI® – The Myers-Briggs Type Indicator ist eine Marke oder eingetragene Marke der Myers & Briggs Foundation in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern.
Cornelia Kiel hat weitere interessante Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht, u. a.:
Cornelia Kiel
Cornelia Kiel steuert Projekte intelligent und nachhaltig seit über 20 Jahren. Dabei setzt Sie auf unterschiedlichste Methoden: vom Wasserfall über V-Modell bis hin zu den diversen agilen Frameworks wie Scrum, Kanban oder SAFe – immer im Sinne des effizienten Projekts.
Ihre Kunden profitieren von ihrem außergewöhnlichen Erfahrungsschatz als Projektleiterin, ScrumMaster, AgileCoach, Moderatorin und BVMW-geprüfte Beraterin für mittelständische Unternehmen.
Am Anfang steht immer die Frage nach dem Warum. – Schon als Kind hat sie ihren Vater damit zur Verzweiflung getrieben. – Mit dieser Neugier kommt Cornelia Kiel mit Ihnen gemeinsam dem Sinn und Zweck Ihres Projekts auf die Spur. Ebenso wird die Frage nach dem Nutzen für Ihren Kunden beantwortet. Von diesem Ausgangspunkt gelangen Sie fokussiert an das Ziel Ihres Projekts.