Drei Fragen zu Stellenanzeigen
Ein Gespräch mit Madeleine Kern über Stellenanzeigen
Madeleine Kern hat es sich zur Aufgabe gemacht, kleine und mittelständische Unternehmen als attraktive Arbeitgeber sichtbar zu machen. Ihr Motto lautet „Fachkräftemangel mit Köpfchen begegnen!“. Dabei legt sie großen Wert auf Wissen, Umsetzung und Spaß. In Workshops und Trainings vermittelt sie schnell und effektiv die Grundlagen der Personalsuchstrategie sowie praktische Vorgehensweisen.
Ihr Ziel ist es, dass sowohl Bewerber als auch Arbeitgeber effizient und mit Freude an den Bewerbungsprozess herangehen. Denn jeder Arbeitgeber ist ein Wunscharbeitgeber für die richtige Person. Madeleine Kern ist somit die genau richtige Ansprechpartnerin für die folgenden drei Fragen:
Wie vermeide ich Schönfärberei in der Stellenanzeige?
Madeleine Kern: Eine Stellenanzeige ist im weitesten Sinne Werbung und Werbung lügt. Das ist die weit verbreitete Meinung. Wenn aber jeder glaubt, dass in Stellenanzeigen gelogen wird, warum soll man sich dann ausgerechnet die Mühe machen, nicht zu lügen? Und wie können Bewerberinnen und Bewerber überhaupt unterscheiden, ob die Stellenanzeige ernst gemeint, ein bisschen geschönt oder schlicht und einfach eine Lüge ist?
Meine erste und wichtigste Empfehlung ist: Ehrlich bleiben! Denn jeglicher Schwindel, Schönfärberei und Über- oder Untertreibungen kommen irgendwann ans Licht und dann folgt Frust und im schlimmsten Fall eine schnelle Kündigung. Das kostet alle Seiten viel Zeit und auch bares Geld und lässt sich sehr leicht vermeiden.
Nach meiner Erfahrung wird besonders gern bei den Benefits beschönigt, dabei sind diese gar nicht der zur Bewerbung ausschlaggebende Punkt. Deshalb möchte ich zunächst auf das Wichtigste eingehen: Die Aufgabenbeschreibung.
Menschen bewerben sich nicht auf Benefits, sondern auf eine anspruchsvollere oder neue Tätigkeit – eben schlichtweg auf einen neuen Job. Dieser sollte deshalb so authentisch und zielgruppengerecht geschrieben sein, wie nur irgend möglich. Daher empfehle ich vorab eine Arbeits- und Anforderungsanalyse mit dem einstellenden Fachbereich durchzuführen. Im allerbesten Fall findet sich sogar die Zeit, die Stellenanzeige mit dem Fachbereich gemeinsam zu texten. Denn die Menschen, die den Job bereits ausführen, können ihn am besten beschreiben und wissen sogar, was die Zielgruppe als wichtig empfindet. Die Aufgabe des Personalbereichs ist es, die Lesbarkeit der Anzeige im Blick zu behalten, damit sie nicht im kompletten Fachchinesisch geschrieben ist.
Hier unterscheidet sich die Stellenanzeige von Werbung: Wenn wir ein Produkt verkaufen, wollen wir so viele Kunden wie möglich mit einer Anzeige erreichen und zum Kauf überzeugen. Wenn wir aber eine Position im Unternehmen besetzen, wollen wir das mit einer passenden und geeigneten Person. Und ja, meist nur eine einzige. Schönfärberei ist bei der Aufgabenbeschreibung absolut kontraproduktiv, da wir damit auch ungeeignete Personen anlocken und somit mehr Arbeit bei der Personalauswahl erzeugen.
Ein gutes Beispiel für einen Perspektivwechsel ist die Reisetätigkeit: Diese wird meist ganz klein als vermeintlich lästige Anforderung in die Stellenanzeige geschrieben. Doch die passende Person empfindet das Reisen und Arbeiten an unterschiedlichen Orten als etwas Positives. Was der eine Mensch als belastend empfindet, ist für den anderen eine Herausforderung und für die nächste Person ein Benefit. Schönfärberei ist also gar nicht nötig. Ehrlichkeit ist viel wichtiger.
Ein weiteres Beispiel sind die bereits erwähnten Benefits, bei denen besonders gerne geflunktert oder übertrieben wird. Nehmen wir das Homeoffice. „Das muss doch drin stehen“, höre ich oft. „Aber eigentlich wird das hier gar nicht gelebt.“ Das läuft für mich direkt auf einen unzufriedenen Start und eine Kündigung in der Probezeit hinaus, wenn sich nicht direkt im Vorstellungsgespräch herausstellt, dass hier gelogen wurde. Deshalb empfehle ich auch an dieser Stelle: Seien Sie ehrlich! Schreiben Sie lieber „Wir haben eine tolle Bürokultur, weil …“. Es gibt durchaus Menschen, die gerne und am liebsten ins Büro gehen, und genau die passen besser zu der entsprechenden Arbeitsweise.
Eine ehrliche Stellenanzeige ist also eine Win-Win-Anzeige für alle Seiten und Schönfärberei ist mit dieser Perspektive plötzlich gar nicht mehr nötig.
Wie vermeide ich, dass unsere Stellenanzeige aussieht wie alle anderen?
Madeleine Kern: Gegenfragen: Wie sehen denn alle anderen Anzeigen aus? Wollen Sie sich überhaupt vom Branchenstandard abheben? Denn auch bei Stellenanzeigen kann es sinnvoll sein, einen gewissen Standard einzuhalten, um den Gewohnheiten und dem Suchverhalten der Leserinnen und Leser zu entsprechen.
Meiner Erfahrung nach wollen sich Unternehmen positiv von der Konkurrenz abheben. Und da viele Stellenanzeigen versuchen, eine 40-Stunden-Woche mit Bullet-Points und kurzen, substantivierten Stichpunkten zu beschreiben, ist es recht einfach, es besser zu machen.
Grundsätzlich sind Stichpunkte sinnvoll für die visuelle Abgrenzung der Aufgaben. Darüber hinaus empfehle ich ganze Sätze und eine direkte Ansprache, um eine sprachliche Verbindung zu den Lesenden herzustellen.
Die Stellenanzeige ist schon deutlich besser als der Durchschnitt, wenn die Aufgaben eine gewisse Sortierung erhalten. Dabei gilt: Die wichtigsten und häufigsten Aufgaben zuerst nennen, um die Prioritäten des Jobs deutlich zu machen. Es gibt auch Berufe bei denen es sinnvoller ist, die Aufgaben in eine Projektreihenfolge zu bringen, weil diese immer wieder durchlaufen wird. Es gibt sogar Stellenanzeigen, bei denen ich empfehle, den typischen Tagesablauf zu skizzieren.
Das Wichtigste ist jedoch, die Tätigkeiten so zu beschreiben, wie sie im Unternehmen ausgeführt werden. Was macht die Arbeit einzigartig? Welche Besonderheiten gibt es?
Hier mal ein konkretes Beispiel aus der Buchhaltung: Der Job ist klar. Buchhalter und Buchhalterinnen wissen, was alles dazu gehört. Wie kann man sich dennoch von der Konkurrenz abheben? Indem man konkret wird:
- Welches Programm wird im Unternehmen für die Buchhaltung verwendet?
- Wie viele Rechnungen müssen pro Woche/Monat geschrieben, geprüft, freigegeben werden?
- Nach welchem Prinzip erfolgt die Prüfung (Vier-Augen-Prinzip, Sechs-Augen, künstliche Intelligenz, Steuerberater)?
- Welche Schnittstellen gibt es zu anderen Abteilungen oder externen Dienstleistern?
- Welche Rechtsgebiete muss die Person abdecken oder gibt es dafür eine andere Abteilung?
- Wie groß ist das Team?
- Welche zusätzlichen Projekte gibt es (z.B. Softwareumstellungen oder Prozessänderungen)?
Und ganz plötzlich ist es nicht nur irgendein Job in der Buchhaltung, sondern ein ganz konkretes Aufgabenpaket, dass man jetzt gut oder schlecht finden kann. Aber immerhin haben Lesende die Möglichkeit, sich ein Bild zu machen, eine Meinung zu bilden und die Entscheidung zu treffen, ob sie sich bewerben oder eben nicht.
Da in Stellenanzeigen sehr gerne mit Floskeln und Buzzwords gearbeitet wird, die niemand mehr lesen möchte, lohnt es sich, diese einfach wegzulassen.
Ein Fokus auf wirklich relevante Anforderungen wertet die Stellenanzeige auf. Die Buchhaltung muss jetzt wieder für das Beispiel herhalten: Es ist absolut unnötig in die Anforderungen zu schreiben, dass Detailorientierung und Zahlenaffinität gewünscht sind. Das wird in der Aufgabenbeschreibung deutlich und ist bei Menschen, die eine entsprechende Ausbildung haben Voraussetzung. Natürlich ist es wichtig, diese Kompetenz im Bewerbungsgespräch zu testen, aber in der Stellenanzeige ist es unnötiger Ballast.
Sie möchten Ihrer Stellenanzeige noch mehr Einzigartigkeit verleihen? Dann empfehle ich einen eigenen Bereich für Kultur und Arbeitsweise. Hier können Sie richtig punkten und zeigen, wie Ihr Unternehmen tickt und was das Arbeiten bei Ihnen so besonders macht. Zudem gibt es kein Richtig oder Falsch, hier geht es nur um Sie: Wie verbringen Sie Ihre Mittagspause oder welche Art der Zusammenarbeit leben Sie (Büro, digital, hybrid)? Arbeiten Sie gerne im Team oder lieber selbstständig? Wie ist Ihre Lernkultur? Wie ist die Fehlerkultur? Wie ist die Feierkultur? Schreiben Sie Beispiele auf und zeigen Sie die besten Seiten Ihres Unternehmens.
So kann die Anzeige nicht wie alle anderen aussehen.
Versaut mir das Gendern in der Stellenanzeige die Reichweite?
Madeleine Kern: Das Gendern in Stellenanzeigen ist eines der meistdiskutierten Themen in meinen Workshops. Einige Unternehmen haben bereits Richtlinien, die dann logischerweise auch in der Stellenanzeige angewendet werden und wiederum andere beschäftigen sich das erste Mal damit. Neben den typischen Fragen der Notwendigkeit, Lesbarkeit, Inklusion oder Exklusion von Zielgruppen, wirft die Stellenanzeige noch eine weitere Frage auf: Vermindert gendern die Reichweite der Stellenanzeige?
Vorab ein kurzer Abriss zu den Grundlagen der Reichweite einer Stellenanzeige. Die Stellenanzeige auf der Unternehmenswebsite kann durch eine Suchmaschine wie Google oder Bing gefunden werden, wenn sie einer „normalen“ Webseite entspricht. Der Stellentitel ist eine sogenannte H1-Überschrift und für die Suchmaschine der wichtigste Hinweis, ob das „Gesuchte“ auf der Seite zu finden ist. Die Wörter im Stellentitel, die Keywords, sollten ein hohes Suchvolumen haben – also von Menschen gesucht werden.
Jetzt kommt das Gendern in Spiel: Was geben Menschen in eine Suchzeile ein? Die männliche oder die weibliche Form einer Berufsbezeichnung oder sogar eine Form mit Sternchen oder Doppelpunkt?
Das Beispiel der Buchhaltung muss wieder herhalten: Buchhalter, Buchhalterin, Buchhalter:in, Buchhalter*in.
Dahinter wird meist noch ein (m/w/d) geklatscht, welches nur bei den ersten beiden Varianten Sinn ergeben würde. Dann zeigt der Stellentitel, dass zumindest bei der Ausschreibung auf Geschlechterdiskriminierung verzichtet wird. Immerhin.
Wenn das Sternchen genutzt wird, sind prinzipiell beide Geschlechter und alle dazwischen und außerhalb gemeint. Doch hier ergibt sich die Schwierigkeit, dass die Suchmaschine den Stern als eigenes Zeichen interpretiert. Doch nur wenige Menschen geben Jobtitel auf diese Art in eine Suchzeile ein. Ebenso wird der geschlechtsneutrale Begriff „Buchhaltung“ seltener gesucht als der „Buchhalter“. Somit wird die Auffindbarkeit der Stellenanzeige geringer ausfallen. Teilweise können Suchmaschinen bereits mit den gängigen Gender-Möglichkeiten umgehen und auch eine Stellenanzeige mit dem Titel „Buchalter*in“ wird bei der Sucheingabe „Buchalter“ angezeigt. Dennoch würde ich mich Stand heute noch nicht darauf verlassen.
Meine Empfehlung ist daher, im Stellentitel auf das Gendern zu verzichten und das (m/w/d) oder (all genders) als Zusatz zu verwenden.
Ob eine Berufsbezeichnung in der männlichen, weiblichen, deutschen oder englischen Variante häufiger gesucht wird, lässt sich mit Hilfe von Vergleichen auf Google Trends¹ prüfen.
Innerhalb der Stellenanzeige sieht es dagegen ganz anders aus. Hier können wir mit Doppelpunkten, Sternen oder was auch immer für Ihr Unternehmen passt, arbeiten. Die Auswirkung auf die Reichweite ist deutlich geringer und hat hier vor allem eine Aussagekraft zur Haltung des Unternehmens bezüglich Geschlechtergerechtigkeit. Oft geht es auch nicht mehr um die Berufsbezeichnung, sondern vielmehr um Wörter wie Kund*innen oder Mitarbeiter*innen, die nichts mit dem Suchverhalten zu tun haben.
Dazu noch ein kleiner Nachtrag, der nichts mit Reichweite zu tun hat, aber für Stellenanzeigen wichtig ist: Grundsätzlich gilt, dass bei der Stellenbesetzung nicht diskriminiert werden darf. Das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) gilt hier als rechtliche Grundlage. Und das wird nicht mit einem einfachen (m/w/d) im Titel bedient. Der komplette Bewerbungsprozess von der Ausschreibung bis zur Einstellung muss diskriminierungsfrei sein. Das bezieht sich nicht nur auf das Geschlecht, sondern auf alle im AGG genannten Diskriminierungsmerkmale (ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität). Wenn Sie sich unsicher sind, dann überlegen Sie einfach: Hat diese Eigenschaft bzw. dieses Merkmal etwas mit dem Job zu tun oder Auswirkungen darauf? Wenn nein, dann einfach nicht in die Personalauswahl einfließen lassen und natürlich auch nicht in die Stellenanzeige schreiben.
Hinweise:
Auf der Website von Madeleine Kern oder auf ihrem LinkedIn-Profil finden Sie weitere Infos zum Thema. Nehmen Sie bei Bedarf gerne Kontakt auf.
Im t2informatik Blog hat Madeleine Kern einen Beitrag über die sogenannte Candidate Journey veröffentlicht.
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Es gibt weitere Beiträge aus der t2informatik Blogserie „Drei Fragen …“, u. a.
Michael Schenkel
Leiter Marketing, t2informatik GmbH