Die Vorteile von Remote Work

Gastbeitrag von | 05.08.2019

Ich glaube, dass sich die Leistung in Ihrem Unternehmen durch Surfen steigern lässt. Bevor ich aber erläutere, was es mit dem Surfen auf sich hat, möchte ich Ihnen drei Fragen stellen:

  1. Arbeiten in ihrem Unternehmen Menschen in Teams, die über mehrere Standorte oder gar die ganze Welt verteilt sind?
  2. Arbeiten Menschen in ihrem Unternehmen von zu Hause oder gar von einem flexiblen Arbeitsort?
  3. Wie gut funktioniert das verteilte Arbeiten in Ihrem Unternehmen?

Wenn Sie in einem größeren Unternehmen arbeiten, ist die Antwort auf Frage 1 sicherlich ein klares Ja. Bei Frage 2 fällt das Ja meist nicht mehr so klar aus. Natürlich gibt es in Einzelfällen Menschen mit einem Heimarbeitsplatz. Die meisten haben auch schon mal von zu Hause gearbeitet, weil das Kind krank war oder um eine Speditionslieferung entgegenzunehmen. Trotzdem ist “Remote Work” eher die Ausnahme von der Regel. Dabei macht es nur wenig Unterschied, ob die Kollegin im Büro in Delhi oder zu Hause in Weiden in der Oberpfalz sitzt.

In Schulnoten gesprochen fallen die meisten Unternehmen bei Frage 3 durch. Remote Work ist mangelhaft. Es gibt zwar in vielen Unternehmen diverse Software- und Telekommunikationslösungen, die das verteilte Arbeiten unterstützen. Verglichen mit der Arbeit in co-located Teams, die an einem Standort arbeiten, schneidet das verteilte Arbeiten aber signifikant schlechter ab. Es gibt sogar Firmen, die dem verteilten Arbeiten die Note ungenügend geben und ihre Mitarbeiter zurück ins Büro holen. IBM wies seine Mitarbeiter 2017 an, zurück ins Büro zu kommen.1 Yahoo veröffentlichte bereits 2013 ein No-Work-From-Home Memo.2 Schaut man sich den Aktienkurs von Yahoo an, scheint sich das nicht positiv auf das Ergebnis ausgewirkt zu haben. 2018 wurde das Unternehmen sogar verkauft.

Ich arbeite seit über 10 Jahren in verteilten Teams und habe selbst viele der Herausforderungen von Remote Work erlebt. Es überrascht mich daher nicht, dass Firmen aufgrund von Kommunikationsproblemen und fehlendem Projekterfolg mit Remote Work und verteiltem Arbeiten auf Kriegsfuß stehen. Remote Work aber nicht zu fördern oder gar zu verbieten, heißt auch auf die Vorteile zu verzichten. Ich möchte in diesem Beitrag beispielhaft drei Vorteile von Remote Work vorstellen.

Remote Work löst Personalprobleme

Ich hatte kürzlich eine Unterhaltung mit den Geschäftsführern eines KMU aus der Automatisierungsbranche. Das Unternehmen digitalisiert Fabriken und ist dringend auf der Suche nach Informatikern. Diese sind in Deutschland und auch Europa rar. Mit den Benefits großer Firmen kann man meist nicht konkurrieren. Fündig wurde das Unternehmen schließlich in Indien. Remote Work lautet die Lösung ihres Personalproblems. Man muss noch nicht mal ein eigenes Büro eröffnen. Vorausgesetzt die IT Infrastruktur ist zuverlässig und entsprechend schnell, können die neuen Mitarbeiter auch von zu Hause oder aus einem co-working Space arbeiten. Würde man auf co-located Teams setzen, müsste man für die Mitarbeiter ein Visum beantragen, Umzug und Wohnung organisieren. Für ein kleines Unternehmen ist das zeitlich und finanziell nur schwer zu stemmen.

Die Lösung bietet sogar noch weitere Vorteile. Das Unternehmen kann Mitarbeiter mit höherer Qualifikation beschäftigen. Gibt es für einen Kunden ein technisches Problem zu lösen, kann es am nächsten Morgen dank unterschiedlicher Zeitzonen bereits erledigt sein. Perspektivisch ermöglicht Remote Work sogar den Eintritt in neue Märkte.

Remote Work kann Leistung steigern

Es ist an der Zeit, die Eingangsfrage zu lösen. Wie kann Surfen die Leistung im Unternehmen steigern? Dazu möchte ich die Geschichte von Sam erzählen. Sam ist begnadeter Surfer. Vor zwei Jahren ist er von Deutschland nach Fuerteventura gezogen. Dort gibt es Meer, immer Wind und er kann ganzjährig seiner Leidenschaft Surfen nachgehen. Studiert hat Sam übrigens Data Science. Mit seinem Know-How bereitet er für ein deutsches Unternehmen Vertriebsdaten auf und erstellt dank künstlicher Intelligenz Absatzprognosen. Remote Work ermöglicht eine Win-Win-Situation für ihn und das Unternehmen. Sam muss sich nicht zwischen seinen beiden Leidenschaften Surfen und Data Science entscheiden. Der Wind und die sportliche Betätigung sorgen für einen klaren Kopf und ihm kommen dabei neue Ideen. Für sein Unternehmen bedeutet dies mehr Leistung und einen gesunden und zufriedenen Mitarbeiter.

Die Geschichte von Sam ist erfunden, aber von einer echten Geschichte inspiriert. Yvon Chouinard, der Gründer und Inhaber der Outdoormarke Patagonia, beschreibt in seinem Buch “Let My People Go Surfing” wie sich die Motivation seiner Mitarbeiter positiv auf sein Geschäft auswirkt.3

Remote Work löst gesellschaftliche Probleme

In den letzten fünf Jahren sind die Mieten in München um ca. 20 % gestiegen. Immer mehr Menschen ziehen in die Metropole an der Isar. Auch andere deutsche Großstädte wie Berlin und Hamburg wachsen stetig. Auf der anderen Seite gibt es strukturschwache Regionen, in denen die Bevölkerung schrumpft und das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt. Für die übrigen Bürger sinkt die Lebensqualität – Geschäfte schließen, die medizinische Versorgung wird zentralisiert, der Wert von Immobilien sinkt.

Wachstumsgebiete leiden außerdem unter dem Verkehr und der damit verbundenen Umweltbelastung. In vielen deutschen Großstädten quälen sich morgens Blechkolonnen in die Städte hinein und abends wieder heraus.

Das alles sind Herausforderungen, die Remote Work lösen und die Lebensqualität steigern kann. Dazu muss Remote Work aber funktionieren.

Wie funktioniert Remote Work?

Ich habe in den vergangenen Jahren fünf Aspekte für die erfolgreiche Arbeit in Remote-Teams identifiziert. Werden diese berücksichtigt, stehen die Chancen gut, dass Remote Work gelingt.

  1. Der “Purple Space” ist ein ein virtueller Raum für verteilte Teams. Er beschreibt den Rahmen, in dem die Arbeit stattfindet. Je besser der Rahmen der gemeinsamen Arbeit beschrieben werden kann, desto einfacher können die Arbeitsabläufe und Kommunikationskanäle in die virtuelle Welt übertragen werden. Das Konzept des Purple Space wurde von Line Jehle und Kollegen erdacht und im Buch “Closeness at a Distance: Leading Virtual Groups to High Performance”4 beschrieben.
  2. Verteilte Teams brauchen einen regelmäßigen Rhythmus der Kommunikation. Das kann man sich wie den menschlichen Herzschlag verbildlichen. Die Taktung hängt von der Intensität der Aufgabe ab. Beispielsweise kann einmal die Woche eine einstündige Videokonferenz stattfinden. Daneben gibt es täglich einen 15-minütigen Abgleich per Telefon. In der restlichen Zeit findet Kommunikation 1:1 zwischen Teammitgliedern statt.
  3. Die meisten denken bei Remote Work nur an Tools. In der Tat ist digitale Kommunikation ein wichtiger Faktor. Grundsätzlich ist zu überlegen, für welche Tätigkeiten man synchrone (z.B. Telefonkonferenz) oder asynchrone (z.B. Wiki) Kommunikation einsetzt. Medienreichhaltigkeit bestimmt, wie viel Information ein Kommunikationsmedium übertragen kann. Ein Videoanruf ist reichhaltiger als ein Telefonanruf, weil er auch die Körpersprache transportiert. Im Allgemeinen sollten Sie das Medium mit der größten Reichhaltigkeit wählen. Allerdings bedeuten reichhaltigere Medien in der Regel einen höheren Aufwand (höhere Bandbreite, Ausrüstung).
  4. In einem virtuellen Team kommen verschiedene kulturellen Normen und Regeln zusammen. Oft sind den Teammitgliedern noch nicht einmal die eigenen Regeln und Verhaltensweisen bewusst. Sie sind bereits seit vielen Jahren Routine. Man folgt ihnen, ohne darüber nachzudenken.
  5. Gerade wegen der eingeschränkten Kommunikationskanäle gegenüber einem co-located Team ist regelmäßiges Feedback unabdingbar. Planen Sie ausreichend Zeit für Reflexion und Feedback ein. Konnten die Teammitglieder alles sagen, was sie sagen wollten? Wie sorgfältig haben alle einander zugehört? Ist es ok, dass man sich gegenseitig unterbricht?

 

Wie fängt man das Thema an?

Ein Patentrezept gibt es (leider) nicht. Die Herangehensweise hängt vom zu lösenden Problem ab. An zwei kleinen Beispielen möchte ich das illustrieren:

Ihr Mitarbeiter möchte nicht länger in einer Fernbeziehung leben und in die Stadt seiner Partnerin ziehen. Remote Work ist die Alternative um den Mitarbeiter nicht zu verlieren. Definieren sie einen Rhythmus in dem Zusammenarbeit stattfindet. Zum Beispiel sieht man sich einmal im Monat persönlich, zweimal die Woche gleicht man sich per Videokonferenz ab und der Rest der Kommunikation wird über einen Chat abgebildet. Analysieren Sie die Kommunikationskanäle und überlegen Sie sich, wie diese digital abgebildet werden können. Planen Sie außerdem eine regelmäßige Retrospektive ein. Was in der Zusammenarbeit hat sich verschlechtert? Was hat sich vielleicht sogar verbessert (z.B. weniger Unterbrechungen durch Großraumbüro)?

Ihr Unternehmen möchte in den chinesischen Markt einsteigen. Sie haben bereits zwei chinesische Mitarbeiter an Bord, die gemeinsam mit dem deutschen Vertriebsteam und der Logistik die ersten Kunden gewinnen und beliefern möchten. Sie definieren dazu den Rahmen der Zusammenarbeit. Was findet im “purple space” statt und was lokal? Zum Beispiel müssen Kundentermine nicht notwendigerweise gemeinsam geplant werden. Dies kann lokal in China stattfinden. Im “purple space” findet dann die Abstimmung mit Logistik und Vertrieb über benötigte Mengen statt. Die beiden chinesischen Teammitglieder sprechen nicht so gut Englisch und sind viel bei Kunden unterwegs. Deswegen einigt man sich auf WeChat als Alltags-Kommunikationsmedium. So können die beiden von unterwegs schriftlich Rückmeldung über das Ergebnis von Kundenterminen geben.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen Mut machen, das Abenteuer Remote Work anzugehen. Mehr Details zu den fünf Aspekten finden Sie auf meinem Blog CompanyPirate. Ebenfalls gibt es dort zahlreiche weitere Impulse zu Remote Work.

 

Hinweise:

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Tobias Leisgang
Tobias Leisgang

Als CompanyPirate inspiriert Tobias Leisgang auf dem gleichnamigen Blog und in Vorträgen Menschen in Unternehmen neue Wege zu beschreiten. Er ist überzeugt, dass erfolgreiches und nachhaltiges Wirtschaften im 21. Jahrhundert radikale Veränderungen braucht.

Die Unternehmenswelt kennt Tobias bestens aus seiner hauptberuflichen Tätigkeit. Seit November 2018 verantwortet er bei einem globalen Automobilzulieferer Innovation mit externen Partnern - vom Konzern bis zum Startup. Vorher war er 15 Jahre bei einem amerikanischen Technologiekonzern in Rollen vom Entwickler bis zum Leiter System Engineering tätig und hatte dabei Einblick in Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Die Herausforderungen wurden  in globalen Teams gelöst.