Design trifft Osterhase

von | 28.03.2024

Yayoi Kusamas Faszination für Designprinzipien und den Osterhasen

Yayoi Kusama ist eine der einflussreichsten und faszinierendsten Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts. Die 1929 in Matsumoto, Japan, geborene Künstlerin ist bekannt für ihre vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen, insbesondere für ihre Punktemuster oder Polka Dots. Diese vermitteln eine spielerische Leichtigkeit und werden oft als Symbol der Unendlichkeit und der Verbindung zwischen Mensch und Universum interpretiert.

Weniger bekannt, aber nicht weniger faszinierend ist die Nähe der Künstlerin zum Osterhasen. Obwohl der Osterhase traditionell mit Fröhlichkeit, Neuanfang und Frühling assoziiert wird, hat Kusama diese ikonische Figur auf ganz eigene Weise in ihr Werk integriert. Indem sie den Osterhasen in einigen ihrer Arbeiten als Motiv verwendet, schafft sie eine Verbindung zwischen festlichen Symbolen und ihrer eigenen künstlerischen Vision. Interessanterweise folgt sie dabei grundlegenden Designprinzipien, die über die Kunst hinaus auch bei der Gestaltung von Produkten, Websites, Benutzeroberflächen und anderen visuellen Elementen helfen. Sie dienen als Leitfaden und integrieren ästhetischen Anspruch, Funktionalität und im übertragenen Sinne auch Benutzerfreundlichkeit.

Die Designgesetze der Nähe, Geschlossenheit und Prägnanz

Die unterbewusste Wahrnehmung und Wirkung von Gestaltungsprinzipien spielen eine entscheidende Rolle in der Art und Weise, wie Menschen visuelle Inhalte verarbeiten und darauf reagieren. Obwohl viele Aspekte des Designs bewusst wahrgenommen werden, beeinflussen Gestaltungsprinzipien oft auch das Unterbewusstsein und können subtile, aber dennoch signifikante Auswirkungen haben.

Werfen wir zu Beginn der Betrachtung einen Blick auf verschiedene “Gesetze”, die Yayoi Kusama in ihren Werken berücksichtigt:

Das Gesetz der Nähe besagt, dass Elemente, die räumlich näher beieinander liegen, als zusammengehörig wahrgenommen werden. Optische Hilfsmittel wie gemeinsame Umrandungen oder einfarbige Hintergründe fördern diesen Effekt. Hier sehen Sie die einfachste Anwendung des Gesetzes – der Osterhase tritt durch die Umrandung aus dem einfarbigen Hintergrund in den Vordergrund ohne seine eigene Farbe zu variieren. Gleichzeitig vermitteln die kontrastreichen Polka Dots im Pinkraum ein freies Treiben ohne erkennbare Ordnung und Nähe:

Design trifft Osterhase: Gesetz der Nähe

Das Gesetz der Geschlossenheit – auch Gesetz der geschlossenen Form genannt – besagt, dass Menschen einfache und bekannte Formen schneller wahrnehmen als komplizierte und unbekannte Formen. Bemerkenswert ist, dass das menschliche Gehirn bei bekannten Formen fehlende Linien und Verbindungen automatisch durch imaginäre Linien und Verbindungen ergänzt. Interessanterweise wirkt das Gesetz hier in Richtung Osterhase und Osterei – vielleicht fällt Ihnen erst auf den zweiten Blick auf, dass die Eierschale unvollständig ist – obwohl die aufgehende und untergehende Sonne ebenfalls bekannte Designformen sind.

Design trifft Osterhase: Gesetz der Geschlossenheit

Das Gesetz der Prägnanz¹ besagt, dass Elemente durch prägnante Gestaltung – in Farbe, Form, Größe usw. – hervorgehoben werden können. Ein entsprechend hervorgehobenes Element macht sozusagen eine gute Figur. Wenig überraschend wirkt der einzelne Osterhase in diesem Werk prägnanter als die unendliche Menge der sich wiederholenden schwarzen Polka Dots. Bei genauerer Betrachtung heben sich aber auch die weißen Punktmuster von den schwarzen Dots positiv ab. Verblüffend, oder?

Design trifft Osterhase: Gesetz der Prägnanz

Haben Sie schon einmal von Hick’s Law oder Occam’s Razor gehört?

  • Hick’s Law – auch Hick’sches Gesetz oder Hick-Hyman-Gesetz genannt – geht auf William Edmund Hick zurück, der 1952 den Zusammenhang zwischen Reaktionszeit und Anzahl der Auswahlmöglichkeiten dokumentierte.
  • Occam’s Razor adressiert die Sparsamkeit von Elementen und verfolgt das Ziel, so viele Elemente wie möglich wegzulassen, ohne die Gesamtfunktionalität einzuschränken.

Übertragen auf die Welt des Designs führt dies bei Yayoi Kusama zur Vereinfachung von Motiven, zur Zerlegung komplizierter Darstellungen in kleinere Elemente und zur visuellen Hervorhebung bevorzugter Optionen (hier: das Osterei). Interessanterweise treibt sie in diesem Bild die Sparsamkeit nicht auf die Spitze, sondern hält mit zwei einfachen Punkten ein symmetrisches Gleichgewicht, das zur Ausgewogenheit des Werkes beiträgt.

Design trifft Osterhase: Hick's Law and Occam's Razor

Die Reduzierung und Hervorhebung von Optionen bei gleichzeitiger Sparsamkeit von Elementen führt geradewegs zu Miller’s Law. George A. Miller entdeckte 1956, dass eine durchschnittliche Person lediglich 7 (plus/minus 2) Elemente erfassen bzw. sich merken kann. Es empfiehlt sich daher Elemente zu gruppieren, aber in den Gruppen maximal 5 – 9 Elemente zu platzieren. Und natürlich transportiert Yayoi Kusama dies mit ihren gruppierten, weißen Polka Dots leicht in die Praxis.

Design trifft Osterhase: Miller's Law

Die Designeffekte von Zeigarnik, Restorff & Co.

Neben den “Gesetzen” unter den Designprinzipien gibt es auch verschiedene Effekte. Auch diese Effekte finden sich in vielen Osterhasen-Bildern. Der Serial Position Effect erläutert bspw., dass Menschen dazu neigen, sich das erste und das letzte Element einer Serie am besten merken zu können. Wenig überraschend nutzt Yayoi Kusama diesen Effekt virtuos aus:

Design trifft Osterhase: Serial Position Effect

Der Restorff Effect² besagt, dass Menschen sich bei mehreren ähnlichen Objekten jenes merken, das sich von den anderen am meisten unterscheidet. Nicht umsonst heißt er unter Kunstfreunden auch Isolationseffekt. Und natürlich können sich die meisten Menschen bei diesem Bild den Osterhasen deutlich besser merken als den dritten Dot von links.

Design trifft Osterhase: Restorff Effect

Der Aesthetic Usability Effect beschreibt, dass Menschen ästhetischere Designs als wesentlich intuitiver empfinden als weniger ästhetische Designs und daher bei der Benutzung eines Produktes glauben, dass es auch tatsächlich besser funktioniert. Es liegt also auf der Hand, dass der Osterhase am besten mit Ostereiern umgehen kann.

Design trifft Osterhase: Aesthetic Usability Effect

Zu guter Letzt werfen wir noch einen Blick auf den Zeigarnik Effect. Er drück aus, dass Menschen sich an unterbrochene, unerledigte Aufgaben besser erinnern als an abgeschlossene, erledigte Aufgaben. Yayoi Kusama verzichtet zwar auf die Verwendung von Fortschrittsbalken als Anzeige von unvollständig erledigten Aufgaben, wie es bspw. bei der Installation von Software oder der Beantwortung von Online-Fragebogen üblich ist, nichts desto trotz ist in diesem Werk klar zu erkennen, dass es noch nicht “fertig” ist; hier schließt sich auch der Kreis zum Gesetz der Prägnanz – das zentrale, unfertige Motiv des Osterhasens im Zentrum zieht den Blick auf sich, während die offensichtlich – aber nur auf den zweiten Blick  – fehlenden Polka Dots im rechten oberen Eck fast in Vergessenheit geraten. Auch dies ist ein Hinweis auf den immerwährenden Dialog von Kusama mit der Unendlichkeit.

Design trifft Osterhase: Zeigarnik Effect

Fazit

Die Darstellung des Osterhasen in Kusamas Kunst kann als Ausdruck ihrer spielerischen und humorvollen Seite interpretiert werden, die oft im Kontrast zu den tiefgründigen Themen steht, die sie erforscht. Es ist eine Erinnerung daran, dass Kunst nicht nur ernst sein muss, sondern auch Raum für Freude und Verspieltheit bietet. Gleichzeitig ist es ein Appell, sich an die Grundprinzipien der Gestaltung zu halten: Hierarchie und Proportionen, Wiederholung und Symmetrie der Elemente.

Danke, Yayoi Kusama!

 

Hinweise:

[1] [2] Designprinzipien wie bspw. das Gesetz der Prägnanz und der Restorff Effect haben oftmals große Schnittmengen, addressieren ähnliche Aspekte auf unterschiedliche Weise oder ergänzen sich.

Kennen Sie schon “Osterhase. Punkt. Punkt. Punkt.” von Yayoi Kusama? Sie finden das Werk in “Kunst trifft Osterhase”. Schon bald dürfte es zu den 10 berühmtesten Kunstwerken der Japanerin gehören.

Sämtliche Informationen und Werke in diesem Beitrag schrammen bestenfalls an einer surrealen Kunstgeschichte entlang. Wer sich über Kunst und die Geschichte seiner Vertreterinnen und Vertreter informieren möchte, sollte dringend andere Quellen bemühen. In der Realität und Gegenwart wünsche ich Ihnen, Ihren Familien und Freunden frohe Ostern.

Wenn Sie sich im Detail mit den genannten und weiteren Designprinzipien und den Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person bei der Nutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung auseinandersetzen wollen, dann lohnt sich ein Blick auf unsere Wissensseite über User Experience.

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Michael Schenkel
Michael Schenkel

Leiter Marketing, t2informatik GmbH

Michael Schenkel hat ein Herz für Marketing - da passt es gut, dass er bei t2informatik für das Thema Marketing zuständig ist. Er bloggt gerne, mag Perspektivwechsel und versucht in einer Zeit, in der vielfach von der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne von Menschen gesprochen wird, nützliche Informationen - bspw. hier im Blog - anzubieten. Wenn Sie Lust haben, verabreden Sie sich mit ihm auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen mit ihm; mit Sicherheit freut er sich darauf!