Der Kunde hinter der IP-Adresse

von | 26.11.2018

Haben Sie schon mal etwas über das Internet gekauft? Knapp drei viertel aller Deutschen haben dies bereits getan. Was viele Menschen vor einigen Jahren noch skeptisch beurteilten, ist längst Normalität und Gegenwart. Es gibt unzählige Möglichkeiten online zu shoppen, es gibt Vergleichsportale, Bewertungsplattformen und Black Friday Angebote. Bei der Menge von Geschäftsabschlüssen ist es wenig überraschend, dass ein Großteil der Interaktionen zwischen Lieferanten und Kunden automatisiert vonstattengehen. Doch leider vergessen viele Unternehmen hierbei oftmals den Menschen hinter der IP-Adresse. Und das hat eine wesentliche Konsequenz: die Kundenbindung sinkt. Selbst Kunden, die Herstellern und Partnern jahrelang die Treue gehalten haben, beschäftigen sich mit alternativen Angeboten, mit anderen Wegen der Beschaffung. Und wie reagieren viele Unternehmen? Sie intensivieren ihre werblichen Bemühungen, offerieren neue Services, denken an optimierte Conversions und Sales-Funnel. Tatsächlich können Unternehmen etwas ganz einfaches tun: Sie sollten einfach mal mit ihren Kunden sprechen, sie in den Mittelpunkt der zwischenmenschlichen Kommunikation stellen und zuhören.

Kundenzufriedenheit entsteht nicht durch Bewertung

“Die voraussichtliche Wartezeit beträgt ca. 90 Minuten.” – so lautete vor kurzem die Ansage eines großen deutschen Telefonkommunikationsanbieters. Was war gesehen? Mein privater Telefon- und Internetzugang funktionierte nicht mehr. Er funktionierte nicht, er funktionierte, er funktionierte nicht. Mit Hilfe einer App des Anbieters lies sich das WLAN überprüfen und der Router neu starten. Ergebnis: das WLAN funktionierte, allerdings nur für ca. 1 Minute. Dann funktionierte es wieder nicht. Es kam fast wie es kommen musste: die App fragte mich nach einer Beurteilung. Positive Bewertungen sind im Internetzeitalter sehr wichtig. Sie schaffen Vertrauen. Das ist verständlich und leicht nachvollziehbar. Potentielle Kunden und Anwender werden positiv beeinflusst. Für mich als konkreten, real existierenden Kunden wäre eine funktionierende WLAN-Verbindung auch eine vertrauensbildende Maßnahme gewesen. Eine App, die per Zauberfunktion mein Problem löst – alle Sterne dieser Welt würde sie verdienen. Beim dritten Durchlauf erkannte die App immerhin das Problem: eine nicht synchrone DSL-Leitung.

Was hätten Sie bei einer nicht synchronen DSL-Leitung getan? Ich rief bei der Hotline an. Der Anruf funktionierte direkt aus der App heraus. Cool. Vorab instruierte mich die App, Kundennummer, Routerbezeichnung, Gerätepasswort und eben die Fehlermeldung zu notieren. Ich sollte unbedingt am Telefon “DSL Hilfe” sagen. Okay, gesagt, getan. Nach zweimaligem Eingeben der Telefonnummer und einmaligem Vorlesen zur Bestätigung erhielt ich die freundliche Auskunft: “Die voraussichtliche Wartezeit beträgt ca. 90 Minuten.” Wow, 90 Minuten. Ich beschloss, die Wartezeit zu nutzen und mittels Mobilfunk im Internet nach alternativen Tipps zu suchen. Schnell landete ich auf der Seite des Anbieters und dort im Hilfe-Bereich. Ein digitaler Chat-Assistent bot sich mir an. Um es kurz zu machen: vergessen sie den einfach. Er antwortet zwar schnell und automatisiert, aber in Schleifen, ohne Informationszugewinn. Und am Ende, nachdem er mir den Link zur App schicken wollte, fragte er, ob die Informationen hilfreich waren. Mmh, nicht direkt …

Natürlich ist es einfach mit dem Finger auf andere Organisationen zu deuten und sich darüber auszulassen, was alles nicht funktioniert. Täglich gehen bei mir Dinge schief, ich arbeite nicht perfekt, mache Fehler.  Das Ganze ist menschlich. Dass die App mir nicht helfen konnte – geschenkt. Dass die Hilfe auf der Webseite nicht durchdacht ist – abgehakt. Dass “DSL-Hilfe” im Sprachmenü der Hotline nicht angeboten wird – ein kleines Detail. 25 Minuten später war es dann soweit. Eine Frau meldete sich mit der Frage: “Geburtstag?”. Ich beginne die meisten Gespräche mit einer Begrüßung, aber das ist nur eine Randnotiz. “Was ist denn Ihr Problem?” – diese Frage hatte ich erwartet. Als Antwort auf meine Ausführung erhielt ich den Hinweis, dass Techniker bereits vor zwei Tagen mit der Problemlösung begonnen hätten, sie aber nicht wüsste, wie lange es noch dauern würde. Hatte ich schon erwähnt, dass ich versuche, verständnisvoll zu sein? Es ist nicht der Fehler der Hotline, dass die Information zur voraussichtlichen Dauer nicht im verwendeten System hinterlegt ist. Es ist auch keine Absicht, wenn ein Teil irgendwo vor meinem Router nicht wie erwartet funktioniert. Etwas überrascht wurde ich von der Frage, ob ich denn einen D1 Mobilfunkvertrag der Telekom hätte? Wäre es so, könnte sie mir eine Gutschrift als Wiedergutmachung anbieten. Okay, damit sind nun zwei Dinge klar: es geht bei dem großen deutschen Telekommunikationsanbieter um die Telekom. Und wer auch immer sich ein solches Geschenk überlegt hat, so funktioniert es nicht. Ich kein Telekom-Mobilfunkkunde, ich bin aber Besitzer eines Telekom-Festnetzanschlusses. Eine Gutschrift bekommen Kunden nur, wenn sie einen Handyvertrag mit der Telekom geschlossen haben? Verblüffend!

Den weiteren, durchaus interessanten Gesprächsverlauf erspare ich Ihnen. Das Ergebnis war fast erwartungskonform: ich erhielt am nächsten Tag eine SMS – meine Handynummer durfte ich für Rückfragen eines imaginären Technikers übermitteln – mit der Frage, ob denn mein Problem gelöst sei. Ich verneinte und erhielt unmittelbar darauf eine weitere SMS mit folgendem Inhalt:

Wie viel Sterne würden Sie geben?

Wie viel Sterne würden Sie geben?

Die Digitalisierung im Kleinen

Vermutlich kennen Sie ähnliche Situationen und möglicherweise auch das eine oder andere Beispiel aus Ihrem Unternehmen. Mir geht es nicht um die Telekom, um Störungen oder Wartezeiten. Es geht um mich als Kunden. Ich bin nicht nur in der Online-Welt sondern auch im realen Leben ein Kunde. Nicht nur digital, sondern auch im besten Sinne analog. Aus Fleisch und Blut. Und als solcher bin ich vielleicht auch bereit, über positive Erfahrungen zu berichten, aber zuallererst hätte ich gern mein Problem gelöst, bevor ich per App, im Web und per SMS automatisiert um Feedback gebeten werde. Dass es anders geht, zeigt folgendes Beispiel: vor kurzem endete die Gültigkeit meiner Kreditkarte. Diese habe ich bei verschiedenen Anbietern als Zahlungsmittel hinterlegt. Bei t2informatik versenden wir unsere Newsletter über einen Anbieter namens Mailchimp. Und was macht dieser? Er schickt mir vor Ablauf eine Erinnerung, mit der Bitte mein Zahlungsmittel zu aktualisieren:

Ein kleiner, netter Service eines Partners.

Ein kleiner, netter Service eines Partners

Offensichtlich ist das kein Hexenwerk, denn Mailchimp kennt meine Kreditkarte und hat ein kleinen Dienst implementiert, der mir und auch gleichzeitig Mailchimp hilft. Das ist Digitalisierung im Kleinen, einfach und nützlich. Wo habe ich meine Karte noch hinterlegt? Bswp. bei DriveNow, dem Carsharing-Anbieter. Dieser hat mich ebenfalls per Mail auf die ablaufende Kreditkarte hingewiesen und mir nach der Aktualisierung der Daten ein Guthaben von 5 Euro als Dankeschön eingeräumt. Das ist sehr nett und zeigt, dass sich das Unternehmen Gedanken um typische Anwendungsfälle seiner Kunden macht. Häufig benötigt es nicht viel, um Kunden ein gutes Gefühl zu schenken. Meist reicht sogar ein Blick nach links oder rechts um zu erkennen, was andere Anbieter in vergleichbaren Situationen tun. Wie leicht könnte jeder Anbieter, der die Kreditkartendaten seiner Kunden speichert, einen solchen Service anbieten? Wenn Sie Kunde Ihrer Firma wären, welche Dinge würden sie sich wünschen? Und was wünschen sich Ihre Kunden tatsächlich? Fragen Sie diese bei nächster Gelegenheit doch einfach einmal.

Gute Bewertungen von realen Kunden

Ich möchte nicht verschweigen, dass viele Unternehmen ein Mengenproblem haben. Es ist schlicht unmöglich alle Kunden individuell nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu fragen. Mit Sicherheit ist dies auch ein Grund für automatisierte Feedbackwünsche und Bewertungsoptionen. Und in der Folge wird es vermutlich auch nicht besser, denn viele Kunden zu befragen, bedeutet auch viele Antworten zu erhalten. Es steht zu befürchten, dass sich zahlreiche Wünsche nicht umsetzen lassen.

Doch was passiert eigentlich, wenn sich ein Hersteller bei Ihnen meldet und einfach mal fragt, wie es Ihnen mit dem Produkt A oder B geht, und ob er etwas für Sie tun kann? Was passiert, wenn der Lieferant Ihnen mitteilt, dass er vielleicht nicht jeden Wunsch von jedem Kunden umsetzen kann, er sich aber bemüht, Services zu verbessern, Reaktionszeiten zu beschleunigen und zwei neue Softwareversionen innerhalb der nächste 6 Monate zu veröffentlichen? Möglicherweise gelingt dann auch nicht alles, aber immerhin merken Sie als Kunde, dass er sich bemüht. Er bemüht sich um Sie, mit Leistung und Interesse, mit Einsatz und Willen. Er behandelt Sie als realen Kunden und nicht als anonymen Online-Shopper. Ich persönlich wünsche mir gar nicht viel mehr. Weniger akzeptiere ich aber auch nicht. Und was erhalten Hersteller und Lieferanten häufig im Gegenzug: Loyale Kunden und gute Bewertungen.

 

Hinweise:

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Michael Schenkel hat im t2informatik Blog weitere Beiträge veröffentlicht, u. a.

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Michael Schenkel
Michael Schenkel

Leiter Marketing, t2informatik GmbH

Michael Schenkel hat ein Herz für Marketing - da passt es gut, dass er bei t2informatik für das Thema Marketing zuständig ist. Er bloggt gerne, mag Perspektivwechsel und versucht in einer Zeit, in der vielfach von der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne von Menschen gesprochen wird, nützliche Informationen - bspw. hier im Blog - anzubieten. Wenn Sie Lust haben, verabreden Sie sich mit ihm auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen; mit Sicherheit freut er sich darauf!