Columbos Regeln

Gastbeitrag von | 05.07.2021

Mit Columbos Fragetechniken Probleme lösen statt sie in Konflikten eskalieren zu lassen

Wie bitte? Columbo? Der mit seinem ewigen ‚Ach eine Frage hätte ich noch…‘? Was soll der mir heute noch helfen? Der ist doch sowas von 70er! Stimmt. Und trotzdem bekommt dieser etwas schusselige Inspektor in seinem zerknautschen Mantel immer noch seine Zuschauer und ist fast schon wieder Cult. Hinter seiner Fassade also stecken, dass uns anspricht. Wir werden es herausfinden. Erst mal zurück in die Gegenwart, zu unseren täglichen Kommunikationsproblemen in der Neuen Welt der Zusammenarbeit.

Kommunizieren in der neuen Welt der Zusammenarbeit

Kommunikation ist nicht alles, aber ohne Kommunikation ist alles nichts. In unserem Fall bedeutet das: Ohne die passenden Kommunikationsmuster sind all die schönen Ansätze zur Verbesserung der Zusammenarbeit zum Scheitern verurteilt.

Das Problem: Viele Führungs- und Kommunikationstipps, die für die hierarchische und machtbesetzte Command & Control-Welt geschrieben wurden, passen einfach nicht mehr für Teams, die eigenverantwortlich arbeiten, ihre Potenziale einbringen und Verantwortung übernehmen wollen.

Führung kommt mit einem völlig neuen Selbstverständnis, bestimmte Positionen und Verantwortlichkeiten sind aus der Hierarche verschwunden, dafür sind neue Rollen und Funktionen entstanden, die ihren Platz im System finden müssen und mit denen andere lernen müssen, zusammenzuarbeiten. Eskalieren kann es, wenn Alte und Neue Welt operativ und mental aufeinander treffen.

Dazu kommt – Entwicklungen sind schwerer vorhersagbar und erfordern eine viel höhere Beweglichkeit, die Halbwertszeit von Entscheidungen wird immer kürzer.

Das bedeutet auch, dass Meinungsverschiedenheiten und die daraus entstehenden Probleme anders gelöst werden müssen. Es geht nicht mehr um die Kraft, die eigene Position durchzusetzen, zur Not sogar einen Konflikt mit einzukalkulieren, sondern um die Fähigkeit, gemeinsam eine gute Lösung zu finden. Dazu gehört auch, sich wertschätzend mit den Bedürfnissen der anderen Teammitglieder zu beschäftigen – und natürlich auch mit den eigenen Befindlichkeiten. Das war bei Command & Control nicht unbedingt vorgesehen, dafür gab es gar keine Sprachmuster.

Was bedeutet das konkret für unsere Kommunikation?

Problem und Chance: Kommunikation ohne Macht

Die Situation: Eine Aktion ist nicht so gelaufen, wie geplant, das Ergebnis ist unbefriedigend. Die Situation ist unübersichtlich. Vielleicht haben Sie sogar eine Ahnung, wer das alles verursacht hat.

Problem I – Die Frage nach der Macht in drei Varianten:

  1. Sie haben keine Machtposition gegenüber der fraglichen Person, Sie können keine Klärung einfordern und Beschuldigungen würden eine Eskalation auslösen.
  2. Sie hätten die Macht und diese Karte auszuspielen, würde momentan vielleicht zu einer Klärung führen, gleichzeitig aber die Beziehung nachhaltig beschädigen.
  3. Sie haben die Macht und wollen sie bewusst nicht einsetzen, weil Sie hoffen, so viel mehr zu erreichen.

Kurzfassung: Sie haben eine dringliche und wichtige Aufgabe zu erledigen, aber Macht ist nicht der Weg, um die Lösung zu forcieren. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dann bleiben Sie dran.

Problem II – Einem guten, klärenden Gespräch können drei Dinge im Wege stehen:

  1. Sie müssen das Problem lösen, es drängt, eine Wiederholung darf nicht passieren. Das macht sie ungeduldig.
  2. Sie glauben zu wissen, wie es passiert ist. Deshalb stellen Sie die falschen Fragen.
  3. Sie glauben die Antworten zu kennen, deswegen hören Sie im Gespräch nicht zu.

Von hier zu einem guten Gespräch zur Ursachenforschung und zur gemeinsamen Entwicklung von Lösungen scheint der Weg weit und schwierig zu sein. Und hier soll uns der etwas schrullige TV-Inspektor Columbo weiterhelfen?

Genau, denn er hat das gleiche Problem wie Sie und seinen eigenen Weg gefunden, damit sehr entspannt umzugehen.

Wie arbeitet Inspektor Columbo?

Columbo hat eine dringende und wichtige Aufgabe, aber er hat keine Macht bzw. kann sie nicht einsetzen. Seine Polizeimarke bringt ihm nichts, denn seine Gegenspieler sind etwas eigen. Es sind die reichen, berühmten, wichtigen Leute aus Los Angeles oder zumindest die, die sich dafür halten. Daraus ergibt sich eine gewisse Nähe zur Macht in der Stadt oder zum Polizeichef direkt und diese vermeintliche Überlegenheit spielen sie gerne aus, wenn der Inspektor ihnen mit seinen Fragen zu nahe kommt. Zum Glück hat er einen Chef, der solche Beschwerden immer als Trefferanzeigen interpretiert. Aber trotzdem sind diese Beschwerden lästig und behindern Columbos Arbeit.

Deshalb hat der Inspektor eine Reihe von Fragetechniken entwickelt, mit denen er vermeidet, das die Gespräche eskalieren und trotzdem zu erfahren, was er wissen will. Die drei wichtigsten Muster:

  1. Columbo spricht mit allen auf dieselbe freundliche Art und Weise. Das hat den unschätzbaren Vorteil, dass er nie wegen einer ungerechtfertigten Beschuldigung Abbitte leisten muss.
  2. Er stellt immer nur Fragen, statt zu interpretieren, und sammelt die Antworten wie Puzzelteilchen, bis alles zusammenpasst. Natürlich werden die Fragen immer präziser, aber es bleiben Fragen.
  3. Er hat ein Gespür für emotionale Veränderungen. Wenn eine Reaktion nicht zur Situation passt, wird er hellhörig und geht der Irritation auf den Grund.

Übertragen auf unseren kommunikativen Alltag bedeuten diese Sprachmuster:

  • Vermeidung, das Konflikte entstehen und eskalieren.

Stattdessen:

  • Wertschätzende, entspannte Gespräche auf Augenhöhe.
  • Maximaler Informationsgewinn.
  • Ergebnisorientierter Gesprächsverlauf.
  • Gute Basis für gemeinsame Arbeit an sinnvollen Lösungen.

 

Wer ist Columbo?

Wer Columbo wirklich ist, wie er funktioniert, das hat mir Bill Link¹ in einem langen Gespräch vor einigen Jahren verraten. Um es kurz zu machen: Columbo ist aus zwei literarischen Vorbildern zusammengebastelt.

Da wäre einmal eine Figur aus Dostojewskis ‚Schuld und Sühne‘, der Untersuchungsrichter Perforij Petrowitsch. Das war ein ganz besonderer Typ, ein intellektueller Fallensteller. Ein kluger Analytiker mit einer hohen Kombinationsfähigkeit. Er baut sein Netz wie eine Spinne und wartet geduldig ab, bis irgendwo etwas zuckt.

Diese Art gefiel den beiden Autoren, Gewaltfreiheit war ihr lebenslanges Thema. Aber die Figur hatte für sie trotzdem einen Schönheitsfehler. Perforij Petrowitsch war ein Jäger. Den Täter zur Strecke zu bringen, war seine leidenschaftliche Mission. Wenn die Verhaftung in Reichweite rückte, bekam er Adrenalinschübe. Das störte Richard Levinson² und Link. Ein Jäger war ihnen nicht entspannt genug.

Sie fanden eine zweite interessante Vorlage, nämlich Chestertons Pater Braun. Ein ruhiger Typ, dessen Weg immer wieder kriminelle Zeitgenossen kreuzten. Sein Job war, die schwarzen Schafe wieder in die Herde zurückzuholen, die Fälle löste er eher nebenbei. Das Verhalten von Pater Braun wird durch drei interessante Aspekte beeinflusst:

  • Zum einen gibt es für ihn nur einen Richter auf der Welt, und der ist nicht auf der Welt, sondern irgendwo weiter oben. Weshalb es nicht an ihm war, über die Person zu richten.
  • Zum zweiten kennt er durch seinen Beruf die Bandbreite menschlicher Natur. Er weiß, wozu Menschen in der Lage sind und ist nicht erschüttert oder überrascht, wenn es mal wieder passiert.
  • Und zum dritten sind all diese schwarzen Schafe ja nur auf der Erde, weil sein Herr es so will. Es ist also immer nur eine weitere Prüfungen für ihn, den Verirrten wieder auf den rechten Pfad zurückzuführen. Sobald er glaubt, dass sein Kandidat geläutert ist und in Zukunft ein gottgefälliges Leben führen wird, in dem Moment verabschiedet er sich von ihm und überlässt den Rest der weltlichen Macht. Sein Arbeit ist getan.

 

Das neue Mindset für die Lösung von schwierigen Problemen

Und Columbo? Es ist der klug analysierende und kombinierende, geduldig abwartende Kopf von Perforij Petrowitsch und der die Menschen verstehende und nicht über sie richtende Bauch von Pater Braun: Ein freundlicher und cleverer Informationssammler und Problemlöser! Interessantes Mindset, oder?

Damit haben wir das Prinzip hinter den Verhaltensmustern und Fragetechniken von Columbo gefunden, seine spezielle Art mit Leuten zu reden, seinen mentalen Autopiloten.

  • Nicht urteilen, sondern verstehen wollen.
  • Nicht beschuldigen, sondern hinterfragen, bis die Antworten passen.
  • Sich nicht über andere stellen, sondern sich im Zweifel eher kleiner machen.

Es ist Inspektor Columbo auch nicht wichtig, für clever gehalten zu werden, eher im Gegenteil. Ihm ist nur wichtig, Antworten zu finden, eine Aufgabe zu lösen. Dem ordnet er alles unter, auch sich selbst. Sein Angebot sind immer klare und offene Fragen auf Augenhöhe, aber wenn jemand mit ihm spielen will, dann kann er das auch, und zwar besser.

Wie können Ihnen Columbos Regeln weiterhelfen?

  • Sie können lernen, wie Sie schwierige Gesprächssituationen in Zukunft für beide Seiten entspannter und erfolgreicher gestalten können.
  • Sie brauchen keine Machtposition mehr, um ein Problem zu klären, egal ob Sie sie haben oder nicht. Gute Fragetechniken, aufmerksam zuhören, Ergebnisorientierung und sozial kompetentes Verhalten reichen aus.
  • Wenn Sie wollen, haben Sie ab jetzt auch immer Ihren persönlichen Coach für knifflige Situationen dabei. Sie müssen sich nur fragen: „Was würde Columbo jetzt machen?“ Seien Sie sicher, Ihnen wird etwas passendes einfallen.
  • Und außerdem kennen Sie jetzt das weltweit einzige Trainingskonzept mit einer regelmäßigen Lehrveranstaltung im Fernsehen. Irgendwo läuft immer ein Columbo.

 

Hinweise:

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[1] William Link
[2] Richard Levinson

Gerne empfehlen wir Ihnen auch unseren Fragen Guide, den Sie sich kostenlos herunterladen können.

Conrad Giller hat weitere Beiträge im t2informatik Blog veröffentlicht:

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Conrad Giller
Conrad Giller

Conrad Giller ist seit ca. 30 Jahren unterwegs als Trainer, Coach und Berater für fast alle Herausforderungen der mündlichen Kommunikation: Konflikt, Team, Führung, Storytelling, Präsentieren, Moderieren, Medien, etc. Gerne gibt er seine Erfahrungen online und offline in Workshops weiter.